Zwei Dragqueens auf Titelseite der Zeitung 20 Minuten
Auch heute noch wird die Kunstform Drag häufig mit Transgender verwechselt. Vor falschen Trugschlüssen ist auch die LGBT-Community nicht gefeit. So werden Dragqueens häufig als Menschen gehalten, «die gerne eine Frau wären» oder umgekehrt Transmenschen gefragt, warum sie denn nicht in Drag durch die Stadt spazieren. Freilich hat das eine mit dem anderen nichts oder kaum etwas zu tun.
Eine Dragqueen ist ein Mann, der in künstlerischer oder humoristischer Absicht durch Aussehen und Verhalten eine Frau darstellt. Das weibliche Pendant sind Dragkings. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Dragkings, die sich selbst nicht in einem heteronormativen Kontext als Frau verstehen oder selbst Männer sind, die bestimmte Arten der Männlichkeit, beispielsweise Machismus, überspitzt darstellen.
Drag ist also ein Spiel der Geschlechterrollen oder -Stereotypen. Und die beiden Dragqueens haben sich zu einem weiterem Experiment resp. einer Ausweitung der Grenzen entschieden. Sie haben sich halb Frau, halb Mann fotografieren lassen. Entstanden sind faszinierende und schöne Fotos.
Beide hat das Überwindung gekostet. Normalerweise würden sie sich nicht so präsentieren, würden mehr verdecken, erzählen sie 20 Minuten.
«Viele fragen mich, ob ich nicht lieber eine Frau wäre, stempeln mich ab», erzählt Agyness. Er kläre dann auch, spreche mit den Leuten. Die, die fragen, seien ja immerhin interessiert, lästern hingegen gehe gar nicht. «Aber eigentlich ist mir das egal. Ich finde es wichtig, dass man sich selbst wohlfühlt.» Früher fiel ihm das nicht so leicht. «In der Schule war ich ein Aussenseiter, wurde oft verprügelt», sagt der Stylist. Er habe trotzdem versucht, sein Ding durchzuziehen.
Und Vicky zur Zeitung: «Während der Pubertät spürte ich, dass ich ein schwuler Mann bin.» Mit 18 war alles klar. Vor zwei Jahren entdeckte er Drag für sich wieder. «Ich habe mit 13 eine Seite von mir begraben. Die ist jetzt wieder da.» Vicky sei aber keine andere Person. «Wir sind eins.» Mit dem Wunsch, eine Frau sein zu wollen, habe das aber nichts zu tun. «Es ist eine Kunstform, die Singen, Tanzen und Schauspiel verbindet. Das liebe ich.»
Die Idee zum Shooting stammt von der Zürcher Werberin Sarah Hiltebrand. Sie wollte zeigen, dass Gender nicht einfach aus Mann und Frau besteht. «Mich hat das Thema fasziniert», sagt sie. Es sei nicht leicht gewesen, Agyness und Vicky vom Shooting zu überzeugen. «Aber ich glaube, es ist wichtig, das Thema einmal auf eine andere Art anzugehen.» Der Zürcher Fotograf Tobias Stahel hat Vicky und Agyness inszeniert.
Nur positive Reaktionen Das Massenmedium «20 Minuten» greift damit ein wichtiges Thema auf und findet im Artikel auch den richtigen Ton und die korrekte Wortwahl. Wie die eher konservativen Kommentarschreiberlinge auf den Artikel reagieren, lässt sich nicht herausfinden: die Zeitung hat die Kommentarfunktion gar nicht erst aktiviert. Agyness Champagne zur Mannschaft: «Ich habe sehr viele Nachrichten von Freunden und Bekannten erhalten und bis jetzt, zum Glück, nur positives Reaktionen erfahren.» Auch Vicky freut sich über die vielen Nachrichten: «Es haben sich vor allem auf Instagram Leute bei mir gemeldet, dass sie es toll finden, was wir machen. Einige auch aus der Szene, die uns gratulierten, dieses Thema so gross in die Mainstream-Medien gebracht zu haben.»
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