Queerness in der arabischen Welt – eine Entdeckungsreise

«Mithly» zeigt die Emanzipationsbewegung der homosexuellen Subkultur

Foto: Soufiane_Ababri
Foto: Soufiane_Ababri

Der Frankfurter Kulturraum SYNNIKA zeigt mit «Mithly» eine Installation von Julian Volz, die uns mit Zeichnungen und Dokumentarfilmen das queere Leben in der arabischen Welt näher bringt.

«Was gibt es an queerer Kultur in der arabischen Welt?» fragte sich der Politikwissenschaftler und Kurator Julian Volz. Zwei Jahre lang recherchierte Volz, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Es führte ihn unter anderem nach Beirut und Paris, wo er Künstler*innen und Intellektuelle zur gegenwärtigen Situation von Homosexuellen im Arabischen Raum interviewte.

Im Konflikt zwischen Religion und Sexualität

Die Ergebnisse seiner Interviews können im SYNNIKA, einem experimentellen Raum für Theorie und Praxis im Frankfurter Bahnhofsviertel gesehen werden. Die Ausstellung heisst «Mithly», das erste Wort im arabischen für Homosexualität, das nicht beleidigend sei, sagt Volz. Das Wort gibt es erst seit 15 Jahren.

Zudem interessierte ihn aber auch der «Orient» als Sehnsuchtsort für homoerotische Liebe. Oscar Wilde und André Gide hätten mit ihren Reisen und Büchern zu diesem Bild beigetragen. «Der westliche Blick auf die queere Kultur in der arabischen Welt sei bis heute von ‹orien­ta­lis­ti­schen›. Fantasien überlagert», beklagt Volz. Mit dem Soziologen und Autor Antoine Idier, der sich auf die Geschichte der fran­zö­si­schen Homo­se­xu­el­len­be­we­gung spezia­li­siert hat, sprach er über die französische Ausprägung dieses Bildes.

Im etwa eineinhalbstündigen Film, der in der Ausstellung gezeigt wird, kommen zudem auch drei Künstler zu Wort. Zum einen spricht der libanesische Videokünstler Akram Zaatari über den Fotografen Hashem el Madani (1928-2017), der in seinem Fotostudio sich liebende Männer abbildete. Zum anderen werden Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm «Anya Kneez. A Queen in Beirut» von Mohamad Adbounis gezeigt, der eine in Beirut lebende Dragqueen porträtiert.

«Allah ist bei Homosexualität das Totschlag-Argument schlechthin»

Der aus Marokko stammende Pariser Schriftsteller Abdellah Taïa spricht über seinen Roman «Celui qui est digne d’être aimé», in dem es um einen jungen Marokkaner geht, der mit einem französischen Intellektuellen nach Paris zieht. Das Werk ist teilweise autobiografisch. Im. Interview mit Volz spricht Taïa auch über die Aufbruchsstimmung der Szene in Marokko, die vor allem über queere Social-Media-Stars stattfindet.

Der zweite Teil der Ausstellung zeigt neue, bisher nicht ausgestellte Zeichnungen aus der Serie «bedworks» des marokkanischen Künstlers Soufiane Ababri. Dass er zugleich Einwanderer, homosexuell, Angehöriger einer postkolonialen Generation sei und dunkle Haut habe, ermögliche ihm einen anderen Blick auf die Dinge, sagt Ababri.

In einem weiteren Video von Julian Volz spricht der 1988 geborene Maler Alireza Shojaian über seine Erfahrungen in Teheran und Beirut sowie über sein Verständnis queerer Kunst. Volz bemerkt, dass sich in der Region etwas tut: «Es ist eine Emanzipationsbewegung». Es sei zwar nicht leicht für queere Menschen in der arabischen Welt. Aber: «Die Leute haben Lust, offen und selbstbewusst dazu zu stehen, ihre Kultur zu leben.»

Die aufblühende, queere Szene im arabischen Raum wird hierzulande von negativen Schlagzeilen verdrängt. Viele arabische Länder haben homophobe Gesetze, die eine Reise dorthin für LGBTIQ gefährlich machen können.

Wenn sich ein Muslim im Fernsehen outet

Erst kürzlich warnte Katar, die Jugendlichen hätten eine «warme Einstellung» zu Homosexualität, die Kinder vom «Pfad Gottes» abbringen könne (MANNSCHAFT berichtete). Auch die Zensur von Filmen und Serien mit LGBTIQ-Charakteren ist noch immer gang und gäbe. So werden «Onward» und eine Episode von «Little America» von mehreren arabischen Ländern nicht gezeigt.

«Mithly» kann vom 21. August bis zum 15. November im SYNNIKA im Frankfurter Bahnhofsviertel angeschaut werden. Die regulären Öffnungszeiten sind freitags von 15:00-18:00 Uhr.

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