Linke-Vorstand bricht mit Sahra Wagenknecht
Rückgabe von Mandat gefordert
Bei der Linken geht es mächtig zur Sache: Die frühere Fraktionschefin Wagenknecht denkt öffentlich über eine Parteigründung nach. Der Linke-Vorstand will, dass sie deshalb ihr Bundestagsmandat zurückgibt – und sieht sich selbst mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.
Der Linke-Vorstand hat sich von der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht losgesagt und sie zur Rückgabe ihres Mandats aufgefordert. «Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht», heisst es in einem einstimmigen Beschluss des Parteivorstandes am Wochenende in Berlin.
Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht
Daraufhin sah sich der Vorstand selbst mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Hintergrund des Dauerstreits ist, dass die frühere Fraktionschefin Wagenkecht seit längerem darüber nachdenkt, eine eigene Partei zu gründen. Die Linke-Führung hat das wiederholt scharf kritisiert und Wagenknecht gedrängt, sich zu entscheiden.
Die jetzige Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisierte das Vorgehen der Parteiführung. «Ich halte den heutigen Beschluss des Parteivorstandes von Die Linke für einen grossen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt», schrieb sie auf Twitter. «Wir haben unseren Wählerinnen und Wählern und all den Menschen gegenüber, die ohne uns keine Stimme haben, eine wichtige Aufgabe. Vorstandsbeschlüsse gegen eigene Mitglieder zu fällen und öffentlich breitzutreten, gehört nicht dazu!» Mohamed Ali führt die Fraktion zusammen mit Dietmar Bartsch.
Der frühere Linke-Vorsitzende Klaus Ernst und der Abgeordnete Alexander Ulrich schlugen sich ebenfalls auf Wagenknechts Seite: «Wir fordern den Vorstand auf, seinen geschlossenen Rücktritt zu erklären», schrieben sie in einer Erklärung, über die zuerst The Pioneer berichtete und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Darin heisst es: «Ausgerechnet jene, die ihr Mandat Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und anderen verdanken, fordern nun, dass Wagenknecht ihr Mandat zurückgeben soll. Das ist absurd.» Lafontaine hatte die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der ostdeutschen PDS zur Linkspartei vereint. Er ist Wagenknechts Ehemann. Lafontaine war bereits im Zorn aus der Linken ausgetreten.
Wagenknecht hatte erst am Freitag bekräftigt, dass sie bis zum Jahresende über ihre Zukunft in der Linken und eine mögliche Parteigründung entscheiden will. Zuvor hatte sie erklärt, nicht mehr für die Linke für den Bundestag zu kandidieren.
In dem Vorstandsbeschluss heisst es mit Blick auf sie und ihre Mitstreiter: «Es ist ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben.» Es sei nicht akzeptabel, dass Ressourcen aus Mandaten, die für die Linke gewonnen worden seien, für den Aufbau einer Konkurrenzpartei genutzt würden.
Zwischen Wagenknecht und der Parteispitze sowie anderen Mitgliedern gibt es seit Jahren Streit über grundsätzliche Positionen. In der Flüchtlingspolitik sprach Wagenknecht sich gegen offene Grenzen aus; sie äusserte sich in der Corona-Zeit skeptisch zur Impfung; in ihrem Buch «Die Selbstgerechten» rechnete Wagenknecht mit dem gender- und klimaengagierten Teil ihrer Partei ab.
Sie sprach von «immer kleineren und immer skurrileren Minderheiten», die den Anspruch hätten, «ein Opfer zu sein» und behauptet «sexuelle Orientierung, Hautfarbe oder Ethnie dagegen funktionieren immer» – und auch beim Thema Ukraine eckt sie mit ihrem Kurs an, der einigen zu russlandnah erscheint.
Die Linke hat im Bundestag 39 Abgeordnete. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte sie die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt und den Einzug nur über drei direkt gewonnene Mandate geschafft. Danach hatte die Partei bei allen Landtagswahlen zum Teil herbe Niederlagen eingesteckt.
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, setzt im parlamentarischen Verfahren auf Nachbesserungen beim geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetz (MANNSCHAFT berichtete).
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