Indonesien: Einem schwulen Paar droht öffentliche Züchtigung mit 100 Stockhieben

In der indonesischen Provinz Aceh sind zwei Männer wegen homosexuellen Handlungen festgenommen worden. Mitglieder einer Nachbarschaftswache waren in ihre Wohnung eingedrungen und hatten sie beim Sex ertappt.

Seit eineinhalb Jahren wird in Aceh, der konservativsten Provinz Indonesiens, Sex unter Schwulen und unverheirateten Paaren mit Stockhieben bestraft. Diesem Schicksal sehen dort aktuell zwei Männer entgegen, die vor ein paar Tagen von selbsternannten Sittenwächtern erwischt und der Polizei übergeben worden waren. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte die indonesischen Behörden am Sonntagabend auf, die beiden Männer unverzüglich freizulassen.

Die Sittenwächter waren gewaltsam in das Haus eingebrochen, wo sich die beiden Männer aufgehalten hatten. Sie filmten sie mit der Handykamera und stellten den Clip online. Darin ist zu sehen, wie eines ihrer Opfer nackt auf dem Boden sitzt und seine Familie anruft, um sie um Hilfe zu bitten. Mit dem Vorwurf einer homosexuellen Beziehung wurde das Paar zur Polizei in der Provinzhauptstadt Banda Aceh gebracht. Bei der Sharia-Polizei Wilayatul Hisbah werden sie seither festgehalten und sollen mit bis zu 100 Stockhieben bestraft werden.

Homosexualität ist in Indonesien zwar legalisiert, kann in der Provinz Aceh jedoch gemäss Scharia-Recht bestraft werden, ähnlich wie etwa das Glücksspiel, ausserehelichen Sex, Alkoholkonsum und das Tragen von enger Kleidung für Frauen. Gemäss einer 2014 verabschiedeten Verhaltensverordnung gilt das Scharia-Recht für alle Menschen unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit, also auch für Nicht-Muslime.

Eines der Opfer ruft seine Familie an, um sie um Hilfe zu bitten. (Foto: Screenshot/YouTube)
Eines der Opfer ruft seine Familie an, um sie um Hilfe zu bitten. (Foto: Screenshot/YouTube)

Das Scharia-Recht der Provinz Aceh ermutigt sowohl die Scharia-Polizei als auch ihre Bürgerinnen und Bürger, Verstösse gegen die Sittenordnung festzuhalten und öffentlich zu machen.

Bilder öffentlicher Züchtigungen in Banda Aceh

Menschenrechtsorganisation ruft Präsident zum Handeln auf Die Verhaftung und das Festhalten der beiden Männer mache den Missbrauch in Acehs diskriminierender, anti- LGBTI-Rechtsordnung deutlich, kritisierte Phelim Kine, Vize-Direktor Human Right Watch Asien. «In die Privatsphäre der Männer wurde auf beängstigende und demütigende Weise eingedrungen und nun erwartet sie eine öffentliche Folter für das ‹Verbrechen› ihrer angeblichen sexuellen Orientierung.»

Der indonesische Präsident Joko Widodo, bekannt als Jokowi, sprach sich im Oktober 2016 für die Rechte von LGBT-Menschen und für ein Ende von Diskriminierung aus. Seither habe er aber nicht gehandelt, schreibt Human Rights Watch in ihrer Mitteilung.

Im Oktober 2016 sprach sich Präsident Jokowi gegen LGBT-Diskriminierung aus. (Bild: Indonesia Govt Portal)
Im Oktober 2016 sprach sich Präsident Jokowi gegen LGBT-Diskriminierung aus. (Bild: Indonesia Govt Portal)

«Präsident Jokowi soll sich dringlich in diesen Fall einmischen und seiner mündlichen Verpflichtung nachkommen, um der Diskriminierung von LGBT-Menschen ein Ende zu setzen», sagt Kine. «Jokowi muss dann handeln, um die diskriminierenden Verordnungen in Aceh ausser Kraft zu setzen, so dass diese ungeheuerlichen Festnahmen ein Ende finden.»

Verschlechterung der Situation für queere Menschen in Indonesien Es ist nicht das erste Mal, dass in Aceh Menschen aufgrund ihrer vermuteten Sexualität festgenommen worden sind. Im Oktober 2015 verhaftete die Scharia-Polizei zwei Frauen mit dem Verdacht, lesbisch zu sein. Die Frauen im Alter von 18 und 19 Jahren hatten sich in der Öffentlichkeit umarmt. Die Polizei hielt sie während drei Nächten fest und nötigte sie angeblich mehrmals, andere LGBT-Menschen anhand von Fotos in den sozialen Medien zu identifizieren.

Die Situation für queere Menschen in Indonesien hat sich im vergangenen Jahr massiv verschlechtert. Schon im Sommer hatte Human Rights Watch gewarnt, die Rechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten seien Angriffen in einem nie dagewesenen Ausmass ausgesetzt. Laut einer Umfrage des Pew Research Center aus dem Jahr 2013 erklärten 93 Prozent der Indonesier, dass man Homosexualität bekämpfen müsste.

Laut Jakarta Post schlug Sozialministerin Khofifah Indar Parawansa im vergangenen Jahr vor, die Zimmertüren in den Wohnheimen von Studenten zu entfernen. Damit solle promiskuitiver und vorehelicher, aber vor allem aber homosexueller Sex verhindert werden. «Nicht nur Männer und Frauen tun es, genau so gefährlich ist es, wenn Männer mit Männern und Frauen mit Frauen schlafen», hiess es zur Begrüdung. Zuvor hatte die Ministerin die LGBTI-Community beschuldigt, es auf vernachlässigte Kinder abgesehen zu haben. Aus Sicht der Politikerin könnten queere Menschen durch emotionales und spirituelles Training geheilt werden.

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