Costa Rica für alle – Countdown zur Eheöffnung
Karl und Daan geniessen die Natur der «Schweiz Zentralamerikas»
In Sachen Klimaschutz nimmt die Republik Costa Rica international eine Vorreiterrolle ein. Dass der Tropenstaat jetzt auch noch bei der Eheöffnung nachlegt, macht ihn fast unwiderstehlich. Die Reiseblogger Karl und Daan bringen uns die «Schweiz Zentralamerikas» näher.
Ein Lächeln macht sich über seinem Gesicht breit, als Moisés mit leuchtenden Augen «Ja, natürlich! Ja!» in den Abendhimmel hinausruft. Aufgeregt und leicht zitternd hält der 26-jährige Costa-Ricaner die Hand seines Freundes Julio fest umschlossen, als wir ihn fragen, ob er sich das vorstellen kann – heiraten. Wir sitzen zusammen im pink-blauen Neonlicht der queeren Bar «Neon Ice» in San José und geniessen eisgekühltes einheimisches Imperial Bier.
«Im Prinzip fehlt nur noch die Einführung der Ehe für alle, dann wollen wir den gemeinsamen Schritt auch gehen», sagt Julio und grinst. «Wann? Das wird noch nicht verraten!» Der 40-Jährige wirkt entschlossen und verliebt, während er die Hand seines Freundes festdrückt.
Spätestens Anfang 2020 kommt die Eheöffnung Lange müssen sie jedenfalls nicht mehr warten, denn im letzten August hat der oberste Gerichtshof des Landes das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen für verfassungswidrig und diskriminierend erklärt. Die Richter gaben der Regierung 18 Monate Zeit, um das Gesetz zu ändern – sonst erlischt das Verbot automatisch. Das wäre Anfang 2020 der Fall.
Carlos Alvarado Quesada, der junge Präsident Costa Ricas, begrüsste das Urteil und erklärte, er wolle garantieren, dass «niemand wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wird». Der 39-Jährige hatte sich bei den letztjährigen Wahlen gegen den rechtskonservativen und LGBTIQ-feindlichen Konkurrenten Fabricio Alvarado durchgesetzt, mit dem er trotz des gleichen Nachnamens nicht verwandt ist. Das Thema Ehe für alle hatte den Wahlkampf dominiert, nun will Alvarado Quesada seinem Versprechen nachkommen.
Stück für Stück verändert sich die Gesetzeslage in dem sehr jungen Land – jeder Vierte ist unter 25 Jahre alt – zugunsten der queeren Community. Schon jetzt gilt das weitgehend römisch-katholisch geprägte Land als Zufluchtsort für unterdrückte und verfolgte Queers aus den Nachbarstaaten. Darauf sind unsere beiden Freunde Moisés und Julio aus der Hauptstadt San José sichtlich stolz.
Die Schweiz Zentralamerikas Costa Rica wird gerne als die Schweiz Zentralamerikas bezeichnet, etwa wegen der beeindruckenden Berglandschaft und dem relativen Wohlstand im Vergleich zu den anderen Staaten in der Region. Trotz konservativen Traditionen und gesellschaftlichen Ressentiments scheint das Land nun auch in punkto LGBTIQ-Rechte gegenüber der Schweiz rasch aufzuholen. Im aktuellen Spartacus Gay Travel Index 2019 arbeitete sich Costa Rica von Platz 67 auf Rang 47 hoch und überholte europäische Länder wie Kroatien, Griechenland und Ungarn.
Strom fast ausschliesslich aus sauberen Quellen Costa Rica hat für Besucher*innen eine ganze Menge zu bieten, und mit der Reise erfüllen wir uns einen langjährigen Traum. Als Naturliebhaber und Abenteurer können wir es nicht erwarten, die beeindruckende Artenvielfalt in ihrer vollen Pracht zu erleben. Auf den der Küste vorgelagerten Inseln wurden übrigens die «Jurassic Park»-Filme gedreht. Damit das Land so vielfältig bleibt, tauchen Klimaschutz, Naturschutz und Waldschutz hier nicht nur in Sonntagsreden auf. 98 % des Stroms stammen aus sauberen Quellen, vor allem aus Wasserkraft, aber auch aus Windenergie und der Geothermik aus Vulkanen. Etwas mehr als ein Viertel der Landesfläche Costa Ricas stehen unter Naturschutz.
Einer unserer Ausflüge führt uns weit weg von der dicht besiedelten Hauptstadtregion in die Berge, wo Dauerregen und Nebel herrschen. Mit der Regenzeit ist es in dem tropischen Paradies so eine Sache, denn es regnet eigentlich nie den ganzen Tag. Vor allem die Morgen- und Mittagsstunden sind sonnig und angenehm warm. Erst ab dem späten Nachmittag schlägt das Wetter um, mit kräftigen Schauern bis in die Nacht hinein. Ideal also für ganz besonders aufregende Träume!
Vulkan heizt den Quellen ein Unsere Tagestouren führen uns zu den hängenden Brücken hoch oben in den Baumkronen des «Mistico Park»-Regenwaldes mit Blick über den dichten Dschungel und den eher schüchternen Vulkan Arenal, aus dem zuletzt 2010 Lava geflossen ist. Auf dem Rückweg statten wir den heissen Quellen von Tabacón einen Besuch ab. In dem durch die Wärme des Vulkans erhitzten Wassers mitten im Dschungel – die Temperatur der verschiedenen Quellen beträgt zwischen 25 und 50 Grad – gelingt uns das bisher schönste Foto unserer Reisen überhaupt.
Costa Rica und seine Natur sind einfach wie geschaffen für Traumhochzeiten.
Wir gönnen uns einen Abstecher in die berühmten Nebelwälder von Monteverde und schreien uns auf einer aufregenden Zip-Line-Tour durch die Baumkronen des Regenwaldes die Seele aus dem Leib. Und bevor man sich versieht, ist es schon wieder 18 Uhr und stockfinster. Zeit für ein ausgiebiges Abendessen, denn auch das wird in Costa Rica früh serviert.
Ferien unter dem Regenbogen – Willkommen in Österreich!
Ideal für Flitterwochen Costa Rica eignet sich auch ideal zum Nichtstun. Wir verleben unwirklich schöne und entspannte Tage direkt an der Pazifikküste. Fast so, als ob wir bereits auf Hochzeitsreise wären. Lange Spaziergänge an weiten, menschenleeren Stränden wechseln sich ab mit faulen Tagen im privaten Pool unserer kleinen Villa.
Täglich erwarten uns spektakuläre Sonnenuntergänge mit einem glühendem, feuerroten Himmel und tosenden Gewitterstürmen in der Ferne. Einen besseren, schöneren Ort für die Flitterwochen kann man sich kaum vorstellen. Wenn wir wollten, könnten wir direkt mit der Planung unserer Hochzeit beginnen, findet Jeffrey, den wir durch unsere Freunde Julio und Moisés in San José kennen lernen. Er ist Hochzeitsplaner und kann es kaum erwarten, seine erste gleichgeschlechtliche Hochzeit zu organisieren. «Costa Rica und seine Natur sind einfach wie geschaffen für Traumhochzeiten,» schwärmt der junge Mann, durchaus geschäftstüchtig. Er hofft – wohl nicht vollkommen uneigennützig –, dass sich viele Paare dafür entscheiden, ein Zeichen für Liebe und Gleichberechtigung in Zentralamerika zu setzen.
Jeffrey kennt Moisés und Julio schon lange und ist sich sicher, dass der Antrag nicht mehr lange auf sich warten lässt. «Ich werden den beiden ein ganz besonderes Angebot machen, das sie garantiert nicht ausschlagen können!» Wir lachen, während Moisés und Julio sich schweigend angrinsen. Bis 2020 ist es gar nicht mehr lange hin.
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