LGBTIQ-Jugend fordert mehr Einsatz der Kommunalpolitik im Coming-out
Am 13. September 2020 wird in NRW gewählt
Anlässlich der bevorstehenden Kommunalwahl in NRW haben 50 LGBTIQ-Jugendliche am Dienstag auf dem Alter Markt in Köln demonstriert. Ihr Ziel: mehr Unterstützung für ihre Lebenslage.
Sie fordern unter anderem mehr kommunale Förderung für die Aufklärungsarbeit zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Angebote für die LGBTIQ-Jugend auch in den rechtsrheinischen Regionen sowie die dauerhafte Förderung einer trans Jugendarbeit und eines spezialisierten Angebots für LGBTIQ-Jugendliche mit Migrations- und Fluchtgeschichte.
«Köln ist zwar eine der queerfreundlichsten Städte in Deutschland, aber trotzdem haben wir als Jugendliche noch immer mit Herausforderungen zu kämpfen», sagt Bela, Besucher des Jugendhauses anyway. Dort engagiert er sich im Projekt #mitmischen, das sich mit gesellschaftspolitischer Teilhabe von LGBTIQ-Jugendlichen beschäftigt.
In den vergangenen Wochen haben die Jugendlichen in diesem Projekt zu Kommunalpolitik und der Kölnwahl diskutiert. Dabei haben sie erarbeitet, wo sie im Alltag noch Diskriminierung erfahren und Unterstützung benötigen. 17 Forderungen sind entstanden – so genannte Wahlprüfsteine. Zu eben diesen haben sie die CDU, SPD, GRÜNE, LINKE und AfD um eine Stellungnahme gebeten. Wie sich die einzelnen Parteien zu im Detail aufstellen, ist hier zu finden und soll jenen Menschen bei der Wahlentscheidung helfen, denen ein diskriminierungsfreies Aufwachsen von lesbische, schwulen, bi, trans und queeren Jugendlichen am Herzen liegt.
«Die meisten Parteien haben erkannt, dass sich Köln nicht auf dem bereits Erreichten ausruhen kann», sagt Thomas aus dem Projekt #mitmischen. «Wir als Jugendliche hoffen, dass die Bekenntnisse der Parteien nun auch vom nächsten Rat umgesetzt werden», so der Student weiter.
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Grosse Einigkeit herrscht bereits bei der Frage, dass die Bedarfe rund um das Coming-out statistisch erhoben werden soll. Bei der letzten Jugendbefragung der Stadt wurden LGBTIQ-Jugendliche zum Beispiel vergessen. Das darf nicht wieder vorkommen. Eine kleine Studie des anyway rüttelte in der ersten Jahreshälfte die Kommunalpolitik wach. In dieser war herausgekommen, dass mehr als die Hälfte der LGBTIQ-Jugendlichen aufgrund ihrer Identität gemobbt oder beschimpft werden, jede 4. Person sogar körperliche Gewalt erfahren hat und 17 Prozent der queeren Jugendlichen bereits einen oder mehrere Suizidversuche hinter sich haben.
Das hat auch James erlebt. Der 23-Jährige hatte nichts über sexuelle oder geschlechtliche Vielfalt in der Schule gelernt. Lange Zeit wusste er nicht, wo er hingehört. Er erlebte deshalb doppeltes Coming-out – erst als lesbische Frau, später als trans Mann. Für ihn waren die Pubertät und die Jahre danach vor allem eine Zeit der Diskriminierung und psychischen Belastung.
«Mich hat das Coming-out und die heftigen Reaktionen darauf fünf Jahre Lebensqualität gekostet“, sagt James. Ein Suizidversuch und schwere Depressionen waren die Folge des Mobbing in Schule und auf der Arbeit. Unter anderem durfte er als trans Mann nicht die Männertoilette benutzen, wurde konsequent mit seinem alten Frauennamen angesprochen und das Getuschel unter den Kolleg*innen war gross. Am Anfang seines trans Coming-outs hätte er sich deshalb besonders ein wöchentliches Angebot gewünscht, an der er einfach nur er selbst sein und sich mit anderen Jugendlichen austauschen kann. In Köln allerdings ist das so nicht möglich. Eigene Angebote für trans Jugendliche werden nur von Jahr zu Jahr vom Land NRW gefördert.
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Diskriminierung erlebte auch Jara in der Schule. «Von meiner Klasse kamen Kommentare, die mir mein Lesbischsein ausreden wollten und die sagten, dass ich ekelhaft sei. Meine Erfahrungen zu teilen, war in der Schule schwer. Am schlimmsten finde ich, dass ich auch von einem Lehrer die Abneigung zu spüren bekam. Er wollte sogar, dass ich mich mit Jungen treffen, obwohl er wusste, dass ich mich nicht für Jungs interessiere», sagt die 16-jährige.
Auch sie hatte alles in sich reingefressen. Selbstverletzendes Verhalten und auch Suizidgedanken waren die Folge. Jara fordert deshalb, dass die Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit in Köln ausgebaut wird, sodass zukünftig an jeder Schule eine Sensibilisierung für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt stattfinden kann.
Das Projekt #mitmischen wird gefördert vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.
Brauchst du Hilfe? Wende dich in der Schweiz telefonisch an die Nummer 147 (mehr Informationen auf www.147.ch) oder schreibe an die Berater*innen von Du-bist-Du.ch. In Österreich hilft die HOSI Wien (zu Büroöffnungszeiten) unter (+43) 660 2166605, das Kriseninterventionszentrum oder für LGBTIQ die psychosoziale Beratungsstelle Courage. In Deutschland gibt es unter anderem den Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie, in Städten wie Köln hilft Rubicon.
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