Liedermacherin Brino: «Man darf meine Queerness entdecken»
Sie möchte mit ihrer Musik dazu einladen, Geschichten zu teilen
Verletzlich und nahbar – so definiert sich die queere Newcomerin Brino. Seit vier Jahren schreibt die Luzernerin regelmässig Lieder und hat im Juli 2022 ihre erste EP «Von Linien und Kreisen» veröffentlicht. Im Interview mit MANNSCHAFT spricht sie über ihre Musik und ihre Queerness:
Die letzten vier Jahre hast du komponiert. Jetzt veröffentlichtest du vier Songs. Hast du einen Song pro Jahr geschrieben? (lacht) Lustige Frage! Seit vier Jahren entdecke ich das Liederschreiben immer wieder neu. 2018 habe ich ein Songwriting-Modul besucht und diese Erfahrung motivierte mich dazu, meine eigene Musik zu komponieren. Mir wurde plötzlich bewusst: Das kann und möchte ich auch!
Wie war der kreative Prozess? Zuerst komponierte ich, nebst meinem Studium, Songs. Dabei ging ich sehr frei und intuitiv vor. Meist beginne ich mit Improvisieren, so entsteht eine erste Version des Songs. Die Arbeit ist, an diesen Song weiterzuarbeiten: Dafür probiere ich unterschiedliche Ansätze aus.
Wie bist du vorgegangen? Ich versuche, kreativ zu bleiben und lasse mich nicht limitieren. Beispielsweise kann auch Song mal mit Refrain oder einem Zwischenteil beginnen. Sich an vordefinierten Songlängen zu orientierten, ist für mich nicht wichtig. Diverse Songstrukturen auszuprobieren reizt mich.
Wie entschiedest du dich für eine Auswahl? Für die EP entschied ich mich für 4 Songs. In denen mich folgende Fragen beschäftigten: Was macht es so aufregend und bereichernd, wenn neue Menschen in mein Leben treten? Und was scheint verloren, wenn sie nicht mehr Teil davon sind?
Welche Themen inspirieren dich? Mich inspirieren zwischenmenschliche Beziehungen und Begegnungen: Deshalb habe ich vier Anfangs- und zwei Abschiedsgeschichten veröffentlicht – bis jetzt.
Bis jetzt? Das heisst du hast mehr Material auf Lager? Ja, ich habe einiges an Material und arbeite immer wieder daran – und lasse mir Zeit bis ein Song gereift ist, bevor ich ihn veröffentliche.
Wann ist ein Song reif? Das ist eine sehr spannende Frage – kurz gesagt: Bis jedes Detail passt!
Nimmst du dir dafür viel Zeit? Ich habe nun erstmals selbst ein musikalisches Projekt auf die Beine gestellt und möchte die Freude und Experimentierlust für die Arbeit beibehalten.
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Möchtest du Teil der Musikindustrie sein oder dein eigenes Ding durchziehen? Für mich widerspricht es sich nicht, das «eigene Ding» zu machen und dennoch Teil der Musikindustrie zu sein. Als Liedermacherin, die am Anfang ihres Wegs steht, möchte ich komponieren; Songwriting-Skills weiterentwickeln und weiter Konzerterfahrung sammeln. Ich bin offen und neugierig für eine mögliche Zusammenarbeiten innerhalb der Musikindustrie.
Was möchtest du mit deiner Musik kommunizieren? Welchen Wert zwischenmenschliche Beziehungen haben können und diese in den Vordergrund zu bringen. Direkte und ehrliche Kommunikation ist für mich sehr wertvoll. Verletzlichkeit führt einen manchmal an Orte, die erstmal unangenehm sein können, aber schlussendlich bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, sich auch verletzlich zu zeigen. Meiner Erfahrung nach schätzt das Publikum Offenheit, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit auf der Bühne. Dass Menschen an meine Musik anknüpfen können, ist mir sehr wichtig.
Du definierst dich als queere cis Frau. Ist dieser Aspekt von dir, in deiner Musik, präsent? Man darf meine Queerness entdecken – ich verstecke sie nicht – aber nicht jede Person sieht meine Queerness auf den ersten Blick. Bei Live-Konzerten erzähle ich Anekdoten, die von Begegnungen mit Frauen handeln. Das Lied «Du» spricht von einer Frau, die mich schlichtweg umgehauen hat. Im Musikvideo zum Song «Nur Reden», verkörpern zwei Frauenfiguren die Geschichte rund um den Abschied, um den es in der Geschichte des Liedes geht.
Möchtest du mit deiner Queerness öffentlich auftreten oder ist das was privates für dich? Diese Frage habe ich mir auch gestellt: Für mich fühlt es sich richtig an, wenn ich sein kann, wer ich bin. Ich identifiziere mich als queerer Mensch – privat und in der Öffentlichkeit: Queer bin ich immer! Ich bin jedoch mehr als meine Queerness. Im Vordergrund steht für mich meine Musik.
Spürst du den Kontakt mit der queeren Community? Ich freue mich immer auf den Kontakt mit der queeren Community – ich mag die tollen Gespräche nach den Konzerten!
Wie siehst du deine Zukunft? Ich werde weiter komponieren und meine anstehenden Auftritte geniessen. Auf die Live-Konzerte freue ich mich sehr. Aufgestellt bin ich in einer Duo, Trio und Full Band-Formation – das ist super!
Was ist dein Traum? Mit meiner Musik dazu einzuladen, dass wir Geschichten, die uns bewegen oder bewegt haben, teilen sollten. Und dass sich ehrlich und verletzlich zu zeigen, ganz viel Neues und Bereicherndes bewirken kann.
Brino ist aktuell live in der Schweiz zu sehen: 10. September, Sarnen/Dorfchilbi; 11. Oktober, Zürich/Das Gleis; 20. Oktober, Songwriter Jam; 23. November, «There Are Worse Bands»-Festival/Treibhaus Luzern, 24. November Open Mic Night/Rapperswil
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