Noch mehr Herzschmerz in Staffel 2 von «All You Need»
Die Dramedy-Serie gilt mittlerweile als Erfolg
Die zweite Staffel der von der Kritik gelobten queeren Dramedy-Serie «All You Need» geht in der ARD-Mediathek online. Inhaltlich setzen die sechs neuen Folgen nahtlos an das offene Ende von Staffel 1 an.
Text: Jonathan Fink
Viel weniger Happy End als in der ersten Staffel von «All You Need» ist eigentlich kaum möglich. Vinces langjährige Freundschaft zu Levo? Seine erst sechs Wochen alte, aber trotz einiger Knackpunkte vielversprechende Beziehung zu Robbie? Und Levos neues Zweisamkeitsglück mit dem frisch geouteten Papa Tom, Eigenheim mit Garten inklusive? Alles schien plötzlich kaputt, als ausgerechnet bei einer grossen Party ein kleiner Seitensprung ans Tageslicht kam.
Erfolg trotz Skepsis Als vor einem Jahr die erste öffentlich-rechtliche Serie mit ausschliesslich schwulen Protagonisten an den Start ging, lag Skepsis in der Luft. Doch wenn nun am heutigen Freitag die zweite Staffel in der ARD-Mediathek online geht (am 27.4. gibt’s auch eine Ausstrahlung im Ersten), darf «All You Need» längst als Erfolg gelten.
Die Kritiken zur ersten Staffel waren grösstenteils zurecht gut bis begeistert, die Zugriffzahlen seitens des Publikums waren dem Vernehmen nach hoch und nominiert für den Grimme-Preis ist das Werk des schwulen Autors und Regisseurs Benjamin Gutsche ebenfalls. Dass die Fortsetzung nun sogar noch ein Eckchen sehenswerter ist, sind also wunderbare Nachrichten. Eine dritte Staffel ist übrigens bereits in Planung (MANNSCHAFT berichtete).
Neue Dynamiken Inhaltlich setzen die sechs neuen Folgen recht nahtlos an Staffel 1 an. Vince (Benito Bause) versucht, seinen Fehler rückgängig zu machen, und wünscht sich, alles möge so werden, wie es mal war. Doch Levo (Arash Marandi), der inzwischen bei Nachbarin Sarina (Christin Nichols, auf deren hörenswertes, vor kurzem erschienenes Album hier auch mal hingewiesen sei) ist, ignoriert ihn weiter, und auch Robbie (Frédéric Brossier) verweigert jedes Gespräch.
Tom (Mads Hjumland, dieses Mal nur noch Nebendarsteller) scheint sowieso längst zu neuen Ufern aufgebrochen. Statt alter entstehen also neue Dynamiken, nicht nur, weil ausgerechnet Levo und Robbie plötzlich einen Draht zueinander finden, sondern auch, weil unerwartet Sarinas queerer Bruder Simon (Ludwig Brix) in Berlin auftaucht und sich quasi zwischen alle Stühle setzt. Und Andreas (Tom Keune, einer der wenigen geouteten Schauspieler im Ensemble), der eine queere Rugby-Mannschaft trainiert, taucht ebenfalls am Horizont der (Ex-)Clique auf.
Mit Charme erzählt Auf der Handlung liegt auch in der zweiten Staffel von «All You Need» nicht der Fokus, stattdessen entfaltet die Serie ihr Potential auf emotionaler Ebene. Auch dieses Mal wird von Herzschmerz, Sex und Freundschaft mit einer Mischung aus Humor und Ernst und vor allem jeder Menge Charme erzählt. Noch immer geht es Gutsche ausserdem darum, mehr zu bieten als bloss kurzweilige Unterhaltung, und hin und wieder kann es dabei zu Szenen kommen, die ein bisschen mehr nach didaktischem Drehbuch-Moment als nach echtem Leben klingen (etwa, wenn Vince dieses Mal davon berichtet, wie mühsam das ewige «Big Black Cock»-Klischee für ihn ist).
Darüber sieht man allerdings ebenso gerne hinweg wie über die Tatsache, dass die beste Freundin Sarina als Figur nach wie vor ein wenig unterkomplex entwickelt ist. Dafür spielt das Ensemble rund um den charismatischen Benito Bause (gerade auch drüben in der ZDF-Mediathek in der witzigen Serie «Doppelhaushälfte» zu sehen) noch entspannter und authentischer auf als beim letzten Mal.
Vor allem aber ist die unaufgeregte Selbstverständlichkeit, mit der in «All You Need» die Vielfalt queeren Grossstadtalltags in den unterschiedlichsten Facetten (inklusive unverkrampfter Sexparty-Einblicke), weiterhin eine grosse Freude und absolute Ausnahmeerscheinung in der sonst weiter recht heteronormativen deutschen Film- und Serienlandschaft.
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