Spahn will Ausnahmen bei Konversionstherapien erlauben
Einwilligungsfähige Volljährige dürfen sich den gefährlichen Behandlungen aber weiter unterziehen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sein Vorhaben konkretisiert, sogenannte Konversionstherapien zur «Umpolung» von Homosexuellen zu verbieten – aber nur bei unter 18-Jährigen.
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf den ihm vorliegenden Gesetzentwurf berichtet, der zwischen den Ministerien abgestimmt sei, wären diese Behandlungen bei einwilligungsfähigen Volljährigen aber grundsätzlich zulässig. Dies gelte nicht, wenn Schwule oder Lesben, die bei ihrer Entscheidung, sich behandeln zu lassen, einem «Willensmangel» unterliegen – beispielsweise durch Täuschung, Irrtum, Zwang oder Drohung.
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Bei 16- bis 18-Jährigen soll das Verbot nicht greifen, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: Der Behandler muss den Nachweis erbringen, dass die behandelte Person die notwendige Einsichtsfähigkeit über Tragweite und Risiken der Behandlung verfügt. Wer gegen das geplante Gesetz verstösst, soll mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder hohen Bussgeldern bestraft werden. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Abschlussbericht der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum Verbot der Therapien vor zwei Monaten veröffentlicht (MANNSCHAFT berichtete).
Spahn sagte dem RND, die schädlichen «Therapien» sollten soweit wie möglich verboten werden. «Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid», erklärte er. «Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund.» Homosexualität sei keine Krankheit, so Spahn.
Zudem sei ein Verbot ist auch «ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an allen, die mit ihrer Homosexualität hadern: Es ist okay, so wie du bist», so der CDU-Minister. Der Schweizer Bundesrat hatte sich Anfang September gegen ein Verbot von Konversionstherapien ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).
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Spahn will sowohl das Bewerben und Anbieten sowie die Vermittlung solcher Behandlungen verbieten. Nach Angaben seines Ministeriums soll das Gesetz auch für seelsorgerische und psychotherapeutische Gespräche gelten: «Das Verbot gilt immer dann, wenn der Gesprächspartner unzulässig Einfluss zu nehmen versucht auf die sexuelle Orientierung oder die selbst empfundene geschlechtliche Identität eines Betroffenen», zitiert das RND das Ministerium.
Laut Gesetzentwurf können Konversionstherapien unter bestimmten Voraussetzungen bereits nach gegenwärtiger Rechtslage strafbar sein – etwa als Körperverletzung. Allerdings sei der Schutz durch diese Vorschriften unzureichend. Das geplante Verbot soll zudem nicht bei «Störungen der Geschlechtsidentität» gelten – also nicht für trans Menschen. Dies hatten die Verbände jedoch immer wieder gefordert.
Der Berliner Student Lucas Hawrylak, der im vergangenen Sommer eine erfolgreiche Petition gegen «Homoheilung» gestartet hatte (MANNSCHAFT berichtete), erklärte sich gegenüber MANNSCHAFT grundsätzlich zufrieden: «Dieses Gesetz schien bis vor einem Jahr kaum möglich und ist erst durch den Aktivismus und die Kampagne #HomoBrauchtKeineHeilung ins Rollen gekommen.»
Er wünsche sich aber, dass das Gesetz auch auf alle Erwachsenen erweitert wird und das es für 16- bis 18-Jährige keine Ausnahmen gebe. «Konversionsverfahren sind wie der Minister selbst sagt, schädlich für Körper und Psyche und darüber hinaus wirkungslos. Niemandem sollte vorgegaukelt werden, dass Homo- und Transsexualität heilbar wären. Deshalb wäre ein komplettes Verbot nur konsequent. Da das Gesetz noch durch das parlamentarische Verfahren muss, bin ich zuversichtlich, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung finden zu können.»
Ulle Schauws, Grünen-Sprecherin für Queerpolitik, erklärte zu dem Entwurf: «Es wurde Zeit.» Man begrüsse den lang erwarteten Gesetzentwurf und hoffe, dass er bald im Bundestag diskutiert und möglichst schnell beschlossen werde.
Gesetzentwurf mit Makel Der Gesetzentwurf habe aber auch einen entscheidenden Makel. «Bei 16- bis 18-Jährigen soll das Verbot nicht greifen, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: Der/Die Behandler*in muss den Nachweis erbringen, dass die behandelte Person die notwendige Einsichtsfähigkeit über Tragweite und Risiken der Behandlung verfügt.»
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Da in der Praxis Jugendliche u. a. von ihren Eltern unter enormen Druck gesetzt werden, würde eine solche Regelung an der Realität vorbei gehen, so Schauws. Man brauche zudem mehr als nur ein strafrechtliches Verbot. «Es bedarf darüber hinaus weiterer Massnahmen, um dieser Scharlatanerie ein Ende zu setzen», so die Grünen-Politikerin.
In der aktuellen Deutschland-Ausgabe der MANNSCHAFT berichten wir über einen Priester in Zypern, der Konversionstherapien an Schwulen ausüben soll. Aussagen mehrerer Opfer deuten darauf hin, dass er nicht der einzige auf der Insel ist. Die Kirche hat an der Aufklärung kein Interesse. Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.
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