«Queer as Folk» der neuen Generation: «Das ist das, was ich auch will!»
Am Wochenende startet der Reboot der Kultserie
Nach dem britischen Original und dem US-Remake gibt es eine aktuelle Neuauflage von «Queer as Folk». Am 31. Juli ist die Deutschlandpremiere bei Starzplay. Zu den Gaststars gehört «Sex and the City»-Star Kim Cattrall (MANNSCHAFT berichtete). Dem Hauptcast gehört Johnny Sibilly an. Mit ihm sprachen wir über Billy Porter, Humor und Diversity.
Johnny, du bist in Deutschland aufgewachsen, richtig? Ja, meine Eltern waren beim US-Militär. Wir haben in einer Kleinstadt bei Hanau gelebt. Das waren ein paar Jahre meiner Kindergartenzeit. Und ich erinnere mich daran so genau wie an sonst kaum etwas aus meiner Kindheit, unfassbar!
Bevor wir über das neue «Queer as Folk» sprechen: Du hattest ja auch eine wiederkehrende Rolle in «Pose», als der feste Freund von Pray Tell, gespielt von Billy Porter. War das eher eine Ehre oder eine Bürde, neben so einem Fan-Favoriten zu spielen, der sowieso immer die geballte Aufmerksamkeit bekommt? Für mich war das immer eine grosse Ehre, allein schon im selben Raum zu sein wie Billy. Jemand, der schon so lange im Business ist, Grammy und Tony Award gewonnen hat. Klar gab es anfangs einen gewissen Druck. Aber wenn man Billy erst mal trifft, sorgt er sehr schnell dafür, dass man sich absolut wohlfühlt. Nach einer der ersten Szenen, wie wir zusammen gedreht hatte, meinte der Regisseur: «Toller Job, hast super gespielt, Billy!» Billy dann so: «Danke, Johnny aber auch!» So ist Billy nämlich drauf.
Deine Rolle in «Pose», Costas, stirbt an den Folgen von AIDS. Nun gibt es ja viele Leute, auch Queers, die finden, es sei schon genug über AIDS erzählt worden und sie wollen das nicht mehr hören und sehen. Was würdest du dem entgegenhalten? Ich finde, diese Geschichten sind absolut erzählenswert. HIV ist eine Realität, auch in der Community. Ich finde es wichtig, auch die zu ehren, die wir verloren haben. Denn viele verstehen nicht oder nicht mehr die Tragweite von dem, was damals geschah. Covid und nun Affenpocken – Leute sehen oft bloss einen Ausschnitt von dem, was unsere Community durchmacht. Ich glaube nicht, dass es jemals den Punkt geben wird, an dem wir aufhören sollten, uns diese Geschichten zu erzählen. Je mehr wir vergessen, desto mehr kann sich nämlich auch wiederholen.
Nun zu «Queer as Folk»: Hast du eigentlich das britische Original oder dann die US-amerikanische Version gesehen, als sie ursprünglich im Fernsehen anliefen? Da warst du ja schon noch sehr jung. Ich erinnere mich daran, dass ich beim Zappen auf der amerikanischen Version hängenblieb. Ich war schockiert und fasziniert. Denn das war das erste Mal, dass ich im Fernsehen etwas gesehen habe, das die Gefühle in mir widerspiegelte.
Wie alt warst du damals? 12 oder 13. Die Zeit kurz bevor ich meine Sexualität dann wirklich verstand. Als ich bei «Queer As Folk» sah, wie sich zwei Männer küssten, dachte ich: «Oh, das ist ja das, was ich auch will!» Die britische Version hab ich dann erst später gesehen, als sie im Streaming verfügbar wurde. Ich bin echt happy über Streaminganbieter, die es uns ermöglichen, mehr queere Produktionen zu sehen – solche, die es eh schon gibt, und solche, die erst noch kommen. Und jetzt freu ich mich erst mal, dass eine neue Generation «Queer As Folk» für sich entdecken kann.
Du sprichst von schwulen Küssen. Aber «Queer as Folk» hatte und hat ja auch recht viele explizite Sex-Szenen, wie nun auch wieder. Wie ging’s dir damit als Teenager? Oh, das hab ich erst mal nicht verstanden. Meine Eltern hatten mir damals schon die Augen zugehalten, wenn wir Filme mit heterosexuellen Sex-Szenen sahen. Ich dachte also, das ist etwas, das nur Erwachsene etwas angeht. Aber bei den schwulen Szenen dachte ich dann doch: Das will ich auch! «Queer as Folk» hat mir also auch diesbezüglich geholfen.
Kannst du mir mehr über Noah erzählen, den du nun im «Queer as Folk»-Reboot spielst? Ja klar! Noah ist ein Rechtsanwalt. Er hat ein gigantisches Haus. Viele Freunde. Von außen betrachtet hat er alles, was man sich so wünschen könnte. Aber im Inneren hat er viele offene Wunden. Nicht nur durch das, was in der ersten Folge geschieht, sondern auch noch von davor. Noah erinnert mich an viele schwule Männer, die ich kenne: hyper-funktional und vielbeschäftigt. Aber wenn sie dann allein sind, bricht sich doch die Trauer Bahn. Man denkt: «Oh, die sollten echt mal zur Therapie gehen!» Und so empfinde ich das auch bei Noah.
Du sprichst die erste Folge an. Ohne zu viel zu spoilern: Es gibt ein Attentat, bei dem man schnell ans Massaker im Pulse-Club in Orlando 2016 denkt. Und dann gab es, nachdem ihr die Staffel ja schon abgedreht hattet, kürzlich noch das queerfeindliche Attentat in Oslo (MANNSCHAFT berichtete). Ja, und ich fände das schwierig, vieles davon nachzuspielen. Ich finde es genau richtig, dass die Sendung nicht den Attentäter zeigt. Die Sendung fokussiert nicht auf den Hass, sondern auf die Liebe und die Resilienz der Community. Auch in Oslo kamen die Menschen kurz nach dem Attentat zusammen, um zusammenzuhalten statt sich zu verstecken. Es ist Teil der queeren Realität, dass wir angegriffen werden – aber wir bleiben nicht in dieser Opferrolle. Wir werden stärker. Und trotzdem verstehe ich das, dass diese Szenen in der Sendung schwer erträglich sind – besonders wenn man im Pulse dabei war und überlebt hat. Und dennoch finde ich es richtig, dass wir all dies zeigen – letztlich auch, damit wir für die Zukunft vieles zum Besseren wenden.
Du sprichst von Community-Spirit. Der Original-Cast von «Queer as Folk» ist ja sehr cis und weiss. Der neue Cast ist viel diverser. Das ist grossartig! Beim Casting hab ich gehofft, dass sie jemanden suchen, der wie ich aussieht. Und das taten sie auch. Sehr aufregend! Im Original gab es grossteils weisse cis Männer, die Schwule spielten. Einige davon sind schwul oder bi. Andere auch hetero. Man vergisst aber schnell, wie revolutionär das für die damalige Zeit war – auch was die Schauspieler geleistet haben. Und ja, wir fügen dem weitere Schichten hinzu: Wir zeigen Charaktere mit Behinderung; trans und nicht-binäre Charaktere; People of Color – das ist schon aufregend. Aber ich möchte auch dem Original nichts absprechen. Die Gesellschaft war eben noch an einem anderen Punkt.
Und wie sieht es hinter den Kulissen aus? Stephen Dunn, euer Showrunner, ist jedenfalls weiss. Nun, in Hollywood passiert das schon oft, dass Leute eine Figur wollen, die gay oder trans ist, aber dann auf eine Weise Dialoge schreiben, wie eine Person, die selber trans ist, niemals reden würde. Mit problematischem Vokabular und dem Blick der Mehrheitsgesellchaft auf uns als Minderheit. Ich finde es prima, dass wir bei «Queer As Folk» wirklich Leute aus der Community haben – die auch wissen, wie wir miteinander sprechen. Diese Authentizität finde ich schon sehr wichtig. Das geht darüber hinaus, braune Haut zu zeigen – es geht darum, zu wissen, wie es ist, in dieser Haut zu stecken. Und deshalb ist es mir wichtig, dass wir auch hinter der Kamera so vielfältig sind wie vor der Kamera.
Du machst dich ja für die Rechte von Queers und auch für die Rechte von Latinx stark. Geht es dir manchmal so, dass du dich als Minderheit innerhalb einer Minderheit fühlst? Ja, auf jeden Fall. Ich bin in Miami in Florida aufgewachsen. Da gibt es eine grosse hispanische und Latinx-Community. Ich hatte mich nie als Minderheit empfunden, bevor ich diese Bubble verliess. Das hat mir wohl dabei geholfen, es auch so zu sehen, dass ich gar nicht anders bin. Und dass ich jedes dazu Recht habe, den Raum einzunehmen, der der meine ist. Ich war nie so drauf, mich dafür zu bedanken, dass mir andere das Recht zusprechen, da zu sein. Höchstens sage ich mal: «Danke, dass du aus dem Weg gehst und den Raum freimachst, der mir auch zusteht!» Und noch mehr Queers und Latinx und People of Color sollten sich bewusst machen, dass, egal woher sie kommen, diese Welt auch die ihre ist.
Du hast auch schon in der Serie «Hacks» mitgespielt, die viele witzige Szenen hat. Auch «Queer as Folk» hat, allen dramatischen Ereignissen zum Trotz, viel Humor. Was bedeutet dir das ganz persönlich? Lachen ist Medizin. Nie fühle ich besser als in den Momenten, in denen ich lache. Manchmal sage ich sogar: «Lachen ist besser als Sex!» Stimmt doch, oder? Man denkt an einen Moment, in dem man sich wegkugeln musste vor Lachen, und man beginnt gleich wieder zu giggeln. Aber denk mal an einen Moment, in dem du total horny warst – und das Gefühl wird nicht zwangsläufig wiederkehren.
Diese queerphoben Leute werden nicht unseren Glitzer stehlen und schon gar nicht unsere Seele brechen!
Lachen ist besser als Sex? Dann wäre wohl der Sex am besten, bei dem man lacht? Ganz genau! (lacht herzlich) Das beste beider Welten!
Lachen musste ich auch bei einem Video, das du kürzlich gepostet hast. Obwohl es auch ein wenig auch traurig ist. Du tanzt vor queerphoben Demonstrant*innen. Dazu spielt du im Video die neue Beyoncé-Single «Break My Soul». Was hatte es damit auf sich? Das war beim Queer-Pride. Wir haben ein Outdoor-Workout gemacht mit Queers und Queer-Allys. Wir haben ordentlich geschwitzt und hatten eine tolle Zeit. Eigentlich wollten wir danach zum Brunch gehen, aber dann sind wir Leuten begegnet, die gegen den Pride demonstriert haben. Ich dachte erst mal: «Scheiss drauf, ist doch egal.» Aber dann habe ich gemerkt, dass einige Menschen um mich herum wirklich Angst bekamen. Ich dachte mir also: «Diese queerphoben Leute werden nicht unseren Glitzer stehlen und schon gar nicht unsere Seele brechen!» Ich hab also direkt vor ihnen getanzt. Ich hab sie nicht angeschrieben oder angegriffen, aber ihnen doch gezeigt: Ihr mögt denken, was ihr wollt – aber wir lassen uns unseren Pride nicht nehmen.
Und warum ich dafür den Beyoncé-Track gewählt habe? Er spricht mir aus der Seele, fasst perfekt zusammen, was ich tue, auch mit «Queer As Folk». Als queere Menschen haben wir jedes Recht dazu, Raum einzunehmen. Und dieser Moment, dieser Tanz, war ein kleines Training dafür.
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