Jo Weil: «Seit dem Coming-out ist mein Leben sehr viel schöner»
Der Serienklassiker «Verbotene Liebe» kehrt mit neuen Folgen zurück
Der einstige Vorabendklassiker kehrt zurück, als «Verbotene Liebe – Next Generation» mit neuen Folgen im Wochenrhythmus. Los geht es ab 23. November auf TVnow. Mit dabei sind einige alte und liebgewonnene Bekannte wie Jo Weil, der den schwulen Oliver Sabel spielt.
Jo, dein Coming-out ist ein gutes halbes Jahr her (MANNSCHAFT berichtete). Hast du es einen einzigen Tag bereut? Überhaupt nicht. Es kam zum Glück alles so, wie ich es mir insgeheim erhofft hatte. Nämlich dass sich in meinem Leben nicht wirklich etwas ändern würde. Es war im Endeffekt von der Resonanz her nochmal sehr viel schöner und positiver, als ich es in meinen kühnsten Träumen erwartet hätte. Es gab soviel Unterstützung und liebenswerte Nachrichten aus der ganzen Welt – und bis heute nicht eine böse Nachricht.
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Ich habe auch nicht mit einem Riesen-Shitstorm gerechnet, dachte aber, im Internet wird da schon irgendwas kommen. Da kam aber wirklich gar nichts Negatives, und das hat mich echt positiv überrascht. Abgesehen davon war mein Jahr seither aber auch nicht anders, ausser dass ich viel entspannter und freier bin und mich nach aussen komplett authentisch und so verkaufen kann, wie ich bin, und das macht mein Leben sehr viel bunter und schöner.
Du hast im April erklärt, du warst gerade in Zürich, hast «Bodyguard» gespielt, dann kam Corona. Und du stelltest fest: «Ich liebe meinen Beruf über alles, aber mein privates Glück is noch viel wichtiger.»
Ja. Das war eine Erkenntnis, die natürlich nicht über Nacht kam. Das hab ich schon lange gespürt. Aber dann kam diese Pandemie, die damals noch gar nicht so greifbar war. Ich habe das schon als etwas Bedrohendes empfunden, das auf mich zukam, und so merkte ich: Mein Privates ist mir jetzt tatsächlich wichtiger und ich möchte zu Hause bei meinem Partner sein oder zumindest wissen, er ist safe.
Du bist seit mittlerweile elf Jahren mit Tom zusammen. Wie kam der eigentlich damit klar, dass er nie miterzählt wurde: Er konnte nicht mit auf den roten Teppich, wurde in Interviews verschwiegen. Das musste er verstehen. Er kannte es aber auch nie anders. Privat war ich, seit ich 18 war, geoutet und ging damit auch sehr offen um. Jeder wusste es in meinem Umfeld. Wir haben uns ohne jede Verkrampftheit und jedes Geheimnis kennengelernt. Er wusste von Anfang an: Wir würden in der Öffentlichkeit nicht stattfinden, weil ich das damals nicht konnte. Das war für ihn aber auch in Ordnung, weil er gar nicht in der Öffentlichkeit stehen möchte. In seinem Alltag hat es für ihn auch gar keinen Unterschied gemacht, weil er in meiner Familie und im Freundeskreis immer dabei war. Selbst zu vielen offiziellen Events kam er mit, aber eben nicht an meiner Seite und nicht als der Mann, über den ich dort sprach. Aber das war für ihn okay. Weil es für ihn die Sicherheit und Anonymität bedeutete, die er mag.
War es allein deine Entscheidung, dich nicht früher zu outen? Im Endeffekt leben wir in einem freien Land, und was ich tue oder nicht tue, ist meine Entscheidung. Der letzte Schritt mich zu outen, lag bei mir. Es gab schon Situationen, in denen ich dachte, jetzt wäre vielleicht der Punkt. Aber es gab Arbeitgeber, die mir nahegelegt haben, es zu dem Zeitpunkt besser nicht zu tun.
Arbeitgeber aus dem Film- und Fernsehgeschäft. Ich möchte da nicht genauer werden. Es wurde mir nahegelegt, und ich musste entscheiden: Okay, wie wichtig ist mir gerade der Job und wie wichtig, dass ich mich jetzt oute? Da hat dann die Vernunft überwogen, weil ich in der Phase auch nicht das Gefühlt hatte, es müsste sich jetzt krampfhaft etwas ändern. Aber im vergangenen April war es eben final so weit. Der Zeitpunkt war richtig, aber es wäre vorher wahrscheinlich auch nicht falsch gewesen.
Nun bist du mit einer schwulen Rolle bekannt geworden, als Oliver Sabel in «Verbotene Liebe», die du jetzt auch wieder aufnimmst. Hast du damals gezögert, weil viele Zuschauer ja nicht unterscheiden zwischen Rolle und Darsteller? Das war für mich damals kein Thema. Einerseits hatte ich Lust auf diese Rolle und auch auf «Verbotene Liebe», weil ich das als Fan in meiner Abizeit geschaut habe. Insofern habe ich keine Sekunde gezögert. Ich habe damals aber von einigen Seiten den Ratschlag bekommen: Überleg es dir genau. Denn gerade damals bestand durchaus noch die Gefahr, dass man dich darauf festlegt hat, wenn Du in einer Daily Soap eine schwule Rolle gespielt hast. Ich hab aber gesagt: Das ist mir egal, und ich bin auch ganz unbefangen dran gegangen.
Gab es Interviews, in denen man dich direkt darauf angesprochen hat, nach dem Motto: Wie nah ist die Rolle an dir als Person dran? Musstet du da lügen? Die Frage gab es immer wieder im Laufe der Jahre, und ich habe versucht, nicht zu lügen und das Ganze zu umschiffen.Und je älter ich wurde, wurde mir klarer, dass ich mich nicht verbiegen wollte. Also habe ich so ausweichend oder langweilig geantwortet, dass ich wusste, die Antwort wird nicht verwendet.
Man hat dich dann tatsächlich gar nicht festgelegt auf schwule Rollen. Du warst bei «Alles was zählt» dabei, hast «Tatort» und «Rosenheim Cops» usw. gedreht – das waren keine schwulen Rollen. Auch die Titelrolle in «Bodyguard» ist ja ein heterosexueller Mann. Ja, bei mir ging das gut auf, schon 2002, als ich das erste Mal aus der Serie ausstieg. Ich habe dann bei «Medicopter 117» einen Actionhelden gespielt. Mir wurden viele Rollen angeboten, die komplett gegensätzlich zu Olli waren. Auch was ich jetzt an Anfragen bekommen: Es sind gleichbleibend viele heterosexuelle Rollen und schwule Rollen, das hat sich nicht geändert nach dem Coming-out. Wenn die Mischung so bleibt, wäre ich total glücklich.
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Nun bist du Wiederholungstäter und nimmst die Rolle von Oliver wieder auf. Es scheint eine grosse Zuneigung auf beiden Seiten zu geben. Was macht die Rolle für dich aus? Ich habe die Serie selbst von Folge 1 an geschaut. Manche Mathe-Grundkurs-Stunde habe ich nur überstanden, indem ich mit meiner besten Freundin über die Folge vom letzten Abend gesprochen habe. Ich fand die Sendung schon immer faszinierend und fesselnd. Auch den Glamour und die Grösse, die die Serie verkauft hat, habe ich immer geliebt. Als ich dann Teil davon wurde, ging für mich als junger Mensch ein Traum in Erfüllung. Jene Freundin aus dem Mathekurs hatte tatsächlich mal gesagt: Irgendwann spielst du da bestimmt auch mal mit. Und ich meinte: Ach was das wäre schön. Und sie hat mich dann später angerufen und gemeint; Jo, weisst du noch, ich habe es dir doch gesagt!
Ich habe es dann mit viel Freude und Stolz gemacht, es war der erst grosse Job nach der Schauspielschule. Es fühlte sich einfach wahnsinnig gut an. Ich bin irgendwann gegangen, weil ich fand, ich muss auch mal andere Sachen spielen. Als dann 2007 das Angebot kam, zurückzukommen, fühlte sich das damals genau richtig an, und ich bin ja dann auch lange dabei geblieben, weil ich damals erst gemerkt habe, wie grossartig meine Rolle eigentlich ist. Darum war es jetzt auch so, dass es gar keine Frage war. Ich habe sofort zugesagt bei «Verbotene Liebe – Next Generation» dabei zu sein, bevor ich überhaupt wusste, wer was wann und warum.
Ich habe mich auf das Projekt gefreut, aber auch auf Olli. Das ist ganz schwierig zu beschreiben: Er ist ein Teil von mir. Ich spiele die Rolle seit 20 Jahren, mit Unterbrechung. Er ist wie ein Freund, wie ein Familienmitglied, dem gegenüber ich Verantwortung empfinde, auch eine grosse Liebe. Und den ich auch bewundere, weil er etwas hat, das ich nicht habe.
Was denn zum Beispiel? Seine übermässige Bereitschaft sich aufzuopfern für die Menschen, die er liebt. Und für seine Liebe Dinge zu tun, bei denen man eigentlich denkt: Junge, denk bitte auch etwas an dich! Aber er geht in Sachen Liebe und Herz 100%ig in die Vollen.
Hat sich im Laufe der Jahre auch was von ihm auf dich abgefärbt? Naja, zumindest insofern, als mein Ex-Mann in der Serie, Thore Schölermann, einer meiner besten Freunde geworden ist. Und als Olli beim letzten Mal bei «Verbotene Liebe» war, da wurde er Model, und ich bin immer wieder Modenschauen in der Sendung gelaufen, und habe dann auch Bookings ausserhalb der Serie als Model bekommen. Also, wir haben uns angenähert, aber es ist auch sehr klar, wer Olli ist, und wo Jo anfängt.
2015 lief die letzte Folge. Viele Fans meinten, die Luft war schon länger raus. Wie kommt jetzt die Luft und die Spannung da wieder rein, nach fünf Jahren? Es gibt, wie der Name «Next Generation» schon sagt, eine neue Generation an Menschen und Möglichkeiten und Geschichten. Ein Teil des alten Casts ist dabei, dazu kommen neue Darsteller, dadurch gibt es ein neues Gefüge. Es ist alles sehr viel grösser und dramatischer als früher. Wir drehen jetzt an fetten Locations, wir haben sensationelle Bücher. Es ist eine sehr gute Mischung aus dem, was die bisherigen Fans erwarten dürfen, was sie kennen, es bleibt divers: auch die lesbische Figur Carla von Lahnstein ist wieder dabei. Dazu kommt Neues, sodass es spannend bleibt. Auch für Neueinsteiger: Die Geschichten fangen an einem Punkt 0 an; jeder, der neu anfängt, ist sofort drin.
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Wie habt Ihr die «Next Generation» eigentlich gedreht im Corona-Jahr? Wir haben von Juli bis Mitte Oktober gedreht: Es gab sehr viele Sicherheitsvorkehrungen, gerade bei einer Serie, die die Liebe im Titel trägt: Liebe, Sex, Erotik – das ist in Corona-Zeiten nicht ganz easy. Wir hatten ein gutes Sicherheitskonzept neben anderen Massnahmen. Für Küsse oder Berührungen vor der Kamera musste man eine Weile in Quarantäne. Es wurde immer wieder getestet und Fieber gemessen, das war sonderbar. Vor der Kamera durften wir einander näher kommen, im echten Leben war das überhaupt nicht möglich, sich privat zu sehen oder auch mal zu umarmen. Aber schön, dass es wenigstens vor der Kamera ging.
«Verbotene Liebe – Next Generation», der Spin-off der Fernsehserie «Verbotene Liebe», läuft ab 23. November auf TVnow.
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