«Sommer 85» von François Ozon: Die erste grosse Liebe
«Sommer 85» handelt von der Liebe zwischen zwei Jungs. Das Drama wollte François Ozon schon vor Jahren drehen. Ein Film, der als der persönlichste des französischen Regisseurs gilt. Von Sabine Glaubitz, dpa
Alexis und David. Zwei Jungs, die sich lieben, aber nicht auf dieselbe Weise. Für den einen ist es die grosse Liebe, für den anderen das Abenteuer einiger Wochen. Mit «Sommer 85» hat François Ozon einen seiner persönlichsten Filme gedreht. Die dramatische Romanze, die auf dem Buch «Tanz auf meinem Grab» von Aidan Chambers beruht, wollte der heute 53-Jährige schon vor über 20 Jahren drehen. Er habe den Roman mit 17 Jahren gelesen, und war begeistert, sagte der französische Regisseur der Deutschen Presse-Agentur in Paris.
Er habe sich dermassen als Jugendlicher mit der Geschichte identifiziert, dass er sich damals vornahm, daraus seinen ersten Spielfilm zu machen, sollte er jemals zum Kino kommen, erzählte er. Heute gehört Ozon («Frantz», «Gelobt sei Gott») zu den bekanntesten französischen Filmemachern. Doch seinen ersten Langfilm drehte er mit «Sitcom», die Geschichte einer gut bürgerlichen Familie, dessen Sohn eines Tages verkündet, homosexuell zu sein.
Ozon lässt die Handlung von «Sommer 85» an der Küste der Normandie spielen. Alexis ist mit seinem Segelboot unterwegs, als plötzlich ein Gewitter aufkommt und er zu kentern droht. Da kommt David ihm zu Hilfe. Zwischen beiden entsteht eine turbulente Liebesbeziehung. Nach einem Streit zwischen ihnen stirbt David bei einem Motorradunfall. Alexis fühlt sich für das Unglück schuldig. Er respektiert den zwischen den beiden Liebenden geschlossenen Pakt: auf dem Grab desjenigen zu tanzen, der zuerst stirbt.
Nach «8 Frauen», «Tropfen auf heisse Steine» und «Das Schmuckstück», die in den 1950er bis 1970er Jahren spielen, nimmt Ozon das Publikum erstmals mit in die 80er Jahre. Dabei greift er auf den Ohrwurm und Soundtrack «In Between Days» von The Cure zurück und auf das 16-Millimeter-Format, das bis Mitte der 80er Jahre das Standartaufnahmeformat war.
In seinem Film idealisiert Ozon die 80er Jahre. Sein Film vermittelt das Gefühl von Freiheit und einer gewissen Leichtigkeit des Seins. Ihm geht es darum zu zeigen, dass man seiner eigenen Geschichte entkommen kann, wie er sagt. Weder die Homosexualität wird problematisiert noch das Thema Aids. «Die beiden lieben sich, dass es sich dabei um zwei Jungs handelt, spielt keine Rolle», so Ozon. Deshalb wollte er als junger Mann auch den Film drehen, denn die Darstellung der Homosexualität im Kino der 80er Jahre sei düster und beängstigend gewesen, auch vor dem Hintergrund von Aids.
«Sommer 85» wartet mit zwei einzigartigen, jungen filmischen Protagonisten auf. Félix Lefebvre verkörpert den 16-jährigen Alexis, der eher schüchtern und verschlossen ist. Seine Homosexualität entdeckt er erst durch die Begegnung mit dem zwei Jahre älteren David, gespielt von Benjamin Voisin. David ist ein geborener Verführer, der stets nach neuen Eroberungen aus ist. Als dieser vor den Augen von Alexis eine junge Engländerin verführt, kommt es zum Streit.
David stammt aus einer jüdischen kleinbürgerlichen Familie, Alexis ist Sohn eines Lagerarbeiters. Neben Sexualität und Liebe schneidet Ozon auch die Themen soziale Klassen und Religion an, die in seinem Werk immer wiederkehren. Sujets, auf die er vor über 20 Jahren nicht eingegangen wäre, wie er meint.
Ozon arbeitet mit Rückblenden und den Alxis‘ Kommentaren aus dem Off, die andeuten, dass sich eine Tragödie ereignet hat. Die ersten Bilder verströmen eine quälende und unheimliche Atmosphäre, in der Alexis in Handschellen, flankiert von zwei Gendarmen und einem jugendlichen Richter präsentiert wird, gefolgt von einem Erzieher, der ihn um Erklärungen bittet. Der Filmemacher verwischt die Spuren, führt die Zuschauer in die Irre, sät Zweifel. Er bewahrt gekonnt, wie so oft in seinen Filmen, die Spannung, das Geheimnis.
«Sommer 85» startet am 8. Juli in den deutschen Kinos, in der Schweiz lief er bereits.
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