Portugal – Reisen bis ans Ende der Welt

Wer zu Besuch in Lissabon ist, sollte unbedingt auch die umliegenden Küstenabschnitte entdecken

Die mit Moos überwucherte Brunnenanlage der Quinta da Regaleira in Sintra scheint aus einem Fantasyfilm zu stammen. (Alle Bilder: Andreas Gurtner)
Die mit Moos überwucherte Brunnenanlage der Quinta da Regaleira in Sintra scheint aus einem Fantasyfilm zu stammen. (Alle Bilder: Andreas Gurtner)

Nicht nur Lissabon, sondern auch die Umgebung der Hauptstadt Portugals hat viel zu bieten. Im Umkreis von rund einer Fahrstunde findet man romantische Küstenabschnitte, einsame Sandstrände, Weinbaugebiete und königliche Paläste. Der westlichste Punkt des europäischen Festlands, der früher das vermeintliche «Ende der Welt» markierte, liegt nur wenige Kilometer von der Stadtgrenze entfernt.

Die grösste Stadt Portugals liegt am Ufer des Rio Tejo und erstreckt sich über insgesamt sieben Hügel. Am besten lassen sich die Quartiere Lissabons zu Fuss entdecken, wobei man hierfür genügend Zeit und zur Bewältigung der teilweise steilen Strassen vor allem auch gute Schuhe mitbringen sollte. Im Jahr 1755 wurde Lissabon bei einem verheerenden Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami fast vollständig zerstört. Deshalb finden sich in der Stadt fast keine Gebäude mehr aus der Zeit vor dieser Katastrophe.

Das grosse Beben unbeschadet überstanden hat der Torre de Belém, ein Leucht- und Schutzturm aus dem frühen 16. Jahrhundert. Er gilt heute als eines der Wahrzeichen Lissabons. Zur Zeit der Fertigstellung dieses eindrücklichen Bauwerkes war Portugal eine Seemacht, die fast alle Weltmeere dominierte. Heute steht der Turm nur wenige Meter vom Ufer entfernt, doch einst befand er sich mitten in der Flussmündung vor den Toren der Stadt. Im Verlauf der Zeit ist Lissabon dann immer näher an das Wahrzeichen herangerückt.

Nach einem Besuch des Turms darf man es nicht versäumen, auch dem nahen Hieronymitenkloster einen Besuch abzustatten. Dieses prunkvolle Gebäude mit seiner imposanten Kuppel fällt einem schon von Weitem ins Auge. Mit dem Bau der 300 Meter langen Anlage wurde im Jahr 1502 begonnen, doch dauerte es fast ein Jahrhundert, bis das Gotteshaus fertiggestellt war. Dies erklärt auch, weshalb hier diverse Baustile anzutreffen sind.

Mit der Linie 28 ins Zentrum Das geschäftige Viertel Baixa, das als eigentliches Stadtzentrum gilt, liegt acht Kilometer flussaufwärts. Es ist über die historische Tramlinie 28 mit Belém verbunden. Eine Fahrt mit den rund 100 Jahre alten Trams gehört in Lissabon zum touristischen Pflichtprogramm, weshalb man vor COVID-19 oft längere Wartezeiten in Kauf nehmen musste, bis sich ein freier Sitzplatz ergattern liess. Am Ende der rasanten Fahrt durch enge Gassen und vorbei an unzähligen historischen Bauten erreicht man die Praça do Comercio, den grössten Platz der Stadt. Dieser wird auf drei Seiten von prunkvollen Palästen mit gemütlichen Arkaden umgeben.

Grösster Platz der Stadt: Im Herzen Lissabons liegt die eindrückliche und 36’000 Quadratmeter messende Praça do Comercio. (Bild: Andreas Gurtner)
Grösster Platz der Stadt: Im Herzen Lissabons liegt die eindrückliche und 36’000 Quadratmeter messende Praça do Comercio. (Bild: Andreas Gurtner)

Gegen Süden hat man einen freien Zugang zur Uferpromenade des Rio Tejo, die an sonnigen Tagen zum Flanieren einlädt. Gegen Norden gelangt man durch einen Triumphbogen zur Shoppingmeile Rua Augusta. Entlang dieser und in den Nebengassen findet man Restaurants, Boutiquen und Läden. Über dem Häusermeer erhebt sich das eindrucksvolle Castelo de São Jorge, das aus dem 11. Jahrhundert stammt. Um diese Festung zu erreichen, muss man sich zunächst einen Weg durch steile Gassen und labyrinthartige Wege bahnen. Oben angekommen, kann sich dann jede und jeder auf eine Verschnaufpause mit einzigartigem Panoramablick über die Stadt freuen.

Melancholie und Lebensfreude Der älteste Stadtteil Alfama beginnt direkt hinter der Schlossanlage. Dieses Viertel war einst das Herz der Metropole, verkam dann aber im Mittelalter zu einem Ort der armen Fischer und Hafenarbeiter. Vielleicht ist gerade deshalb in manchen der engen Gassen der Charme längst vergangener Zeiten hängen geblieben. Alfama gilt zudem als Ursprungsort des Fado, der traditionellen Musik Portugals. Abends dringen aus den Türen der Fado-Kneipen melancholische Gesänge auf die kopfsteingepflasterten Gassen hinaus.

Wer moderne Musikstile bevorzugt, ist im bunten und hippen Szene- und Kneipenviertel Bairro Alto besser aufgehoben. Hier findet man nicht nur trendige Bars und stylische Cafés, sondern auch eine grosse Auswahl an angesagten Restaurants. Da zudem die meisten LGBTIQ-Locations in diesem Quartier liegen, ist Bairro Alto auch bei der Community sehr beliebt. Hier startet übrigens auch der Umzug der Arraial Lisboa Pride, die im letzten Jahr leider der Coronapandemie zum Opfer gefallen ist. Dieses Jahr soll der Event voraussichtlich am 22. Juni stattfinden.

Die Küstenorte sind in rund einer Fahrstunde zu erreichen.
Die Küstenorte sind in rund einer Fahrstunde zu erreichen.

Vom Winde verweht Rund 25 Kilometer westlich von Lissabon erreicht man nach einer kurzen Zug- oder Autofahrt den noblen Ferienort Cascais. Neben Strand und Meer bietet das Städtchen auch elegante Boutiquen, traditionelle Restaurants und subtropische Parkanlagen. Bei einem gemütlichen Rundgang durch den alten Stadtkern darf ein Abstecher zum alten Fort keinesfalls fehlen. Wer mit dem Mietwagen unterwegs ist, erreicht anschliessend nach rund einer halben Stunde das vom Wind gepeitschte Cabo da Roca.

Das Küstenstädtchen Azenhas do Mar thront spektakulär auf einer Felsklippe nordwestlich von Lissabon. (Bild: Andreas Gurtner)
Das Küstenstädtchen Azenhas do Mar thront spektakulär auf einer Felsklippe nordwestlich von Lissabon. (Bild: Andreas Gurtner)

Bis ins 14. Jahrhundert hielten die Menschen den westlichsten Punkt des europäischen Festlandes für den Rand der Welt. Heute begeistert die raue Schönheit dieser schroffen Landzunge Besucher*innen aus der ganzen Welt. Vom Kap aus lässt sich die spektakuläre Natur am besten auf Wanderwegen zu Fuss entdecken. Ein besonders schöner Pfad führt entlang von Klippen mit eindrücklichen Aussichtspunkten bis zur Praia da Ursa, einem wildromantischen Strand, der in den Sommermonaten auch zum Baden einlädt. Etwas nördlich befindet sich das kleine Fischerdorf Azenhas do Mar, das auf einer Klippe über dem Atlantik thront. Über eine steile, aus dem Felsen gehauene Treppe, erreicht man die kleine Sandbucht des Ortes. Dort ist ein Gezeitenschwimmbad angelegt, das bei Flut jeweils von den tosenden Wassermassen überspült wird.

Könige und Millionäre Fährt man nach dem Strandbesuch über die Inlandroute nach Lissabon zurück, lohnt es sich, in der Königsstadt Sintra einen Halt einzulegen. Dieser malerische Ort begeistert mit seiner hohen Dichte an aussergewöhnlichen Palästen, antiken Burgen und einer bezaubernden Hügellandschaft. Zu den Highlights zählt hier der Pena-Palast, der vom 14. bis 20. Jahrhundert als königliche Sommerresidenz genutzt wurde. Bei einer Führung durch die märchenhafte Burg erfährt man viel über die Geschichte Portugals. Unweit der historischen Altstadt liegt die rätselhafte und geheimnisvolle Quinta da Regaleira, die nach den Entwürfen eines brasilianischen Kaffeemillionärs errichtet wurde. Ein Hingucker ist hier eine über eine Wendeltreppe begehbare Brunnenanlage, die mit ihren moosbedeckten Steinen und aufwendigen Dekorationen auch aus einem Fantasyfilm stammen könnte.

Traumstrände mit Karibikfeeling Südlich von Lissabon wartet die Natur ebenfalls mit beeindruckenden Landschaften auf. Das Küstengebirge Serra da Arrábida, das nur eine halbe Fahrstunde von der Stadt am Rio Tejo entfernt liegt, bietet bewaldete Bergketten, traumhafte Strände und grossartige Wanderrouten. Das kristallklare Wasser lockt hier insbesondere im Sommer nicht nur Sonnenanbeter*innen und Wasserratten an, sondern es kommen auch Stand-Up-Paddler*innen, Taucher*innen und Kajakfahrer*innen voll und ganz auf ihre Kosten.

Die Strände im Naturpark Serra da Arrábida zählen zu den schönsten in ganz Portugal. (Bild: Andreas Gurtner)
Die Strände im Naturpark Serra da Arrábida zählen zu den schönsten in ganz Portugal. (Bild: Andreas Gurtner)

Zu den schönsten Stränden zählen übrigens die Praia de Galápos sowie die nur über einen Trampelpfad zu erreichende Praia dos Coelhos. Ganz im Westen, wo das Gebirge schroff in den oft wilden Ozean abfällt, befindet sich das Cabo Espichel. Nebst einem um 1790 erbauten historischen Leuchtturm sorgen hier vor allem ein verlassenes Kloster und eine barocke Wallfahrtskirche für tolle Fotomotive.

Im Land der Korkeichen Kaum verlässt man die Küstenregion in Richtung Osten, befindet man sich bereits mitten in der zauberhaften Alentejo-Region. Hier prägen Weingüter und endlose, goldene Felder mit Olivenbäumen und Korkeichen das Landschaftsbild. Das historische Zentrum von Évora, der grössten Stadt in diesem dünn besiedelten Gebiet, verströmt mit seinem Gassengewirr viel Gemütlichkeit. Zu den ältesten Bauwerken zählen die gut erhaltene Stadtmauer, eine römische Tempelanlage und die mächtige gotische Kathedrale Sé, welche im 12. Jahrhundert erbaut wurde.

Der 2000 Jahre alte römische Tempel von Évora zählt zu den wichtigsten Bauwerken der Stadt. (Bild: Andreas Gurtner)
Der 2000 Jahre alte römische Tempel von Évora zählt zu den wichtigsten Bauwerken der Stadt. (Bild: Andreas Gurtner)

Eine Reise nach Évora wäre nicht komplett ohne einen Besuch der eindrücklichen und gleichzeitig auch etwas makabren Knochenkapelle. Alle Wände dieses rund 500 Jahre alten Gebäudes sind nämlich mit übersichtlich angeordneten menschlichen Knochen und Schädeln bedeckt. Die damaligen Franziskanermönche wollten mit dieser Kapelle die Nachricht vermitteln, dass das Leben nur ein kurzer Abschnitt ist, bevor man in den Himmel oder die Hölle kommt. Zurück in der Welt der Lebenden laden entlang der Kopfsteinpflasterstrassen und Plätze unzählige Souvenirshops, Boutiquen, Cafés, Bars und Restaurants zum gemütlichen Verweilen und Stöbern ein.

LGBTIQ-Life

Während der bis zum Ende der Siebzigerjahre dauernden Diktatur wurden Schwule und Lesben in Portugal unterdrückt, ausgegrenzt und verfolgt. 1982, acht Jahre nach der Nelkenrevolution, wurde Homosexualität in Portugal endlich legalisiert. Seither hat die gesellschaftliche Akzeptanz stark zugenommen. Seit 2004 bestehen Antidiskriminierungsgesetze zum Schutze der sexuellen Identität im Arbeitsrecht. Schwule Männer dürfen auch in der portugiesischen Armee dienen. Im Mai 2010 wurde im katholischen Portugal die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, wobei der Adoptionsbereich zunächst ausgeklammert wurde.

Am 20. Dezember 2015 verabschiedete das portugiesische Parlament einen Gesetzentwurf, der das gemeinschaftliche Adoptionsrecht für verheiratete gleichgeschlechtliche Paare vorsieht. Dagegen hatte der scheidende portugiesische Präsident Aníbal Cavaco Silva im Januar 2016 sein Veto eingelegt. Er wurde jedoch später mit einer absoluten Mehrheit im Parlament überstimmt, womit LGBTIQ-Paare nun in Portugal ein vollständiges Adoptionsrecht geniessen.

Auch das LGBTIQ-Paradies Malta hat sich wieder für Tourist*innen geöffnet (MANNSCHAFT+)

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