Ein Kuss mit dem Piloten kostete Flight Attendant den Job
Chai Cheng kämpft nun für die Rechte von LGBTIQ-Angestellten
Zwei Angestellte der China Southern Airlines küssten sich in der Freizeit und in Zivilklamotten. Der Flight Attendant verlor die Stelle, der Pilot nicht. Jetzt klagt Chai Cheng wegen missbräuchlicher Kündigung.
Im Oktober 2019 gelangten Bilder einer Überwachungskamera an die Öffentlichkeit, in denen Chai Cheng einen anderen Mann küsste. Das Video verbreitete sich blitzschnell im Netz und wurde millionenfach gesehen, handelt es sich bei den Männern doch um einen Piloten und einen Flight Attendant der staatlichen Fluggesellschaft China Southern Airlines.
Das Management der Fluggesellschaft suspendierte Chai umgehend vom Dienst. Dass die beiden Männer sich in der Freizeit, in Zivilklamotten und in einem Lift eines privaten Gebäudes in Shenzhen küssten, spielte dabei keine Rolle. Der Pilot hingegen arbeitet weiterhin für China Southern Airlines. Ein Vorgesetzter wies Chai darauf hin, dass Homosexualität «gegen sozialistische Grundwerte» verstosse, und bat ihn, sich öffentlich nicht zum Thema zu äussern.
Chai fügte sich, erhielt im April 2020 jedoch die Nachricht, dass man seinen Vertrag nicht verlängern werde. «Sie sagten mir, dass es aus ‹offensichtlichen Gründen› sei», sagt der 29-Jährige gegenüber CNN. «Ich habe jedoch gegen keine Gesetze oder unternehmensinterne Vorschriften verstossen. Vom ausgezeichneten Angestellten, den das Unternehmen mit zügigen Beförderungen belohnte, wurde ich plötzlich zu jemanden, mit dem sie nichts mehr zu tun haben wollten, und das nur wegen meiner sexuellen Orientierung.»
CNN berichtet, dass der Pilot keine Kündigung erhielt, und beruft sich dabei auf interne Quellen. Ein möglicher Grund sei, dass staatliche Fluggesellschaften in China die Ausbildung der Pilot*innen zahlen und diese daher eine grössere Arbeitsplatzsicherheit geniessen. Eine Medienfanfrage von CNN liess China Southern unbeantwortet.
Chai, der seinen Job als Flight Attendant als Traumberuf bezeichnet, bereut den Kuss. In den sozialen Medien gilt er als «der Kabinenjunge der China Southern», nach dem Vorfall hatte er Mühe, einen neuen Job oder eine Beziehung zu finden. Man sehe ihn als «skandalöse» Person. «Manchmal wünsche ich mir, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte. Dann wäre ich nur ein gewöhnlicher Flight Attendant», sagt er. Während seiner fünfjährigen Anstellung bei China Southern sei er stets diskret mit seiner Sexualität umgegangen, um sich seine Karrierechancen nicht zu verspielen.
Die chinesische LGBTIQ-Community feiert den «Kabinenjungen» jedoch als Held, denn Chai geht nun gerichtlich gegen seine ehemalige Arbeitgeberin vor und will seinen Verdienstausfall geltend machen. Obwohl die Klage nicht in direktem Zusammenhang mit LGBTIQ-Diskriminierung stehe, könne ein Sieg vor Gericht den Weg für einen ebensolchen Fall ebnen, sagte Chais Anwältin Zhong Xialu gegenüber den Medien.
«LGBTIQ-Angestellte nehmen oft in Kauf, dass sie ungeoutet bleiben müssen, damit sie am Arbeitsplatz funktionieren und überleben können», sagt sie. «Mit dieser Klage wollen wir ihnen zeigen, dass die Arbeitgeber*innen im Unrecht sind. China Southern ist ein staatseigener Riese. Die Unternehmensentscheidungen stehen für die Einstellung vieler Mainstream-Arbeitgeber*innen.»
Chai hatte einige homophobe Ausdrücke seiner Vorgesetzten aufgenommen, unter anderem die Bezeichnung, Homosexualität sei «abnormal». Der Anwältin Zhang zufolge beteuerte die Fluggesellschaft vor Gericht, dass es sich dabei um eine persönliche Meinung und nicht um die Einstellung der Firma handle.
Homosexuelle Handlungen sind in China zwar legal, gesellschaftlich jedoch verpönt. Seit 2016 gilt in TV, Film und im Internet ein Verbot von «abnormalem sexuellen Verhalten», darunter fallen gemäss der chinesischen Zensurbehörde auch homosexuelle Beziehungen. Immer wieder werden Fälle von LGBTIQ-Personen bekannt, die von ihren Familien zu sogenannten «Konversionstherapien» gezwungen werden (MANNSCHAFT berichtete).
Nach einer Anhörung im November wartet Chai nun auf ein Gerichtsurteil. Mittlerweile ist er nach Peking gezogen und hat eine Stelle im Gesundheitswesen gefunden, obwohl er immer noch von einem Job als Flight Attendant träumt. Er weiss, dass die Klage gegen China Southern einen hohen Preis hat: Keine chinesische Fluggesellschaft wird ihn je wieder anstellen.
«Ich habe eine Karriere aufgegeben, für die ich mich seit meiner Kindheit leidenschaftlich eingesetzt habe», sagt Chai. «Aber ich brauche diesen Kampf. Ob es darum geht, die Gesetze zu verbessern, unsere Rechte zu schützen oder soziale Gleichheit und Offenheit zu fördern – jemand muss ihn vorantreiben.»
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