«Shwule Grüsse vom Balkan» (30) – Der Fälscher in der Falle

Die Abenteuer von Aleks gehen endlich weiter!

Bild: Miodrag Ignjatovic, iStockphoto
Bild: Miodrag Ignjatovic, iStockphoto

Neues aus unserer Kolumne «Shwule Grüsse vom Balkan»: Die Brüder Mihailović stellen sich den Fragen der Journalist*innen, da betritt ein ungebetener Gast den Raum.

Was bisher geschah … 

«Wie viele deiner Artikel waren überhaupt wahr?», will Aleksandar von Jascha wissen. Jascha – Aleks’ Ex-Freund und Ex-Boulevardreporter, derzeit Pizzakurier in Zürich – antwortet kleinlaut: «Fast keiner . . . » Er verdrückt dabei eine Träne und fügt an: «Irgendwann habe ich gemerkt, dass das Redaktionsteam nicht mehr an echten Geschichten, sondern nur noch an Klickraten im Netz interessiert war. Also habe ich ihnen das gegeben, was sie suchten: Sensationsgeschichten – ob diese nun halb wahr, wahr oder gar nicht wahr waren.»

Aleks nickt verständnisvoll und bestellt einen weiteren Teller Austern in der Brasserie Lipp – ihrem letzten Lokal, das sie noch als Paar besuchten: «Verstehe. Du hast deine Artikel manipuliert, um möglichst hohe Klickraten und damit Aufmerksamkeit zu erzielen?» «Ja. Denn Werbeauftraggeber zahlen nur für Klicks und wollen so bei den beliebtesten Artikeln präsent sein», erwidert Jascha.

«Und nun bist du aufgeflogen für Fehler, die sich das fremdfinanzierte Mediensystem selbst zuzuschreiben hat», resümiert Aleks. «Sieht so aus, ja», nickt Jascha. «Aber da musst du dagegenhalten. Gibt’s nichts, was dir helfen könnte, um all die Missstände aufzuzeigen?», fragt Aleks in naiver Revoluzzer-Manier. «Was denn? Ich bin am Ende bloss Jascha, der Fälscher, niemand anderes!», kontert Jascha.

Aleks geht in sich und analysiert die Vorkommnisse stumm: ‹Jascha war bloss eine Marionette in einem nicht funktionierenden System. Deshalb machte er auch die HIV-Infektion meines Bruders Alen publik, der sich gerade als Fussballnachwuchsspieler etablieren wollte.› «Worüber denkst du nach?», will Jascha wissen. «Hast du dir schon mal überlegt, den Spiess umzudrehen?», pulsiert Aleks’ Revoluzzer-Ader weiter. «Und wie?», zuckt Jascha mit den Schultern. «Mit einem eigenen Onlinekanal zusammen mit Journalist*innen, die wie du unter dem Klickzwang leiden und nach wie vor auf deiner Seite sind. Du könntest den Kanal «In Tat und Wahrheit» taufen und gleich als Erstes deine Beichte zum Ganzen ablegen. Natürlich mit einer nationalen Medienmitteilung.»

Jascha prustet hustend los, sodass ihm sein Lillet Berry aus Nase und Mund schiesst. Nachdem er sich wieder eingekriegt und sämtliche Reste seines Drinks der edlen Stoffserviette anvertraut hat, meint er trocken: «Du hattest schon immer eine blühende Fantasie.» «Sagt der fantastische Fälscher», kontert Aleks mit einem süffisanten Lächeln und prostet Jascha zu. «Schon gut, schon gut. Du könntest recht haben», zwinkert Jascha zurück, «aber nun muss ich los – meine Schicht in der Pizzeria beginnt bald.»

Jascha verabschiedet sich von Aleks und macht sich auf zur Pizzeria. Während der Fahrt dorthin beschäftigt er sich mit Aleks’ Idee. ‹Noch sind meine Fälschungen in aller Munde. Auch habe ich nichts zu verlieren. Warum sollte ich nicht reinen Tisch machen und meinen Online-Kanal gründen? Der erste Aufhänger: Tabula rasa – ein Fälscher räumt auf.› Bei der Pizzeria angekommen nimmt er die erste Lieferung entgegen. «Beeil dich, die erste Bestellung ist gleich eine Grossbestellung in Zollikon», teilt ihm Susanna mit, die Inhaberin der Pizzeria. «Aye, aye!», salutiert Jascha, noch von Aleks’ Idee euphorisiert, während ihn Susanna nur kopfschüttelnd anlächelt: «Dai, dai, kannst dann beim Bonzen salutieren, wenn du die Bestellung auslieferst.»

Jascha packt alles ein und düst los. Sein Navi lotst ihn zu einem Privatanwesen in Zollikon direkt am See. Er hält vor dem Eingangstor, das von dichten Thujas und Überwachungskameras eingefasst ist. «Ja, bitte», knackt es aus der Gegensprechanlage. «Die Pizzalieferung ist da», antwortet Jascha übertrieben freundlich in der Hoffnung auf ein dickes Trinkgeld. Das Tor öffnet sich. Jascha steigt wieder in seinen Lieferwagen und fährt die Vorfahrt hoch. Er stellt das Auto ab. Nach mehreren Treppenstufen erreicht er den Eingang. Eine massive Edelstahltüre öffnet sich einen Spalt: «Treten Sie ruhig ein und schliessen sie die Türe», erklingt eine Männerstimme im Hintergrund.

Jascha denkt sich nichts dabei, schiebt die schwere Türe beiseite und tritt ein. Er schafft es gerade noch, die Türe zu schliessen, als er einen Schlag von hinten spürt …

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic

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