Studie über Säuger: «Homosexualität ist evolutionäre Konfliktreduktion»
Wurde der Grund für gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei Säugetieren gefunden?
Eine neue Studie legt nahe, dass sich gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei vielen Säugetieren erst entwickelte, als diese anfingen, in Gruppen zu leben – um Konflikte zu reduzieren.
Was wir schon vor der neuen Studie der Wissenschaftler*innen der «Estación Experimental de Zonas Áridas» in Spanien wussten: Das Tierreich ist ziemlich queer! Bei mehr als 1’500 Arten haben Forscher*innen bisher sexuelle Kontakte zwischen Tieren des gleichen Geschlechts beobachtet. Zu ihnen gehört die Libelle genauso wie der Gekko, der Lachs, der Strauss oder der böse Wolf.
Konflikte reduzieren Wie die New York Times schreibt, glauben einige Fachpersonen, dass gleichgeschlechtlicher Sex schon seit den Anfängen des Tierreichs existiert. Eine neue Studie legt nun eine andere These nahe: Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten entwickelte sich bei Säugetieren erst, als diese begannen, in sozialen Gruppen zu leben.
Obwohl das Verhalten bekanntlich keine Nachkommen produziert, welche die Gene der Tiere weitergeben, könnte es andere evolutionäre Vorteile bieten. Laut den Autor*innen der Studie liegt dieser wohl darin, Konflikte zu reduzieren. «Es könnte dazu beitragen, positive soziale Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten», sagt Evolutionsbiologe und Mitautor der Studie José Gómez gemäss New York Times.
Auch wenn wir Menschen natürlich auch Säugetiere sind, warnt Gómez davor, die Anfang Oktober in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichte Arbeit mit der sexuellen Orientierung des Menschen zu verbinden. Die Art des gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens, die sie analysiert hätten (auch kurze vorübergehende Kontakte), unterscheide sich so sehr von der beim Menschen beobachteten permanenten sexuellen Orientierung, dass die Studie keine direkte Erklärung für diese Erscheinungsform liefern könne. Dennoch könnte sie zumindest eine mögliche Erklärung für die evolutionäre Geschichte des Auftretens von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten beim Menschen bieten.
Blick auf den Stammbaum Normalerweise wird bei solchen Untersuchungen das gleichgeschlechtliche Sexualverhalten einzelner Tiere genau unter die Lupe genommen. In diesem Fall wählten die Forscher*innen einen ganz anderen Ansatz: Sie betrachteten alle 6’649 Säugetierspezies.
Am Ende hatten sie eine Liste mit 261 Spezies, die ein entsprechendes Sexualverhalten aufweisen. Darunter fallen Dinge wie die Balz, die Paarung bis hin zu dauerhaften Partnerschaften. Männchen zeigten dieses Verhalten ungefähr gleich häufig wie Weibchen; bei manchen Spezies kam es nur bei einem Geschlecht vor.
Es fiel den Forscher*innen dann auf, dass die gefundenen Tierarten auf ganz unterschiedlichen Ästen des evolutionären Stammbaums zu finden sind. Dies legt den Schluss nahe, dass sich gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei Säugetieren mehrmals separat entwickelte.
Gruppe stabilisieren Was ist nun aber der Grund dafür? Eine Analyse des Stammbaums ergab, dass es sich tendenziell um soziale Spezies handelt. Gruppen bieten Schutz vor Feinden und bringen noch weitere Vorteile mit sich. Aber – und das kennen wir Menschen bestens – Gruppen sind auch herausfordernd. Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten könnte nun bei gewissen Säugetieren ein Mittel sein, um die soziale Gruppe zu stabilisieren.
Solche Interaktionen könnten dazu dienen, «Bindungen und Allianzen zu bilden und aufrechtzuerhalten und die Versöhnung nach Konflikten zwischen Mitgliedern derselben Gruppe zu erleichtern», heisst es in der Studie. In anderen Fällen können sie die Funktion haben, den sozialen Status zu kommunizieren und Dominanzhierarchien zu etablieren, zukünftige Konflikte zu verhindern oder aggressives Verhalten in Balzverhalten umzulenken.
Homosexualität im Tierreich ist nichts Aussergewöhnliches. MANNSCHAFT hat in der Vergangenheit unter anderem über die 190-jährige bisexuelle Schildkröte Jonathan berichtet sowie über das queere Pinguinpärchen im Frankfurter Zoo. Vor drei Jahren ging zudem ein Video mit schwulem Löwensex viral (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
USA
Kämpferin für queere Gleichberechtigung: 80 Jahre Marsha P. Johnson
Sie war eine der ersten trans Aktivistinnen: Die Stonewall-Pionierin Marsha P. Johnson wäre jetzt 80 Jahre alt geworden.
Von Newsdesk Staff
News
Aktivismus
Geschichte
International
Pride
USA
Florida übermalt Gedenk-Zebrastreifen für «Pulse»-Opfer
2016 tötete ein Angreifer in einem queeren Nachtclub in Orlando 49 Menschen. Ein bunter Zebrastreifen erinnerte bis diese Woche an die Opfer. Jetzt ist er weg.
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
News
International
Hessen
Mehr queerfeindliche Straftaten: «Extrem Rechte mitverantwortlich»
LGBTIQ sind zunehmend von Hasskriminalität betroffen. Im Vorjahr registrierte die Polizei einen Anstieg der Fälle von knapp 63 Prozent.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Queerfeindlichkeit
News
USA
Staat Florida fordert: Dieser Pride-Übergang muss weg!
Das Verkehrsministerium von Florida unter der Leitung von Gouverneur Ron DeSantis hat angekündigt, den Pride-Übergang einer Stadt «mit allen erforderlichen Mitteln» zu entfernen.
Von Newsdesk Staff
Pride
Queerfeindlichkeit
News