«Nach dem Coming-out gingen wir Bier trinken – total schön»
Zwei trans Fussballer*innen berichten über ihren Lieblingssport
Mit der Social Media Kampagne zur SportPride wollen der LSVD, die Fussballfans gegen Homophobie, die Queer Football Fanclubs, F_in Netzwerk Frauen im Fussball und Football Supporters Europe die Global Pride am 27. Juni nutzen, um weltweit LGBTIQ im Sport sichtbar zu machen und für einen diskriminierungsfreien Sport einzustehen.
Unterstützt wird der Aufruf u.a. vom Deutschen Fussball-Bund. MANNSCHAFT unterstützt das Anliegen als Medienpartner. Dazu haben wir mit zwei trans Fussballer*innen gesprochen.
Sarah (42) wohnt in Beckdorf bei Buxtehude und spielt bei Grün Weiss Eimsbüttel (Hamburger Oberliga) in der Abwehr. Seit dem 6. Lebensjahr liebt sie Fussball, war immer schon im Verein. Früher stand sie im Tor, aber darauf hatte sie irgendwann keine Lust mehr.
Gegenüber den Männern ihrer alten Mannschaft hat sie sich damals nicht geoutet. Nur gegenüber einem Frauentrainer, um zu klären, ob sie künftig bei den Frauen weiterspielen könne. Im Mai 2017 begann sie mit der Transition, hatte ihr letztes Männerspiel und legte dann eine Pause ein, um im Frühjahr des folgenden Jahres bei den Frauen einzusteigen.
«Ich habe mich damals vor der Mannschaft geoutet: Ich bin Sarah, körperlich noch ein Mann und würde gerne bei euch spielen. Ich wurde super aufgenommen in das Team, einzige Bedingung war damals: Duschen in Unterhose. Das war aber kein Problem für mich.»
In eigener Sache: Wir stärken uns für die Zukunft
In der Mannschaft hat sie körperlich schon gewisse Vorteile, räumt sie ein. Weniger in Sachen Kondition, die sei bei den anderen besser, schon weil die teilweise 20 Jahre jünger sind als sie selbst. «Aber ich habe sicherlich mehr Kraft als andere Frauen, auch durch mein Statur.» Sarah ist 1,85 Meter gross, wiegt rund 90 kg. «Das ist schon ein Brett», sagt sie lachend.
Bisher war das für Gegnerinnen nie ein grosses Thema – auch wenn es manche Teams stören mag. Sarah versucht sich im Spiel zurückzunehmen, ist manchmal mit angezogener Handbremse auf dem Platz unterwegs.
«Wenn ich ein Foul spiele, entschuldige ich mich sofort. Und auch sonst ziehe ich im Spiel oft nicht voll durch.» Bei einigen ihrer Gegnerinnen beobachtet sie einen grossen Ehrgeiz, wenn sie gegen Sarahs Team spielen.
Schmeiss die Transe da raus!
Wenn es Anfeindungen gegen Sarah gab, dann kommen die von den Zuschauer*innen. Sprüche wie Schmeiss die Transe da raus! etwa. «Aber ich höre das schon gar nicht mehr», sagt sie lachend. Auf dem Spielfeld hat sie glücklicherweise ihren Tunnelblick.
Mit ihrer Transition ist sie komplett durch. Im Mai wurden noch ihre Brüste gemacht, derzeit ist sie in der Erholungsphase. Der Arzt hat ihr Sport verboten. Aber Sarah sagt: «Ich bin total glücklich, wie alles gelaufen ist.» Sie hatte viel Rückhalt, von Freund*innen und Bekannten, von der Familie, von der Arbeit – und vor allem aber von ihrer Frau.
Bis Mitte August ist sie noch krankgeschrieben, dann will sie wieder normal einsteigen, dreimal die Woche wird trainiert. Das will sie für zwei, drei Jahre noch weiter durchziehen.
Auch Fabian hat früher in Eimsbüttel gekickt. Der trans Mann hat sich dort total wohlgefühlt. «Da ging es nur um den Sport, wie es sein soll. Nicht um schwarz oder weiss, arm oder reich, Mann oder Frau.» Die seien in dem Verein damals schon ziemlich divers unterwegs gewesen, erinnert sich der heute 33-Jährige.
Irgendwann hat er sich dort als trans geoutet – eine bestärkende Erfahrung. «Danach gingen wir ein Bier trinken – das war total schön.» Ende 2015 begann seine Testosteronbehandlung, die Saison hatte er zuvor noch beendet.
Ehemaliger Fussballer Thomas Beattie outet sich als schwul
«Wenn man mit Testosteron anfängt, merkt man die körperliche Umstellung. Auch wenn in den ersten sechs Monaten noch keine gravierende äusserliche Änderung eintritt – damit muss der Körper erstmal umgehen», sagt er.
Es gab von Vereinsseite erstmal keine Bedenken, ob er bis zum zunächst weiter bei den Frauen spielen dürfe. «Aber wir hatten Respekt vor den rechtlichen Aspekten. Es hätte wohl bei Spielen keiner nach meinem Blut gefragt, aber vielleicht wäre es ans Licht gekommen – da hätte man uns an den Karren pinkeln können. Das wollte ich der Mannschaft ersparen, es hätte einen faden Beigeschmack gehabt.»
Also nahm er nur noch am Training teil, aber nicht mehr bei Wettkämpfen. Der weite Anfahrtsweg macht die Sache für ihn nicht leichter. Fabian arbeitet mittlerweile im niedersächsischen Stade als Sonderschulpädagoge, 45 Bahn-Minuten von Hamburg entfernt.
Heute spielt er höchstens noch im Freizeitbereich Fussball, mit seinen Lehrerkollegen. Die Schulleitung in Stade hat er als sehr unterstützend erlebt. An der Förderschule müsste er eigentlich alles unterrichten, auch Sport, aber davon wurde er zunächst befreit. Schwimmstunden muss er auch heute noch nicht geben.
«Wir zelebrierten es, dass wir das einzige Team ohne Lesbe waren»
Ein bisschen wehmütig ist er schon, wenn er an die alten Zeiten denkt. «Mein Steckenpferd war das Tor. Aber um im reinen Männersport mithalten zu können, muss man sich sehr ins Zeug legen. Man hat weniger Kraft, weniger Ausdauer. Ich hätte viel Arbeit reinstecken müssen.» Allerdings war Fabian mit 1,66 Metern leider auch zu klein fürs grosse Tor.
Der Fussball fehlt ihm, das Kämpfen für eine Mannschaft, mit einer Mannschaft. Eine Zeitlang hat er in Stade Badminton gespielt, mit anderen Männern, konnte auch gut mithalten. Geoutet war er in dem Verein aber nicht. «Das hat auch funktioniert; nur beim Umkleiden musste ich aufpassen», sagt Fabian.
Er wollte sich dort erstmal nicht offenbaren, um Lebensbereiche zu haben, wo es einfach so läuft und nichts hinterfragt wird. Auch zur Selbstbestätigung: Kann ich hier als Mann durchgehen? «So kam ich nicht in eine Rechtfertigungsposition, hatte nicht zum wiederholten Mal das Gefühl, eine Art exotisches Tier im Zoo zu sein.» Wenn man sich outet, erzählt man ja doch immer wieder dasselbe – irgendwann hatte Fabian davon genug.
Irgendwann zog er sich einen Kreuzbandriss zu und musste auch diesen Sport sein lassen. Als nächstes will er es mal mit Boxen probieren, wo man mit Taktik und Raffinesse punkten kann. Trotzdem, sagt Fabian, mit Fussball ist das alles nicht zu vergleichen. Mit dem Flair, mit der Stimmung etwa bei Aufstiegsspielen, wenn auch Freunde zum Zuschauen kommen und einen lautstark anfeuern.
Was Fabian bei seinem Coming-out vermisste, waren kompetente Anlaufstellen für trans Personen. Überall wo er hinging, hiess es: Das musst du noch mit einem Psychologen abklären. In seiner Heimat, einer ländlichen Gegend in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es bis heute keine geeignete Anlaufstelle.
Damals fühlte er sich ziemlich allein gelassen und wühlte sich durch Berge von Literatur, etwa in der Uni Bibliothek. Auch darum unterstützt er die Gruppe Transmann e.V. und macht dort ehrenamtlichen Telefondienst. «Viele trans Leute sind suizidgefährdet, die Dunkelziffer ist recht hoch.» Durch seine Arbeit habe er schon einigen Leuten helfen können, sich nichts anzutun.
Auch Fabian hat seine Transition abgeschlossen; er wartet nur noch auf seine Penis-Epithese. Weitere Operationen sind nicht geplant.
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