Reform für Regenbogenfamilien: Arbeiten sind «gut vorangekommen»
Buschmann verspricht einfache Regeln für komplexe Familienverhältnisse
Gesetzesvorhaben wirken sich oft im Geldbeutel aus. Da bei der geplanten Reform des Familienrechts auch Emotionen eine grosse Rolle spielen, ist es nicht überraschend, dass da viele mitreden wollen.
Die von der Ampel-Koalition angekündigten umfassenden Neuregelungen zu Adoption, Sorgerecht, Abstammung und Unterhaltsrecht sorgen schon vor Veröffentlichung des ersten Gesetzentwurfs für reichlich Gesprächsstoff – auch intern. «Die Arbeiten am Gesetzentwurf zur Reform des Abstammungsrechts sind gut vorangekommen», sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der Deutschen Presse-Agentur. Hierzu stehe sein Haus mit dem Bundesinnenministerium in engem Austausch, um «noch ein paar technische Fragen zu klären». Ernsthafte Probleme sehe er aber nicht, betont der FDP-Politiker. Er sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass wir den Entwurf noch vor der Sommerpause fertigstellen und veröffentlichen können.»
Im Januar sagte Buschmann, dass das geltende Familienrecht der Realität hinterher hinke (MANNSCHAFT berichtete).
Weniger Unterhalt bei höherer Betreuungsleistung Mit dem Familienministerium sei er zudem im Gespräch über die geplante Reform des Unterhaltsrechts. Das geltende Unterhaltsrecht führe zu ungerechten Ergebnissen, wenn sich beide Elternteile in der Betreuung ihrer Kinder engagierten. «Unser interner Gesetzentwurf für die Reform des Unterhaltsrechts ist fertig», sagt Buschmann. Der Justizminister hatte bereits im August Vorschläge für ein neues Unterhaltsrecht vorgelegt. Danach soll sich die Betreuungsleistung getrennt lebender Elternteile künftig auch dann spürbar auf den zu leistenden Unterhalt auswirken, wenn die Betreuung ungleich verteilt ist.
Von der Änderung betroffen wären alle Fälle, in denen ein Elternteil das Kind in einem Umfang zwischen 30 Prozent und 49 Prozent mitbetreut. Für Ex-Paare, bei denen das 50:50-Wechselmodell zur Anwendung kommt oder beim sogenannten Residenzmodell, wo das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil – oft ist es die Mutter – lebt, soll sich dagegen nichts ändern.
Kritiker*innen merken allerdings an, dass es mit Blick auf die Arbeitsmöglichkeiten des mehrheitlich betreuenden Elternteils nicht nur auf den Anteil, sondern auch auf die konkreten Zeiten und die Planbarkeit ankomme. Das sind manchmal kleinteilige Fragen wie: Wenn die Betreuungszeit des Vaters am Montagmorgen endet und die Mutter das Kind um 16 Uhr aus der Ganztagsbetreuung abholt, was heisst es dann, wenn der Unterricht ausfällt oder das Kind am Montagmorgen Fieber hat. «Wir wirken darauf hin, dass die Reformvorhaben, insbesondere die Unterhaltsrechtsreform, nicht dazu führen, dass sich die Situation des hauptbetreuenden Elternteils verschlechtert», sagt der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Helge Limburg. Hier müsse es darum gehen, Armutsrisiken – vor allem bei Müttern – zu verringern.
Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare und Patchworkfamilien Die Eckpunkte zum Kindschaftsrecht hat Buschmann dann im Januar veröffentlicht. Sie würden es für Eltern, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder Patchworkfamilien leben, vereinfachen, die Verantwortung für das Kind nach ihren eigenen Vorstellungen zu verteilen. Ein Samenspender soll etwa schon vor der Schwangerschaft den Verzicht auf sein gesetzliches Umgangsrecht gegenüber den Sorgeberechtigten unabänderlich erklären können. Auch Kinder, die in einer Partnerschaft zweier Frauen geboren werden, sollten aus Sicht des Bundesjustizministers von Geburt an zwei Elternteile haben können. Ausserdem wolle er mehr Rechtssicherheit bei privaten Samenspenden ermöglichen.
Dass es mit dieser Reform vorangeht, wünscht sich auch Helge Limburg. Der Grünen-Politiker sagt: «Durch die Kindschaftsrechtsreform wollen wir die unterschiedlichen gelebten Familienrealitäten endlich im Recht abbilden.» Dabei müsse die «soziale Familie» im Mittelpunkt stehen. Die einzelnen Reformpunkte müssten dem Kindeswohl zuträglich sein.
Für neue Partner getrennt lebender Eltern plant der Bundesjustizminister eine Regelung zum «kleinen Sorgerecht», die den Alltag erleichtern soll – damit beispielsweise auch die Stiefmutter oder der neue Freund der Mutter mit dem Kind in die Arztpraxis gehen und eine Entschuldigung für die Schule schreiben kann. Auch Grosseltern oder Freunden ohne familiären Bezug sollen Eltern solche Rechte einräumen können. Gewisse Voraussetzungen soll es allerdings geben: Die Gewährung solcher Befugnisse an Dritte durch die Sorgeberechtigten muss schriftlich vereinbart werden. Für jedes Kind sind laut Eckpunkte-Papier maximal zwei Menschen mit «kleinem Sorgerecht» erlaubt.
Urteil zu Rechten leiblicher Väter muss berücksichtigt werden Die geplante Reform stärke überdies die Rechte leiblicher Väter, sagt Buschmann. Nach einer Beschwerde eines Mannes aus Sachsen-Anhalt hatte das Bundesverfassungsgericht im April die Position von Männern im Kampf um die rechtliche Vaterschaft für ihre leiblichen Kinder gestärkt. Demnach können Kinder mehr als zwei rechtlich verantwortliche Elternteile haben. Der Gesetzgeber müsse beim Elterngrundrecht die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater berücksichtigen.
Buschmann betont jedoch: «Am Zwei-Eltern-Prinzip werden wir festhalten: Auch künftig wird ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können.»
Und wenn der Rosenkrieg schon ausgebrochen ist? Diejenigen, die Kritik an Buschmanns Vorschlägen geübt haben, räumen zwar ein, die Eckpunkte böten mehr Gestaltungsspielraum für kooperative Eltern. Sie vermissen allerdings Lösungen für die vielen strittigen Fälle, die Familiengerichte und Jugendämter beschäftigen. Die Ehrenvorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags, Isabell Götz, merkte in der «Neuen Juristischen Wochenschrift» an, die partnerschaftliche Betreuung eines Kindes solle laut dem Papier aus dem Ministerium auch nach Trennung der Eltern als Umgangsregelung im Gesetz vorgesehen werden – «aber ist auch eine Regelung zur Wiederauflösung dieser vorgesehen, wenn sie dem Wohl des Kindes nicht mehr dient?» Denn vor allem, wenn nur ein Elternteil sorgeberechtigt sei, entzünde sich gerade daran aktuell der Streit.
Noch viel grundsätzlicher ist die Kritik, die von der Union erhoben wird. «Die Auswirkungen dieser gesellschaftspolitischen Änderungen sind gravierend», sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Andrea Lindholz (CSU). «Zugunsten einzelner Individualisierungswünsche Erwachsener wird ein etabliertes Rechtssystem auf den Kopf gestellt, ohne Not und ohne gesellschaftliche Mehrheit in unserem Land.»
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