Neuer MANNSCHAFT-Comic: «Ich musste einige um Verzeihung bitten»
Kenneth Larsen wollte einen Comic mit einer schwulen Figur entwickeln, «deren Sexualität nicht die einzige Pointe ist»
Hinter dem erfolgreichen Comic «Bestie» steckt der Norweger Kenneth Larsen. Für MANNSCHAFT zeichnet er exklusiv den schwulen Spin-off «Queering».
Auf Instagram erreicht Kenneth Larsen mit «Bestie» über 100’000 Follower. Der englischsprachige Comic dreht sich um ihn und um seine beste Freundin Marthe. Grundlage für die lustigen Alltagssituationen und witzigen Abenteuer bieten wahre Gegebenheiten, die Kenneth und Marthe zusammen erlebt haben.
Für die Print-Ausgabe von MANNSCHAFT zeichnet er seit drei Ausgaben exklusiv auf deutsch den schwulen Spin-off-Comic «Queering».
Kenneth, du hast für deine Selbstständigkeit die Werbebranche verlassen. Wie viel Mut brauchte dieser Schritt? Während meiner Zeit bei der Agentur stiess ich auf eine Website einer Comicschule in Malmö. Ich wusste sofort, dass ich mich dort bewerben musste – es fühlte sich fast wie eine Berufung an, da ich seit meiner Kindheit Comics zum Spass gezeichnet hatte. Ich hätte nie gedacht, dass es eine Karriereoption sein könnte, aber ich war bereit für eine neue Erfahrung und dachte, es könnte ein interessantes Jahr werden. Ich war 32 und ging voll davon aus, danach wieder in die Werbung zurückzukehren. Also sagte ich meinem Partner in Stockholm, dass ich für ein Jahr weggehen würde, mit oder ohne seine Unterstützung.
Was sagte er dazu? Es wurden schliesslich zwei Jahre, nicht eines – ups! Glücklicherweise war er sehr unterstützend, und wir sind immer noch zusammen. Ich versuche, mich nicht selbst daran zu hindern, einen Traum zu verfolgen, und ich möchte ohne Reue zurückblicken können. Es gibt ein Zitat von John Burroughs, das ich liebe: «Spring, und das Netz wird erscheinen.» Das hat sich für mich oft bewahrheitet.
Wann hast du mit Comicstrips angefangen? 2015 im ersten Jahr bei der Comicschule. Ich hatte immer gedacht, dass es ein unmögliches Format sei. Comicstrips sind herausfordernd, weil man für jeden einzelnen Strip eine Pointe oder irgendeine Art von Abschluss braucht. Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffen könnte, und doch hatte ich am Ende dieses Projekts 20 davon gemacht. Bis heute habe ich über 1600 gezeichnet.
Ich konnte Handlungsstränge schreiben, die ich als Heranwachsender nie gesehen hatte, die mir aber sehr geholfen hätten, mich selbst zu akzeptieren
Was hat dich dazu inspiriert, «Bestie» zu kreieren? Bevor ich «Bestie» erschuf, hatte ich kurze Comics über Marthe gemacht, meine beste Freundin aus der Kindheit in Trondheim, Norwegen. Ich zeichnete Comics, um sie über ihre Launen und Eigenschaften und die Dinge, die wir zusammen gemacht haben, zu necken. In unseren frühen Zwanzigern zogen wir beide fürs Studium nach Australien – eine Zeit voller lustiger, chaotischer Erlebnisse. Diese Zeit war die Inspirationsbasis für den Comic, in dem unsere Figuren in ihren Zwanzigern bleiben und die Unbeschwertheit und die verrückten Abenteuer dieser Lebensphase geniessen.
«Bestie» ist halb-biografisch. Welche Aspekte stammen aus deinem Leben? Ein paar Jahre nach Beginn des Comics outete sich mein Charakter gegenüber Marthe in einer Episode, die sich sehr persönlich und ein wenig beängstigend anfühlte. Genauso wie ich mich zum ersten Mal in Australien gegenüber Marthe outete, tut dies mein Charakter auf ähnliche Weise. Ich hatte nie einen kommerziell erfolgreichen Comicstrip gelesen, in dem eine Hauptfigur schwul ist, und ich fragte mich, ob es irgendwelche Reaktionen darauf geben würde. Indem ich es persönlich hielt, konnte ich Handlungsstränge schreiben, die ich als Heranwachsender nie gesehen hatte, die mir aber sehr geholfen hätten, mich selbst zu akzeptieren. Eines meiner Ziele bei der Schaffung dieses Comicstrips ist es, eine schwule Figur zu schaffen, deren Sexualität oder schwule Witze nicht die einzige Pointe sind und die ihn nicht allein definieren. Stattdessen darf er genauso wie die hetero Charaktere daten und flirten, als natürlicher Teil der Geschichte. Es gibt etwa Grindr-Geschichten und das Treffen mit seinem ersten Freund – alles jugendfrei, da ich ein breites Publikum erreichen möchte.
Wie echt sind die Charaktere? Mit einigen Handlungssträngen, die stark von Erinnerungen und aus dem realen Leben inspiriert sind, spiegeln die meisten Figuren unsere Freund*innen oder Familien wider, sowohl im Namen als auch im Aussehen. Dazu gehören unsere Eltern, mein anderer guter Freund Simon, Marthes Teenie-Schwarm, meine Schwester, meine Grossmutter usw. Die meisten sind lose von diesen Menschen inspiriert, aber manchmal zitiere ich sie wörtlich. Andere reale Personen aus meiner Kindheit, die ich einbezogen habe, sind meine böse Kindergärtnerin, die mich zwang, matschige Kartoffeln zu essen (ich rächte mich im Comic), und eine Freundin von Marthe, die immer um ihre Aufmerksamkeit mit mir rivalisierte.
Wie gross ist dein Archiv von echten Geschichten? Nun, nach etwa acht Jahren, in denen ich den Comicstrip gemacht habe, gehen mir die «realen Geschichten» aus unserem Leben aus, und die Charaktere beginnen, ein Eigenleben zu entwickeln. Und nein, ich habe diese Menschen nie um Erlaubnis gefragt, sondern nur später um Verzeihung gebeten (lacht).
Mit «Bestie» erreichst du über 100’000 Follower. Der Comicstrip wird auch in mehreren schwedischen und norwegischen Zeitungen veröffentlicht. Worin liegt der Erfolg von «Bestie»? Ich denke, «Bestie» steht für etwas sehr Grundlegendes wie Freundschaft, mit all ihren Höhen und Tiefen und für alltägliche, nachvollziehbare Situationen. Vielleicht zeigt sich, dass viele der Geschichten auf echten Erlebnissen basieren, was meiner Meinung nach eine Stärke beim Erzählen einer Geschichte ist. Es gibt auch viel Humor, Farbe und dynamische Zeichnungen, die ich für visuell ansprechend halte. Ich versuche immer, die Comics einfach und zugänglich zu halten, aber nicht statisch.
Gab es ein besonderes Fan-Feedback aus der ganzen Welt, das dir im Gedächtnis geblieben ist? Als ich die Coming-out-Geschichte auf Instagram postete, erhielt ich so viel unglaubliches und positives Feedback. Es kamen Nachrichten von Leuten, die sich noch nicht geoutet hatten, darunter ein Kind, das sagte, der Comic habe ihm den letzten Schub an Mut gegeben, sich selbst zu outen. Es machte mich sehr glücklich zu hören, dass er so eine positive Wirkung hatte.
Was können die Fans von deinem Patreon erwarten? Meine Unterstützer*innen erhalten Zugang zu exklusiven Comics, Einblicke hinter die Kulissen, Handy-Hintergründe und andere Bonus-Belohnungen. Es ist wie ein Mitgliedschaftsclub, in dem die Leser*innen mehr von dem sehen können, was sie lieben, und ich die Unterstützung bekomme, die ich brauche, um weiter zu kreieren. Es ist eine der Säulen, auf die ich als unabhängiger Kreativer angewiesen bin, und ich bin sehr dankbar dafür. Es gibt dort ein interessantes Interview mit Marthe über ihre Gefühle, in dem Comic dargestellt zu werden.
Mit «Queering» beginnst du einen neuen Comic für Mannschaft. Kannst du uns verraten, was du geplant hast? Ich bin so aufgeregt über diese Möglichkeit, da ich diese Idee für einen super-schwulen Spin-off-Comic zu «Bestie» hatte. In «Queering» gibt es einen Zeitsprung von «Bestie», in dem mein Charakter etwa 40 ist und sein bestes schwules Leben lebt. «Queering» ermöglicht es mir, spezifische LGBTIQ-Comics zu erstellen, mit Insider-Witzen, queeren Charakteren und ohne Zensur, was ich hoffe, dass die MANNSCHAFT-Lesenden zu schätzen wissen. Ich bin sehr glücklich und gespannt, zu sehen, wohin das führen wird!
Wo findest du Inspiration für deine Comics? Für «Queering» werde ich weiterhin Inspiration von meinen Freund*innen und meinen eigenen Erfahrungen ziehen. Ideen können aus einem Gespräch, einem Abend unterwegs oder dem Freundeskreis – und all dem Drama, das damit einhergeht – kommen. Es bietet eine endlose Quelle von Material. Ich bin auch an Kooperationen interessiert, also wenn jemand das liest und eine Idee für einen «Queering»-Comic hast: Melde dich gerne!
Was sind deine Lieblingscomics? Als ich aufwuchs, sammelte und las ich eine Menge Donald-Duck-Comics, die wohl einige meiner Arbeiten geprägt haben. Ich habe den Grossteil meiner Sammlung immer noch. Weitere Favoriten und Inspirationen sind die Comicstrips «Calvin und Hobbes», «Ernie» und «Pondus» (norwegisch) und «Elvis» (schwedisch). Ich liebe auch die urkomischen biografischen Comics von Tegnehanne –einer anderen norwegischen Comic-Künstlerin.
Was machst du, wenn du nicht zeichnest? Schlafen und essen (lacht). Nein, ich habe in den letzten Jahren gelernt, ein gesünderes Gleichgewicht zu finden. Mit Leidenschaft zu arbeiten, kann sehr lohnend, aber auch allumfassend sein. Ich habe gelernt, Pausen als Teil der Arbeit zu sehen, und ich geniesse es, Horrorfilme zu schauen, Freund*innen zu treffen und zu reisen, wann immer ich kann.
Hol dir «Queering» nach Hause: Mit einem MANNSCHAFT-Print-Abo. Hier geht’s zum unserem Aboshop.
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