Moderne Wolkenkratzer aus Glas und Stahl, historische Gebäude rund um Queens West und Chinatown sowie eine lebendige Gay Village – die grösste kanadische Stadt Toronto weiss zu begeistern, auch das deutsch-niederländische Paar Karl und Daan.

Es ist unsere dritte Reise in das wohl schwulenfreundlichste Land der Welt. (Die Nationalhymne Kanadas ist jetzt geschlechtsneutral). Im Frühjahr verbringen wir zehn Tage in der Provinz Ontario, um dort ihre schönsten, aufregendsten und interessantesten Seiten zu entdecken.

Bei unserer Ankunft ist das Wetter frühlingshaft mild, die Sonne blinzelt durch die Wolkenkratzer-­schluchten. Kurzerhand entscheiden wir uns, zum Hotel zu laufen und nicht mit dem Taxi zu fahren. Dabei bahnen wir unseren Weg durch das geschäftige Treiben der Businessmenschen vorbei an den XXL-­Autos, die hupend im Verkehr feststecken, zum alten Rathaus, das ein bisschen verloren neben den modernen Häuserriesen und dem berühmten Toronto-­Schriftzug am Nathan-Philips-Square steht.

Auch wenn das Hotelbett beim Einchecken verführerisch aussieht und wir so langsam den Jetlag spüren, entscheiden wir uns, mit einem «Coffee to go» und der Kamera ausgerüstet eine erste Tour zu machen.

Eine Stadt mit vielen Gesichtern Toronto ist nicht nur die grösste Stadt Kanadas, sondern gilt auch als eines der führenden Wirtschafts- und Finanzzentren weltweit. Das konnten wir besonders in der geschäftigen Downtown hautnah miterleben. Die Einkaufsstrasse rund um den Yonge-­Dundas-Square – auch kleiner Times Square von Toronto genannt – zeugt ebenfalls von der Kaufkraft und Finanzstärke der Stadt. Überall wird gebaut und vor allem rund um das Zentrum und entlang der Yonge und der Church Street entstehen neue Gebäude und Wolkenkratzer. Wir wollten uns von der Ausdehnung der Stadt von oben überzeugen und staunten nicht schlecht: Auf der durch Gitter gesicherten Aussichtsplattform des 553 Meter hohen Canadian National Tower (CN) sieht man Richtung Norden über Siedlungen, grüne Parks und Wälder hinweg, gegen Süden wird man sich der endlosen Weite des Ontariosees bewusst.

Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings Vom Toronto-Schriftzug aus in westlicher Richtung erstreckt sich die Queens Street West, kurz auch Queens West genannt. Dieser ältere Teil der Stadt gilt heute als das alternative und kreative Zentrum Toron­tos. Nach nur wenigen Minuten zu Fuss erreichen wir Chinatown mit allerlei Restaurants, Ständen und Märkten, die bunter nicht sein könnten. Von hier aus sind es nur noch ein paar Schritte zur Graffiti-Alley mit ihren zahlreichen Kunstwerken bekannter und weniger bekannter nationaler und internationaler Streetart-Künstler*innen. Wir verabredeten uns mit ein paar Einheimischen im Trinity-Bellwoods-Park auf ein Glas Wein, um die ersten, schon sehnsüchtig erwarteten Sonnenstrahlen des Frühlings zu feiern. Hier fällt es uns leicht, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und die neuesten Insidertipps für das kommende Wochenende zu erfahren. Wir fühlen uns sicher, akzeptiert und frei. Bis auf wenige Ausnahmen in den Aussenbezirken, wo wir unsere Hände vorsichtshalber loslassen, ist Toronto für uns eine internationale, gast- und schwulenfreundliche Stadt.

Zebrastreifen in Regenbogenfarben Natürlich darf ein Besuch in The Village nicht fehlen, und das nicht nur wegen der Regenbogen-Zebrastreifen. Das Church-Wesley-Village gilt als Zuhause der LGBTIQ-Community Torontos und auch heute noch als Anlaufstelle für queere Menschen aus der ganzen Welt. Hier findet etwa der schwule Drag-Sonntagsbrunch im Buchladen «Glad Day» statt. Während eines solchen Brunches treffen wir den Schriftsteller Steven Bereznai. Von ihm erfahren wir, dass seine schwulenfreundliche Heimatstadt – wie so viele Städte weltweit – mit dem Sterben von bekannten und traditionsreichen Schwulenbars und -clubs zu kämpfen hat.

«Viele der schwulen Clubs sind aufgrund zahlreicher Neubauten geschlossen oder weil sich das Publikum vermehrt online trifft», erzählt Steven, während eine der hiesigen Dragqueens einen Spagat auf das Parkett hinlegt. Der Autor wirkt aber keineswegs pessimistisch, denn die alteingesessenen Clubs und Bars der Schwulenszene gehen neue Wege, um am Leben zu bleiben, etwa mit Videospielabenden oder mit «Drag Race»-Events. Steven ist überzeugt: «Das Bedürfnis von LGBTIQ-­Menschen nach solchen Räumen ist immer noch da, wenn auch nicht mehr so stark wie früher.»

Er scheint recht zu haben, denn in Torontos Schwulenviertel gibt es immer noch jede Menge zu sehen, zu shoppen oder mitzusingen. Neben zahlreichen Shops und Einkaufsmöglichkeiten für den modernen schwulen Mann, sind hier viele der Bars, Cafés und Clubs vor allem am Wochenende bestens besucht.

Ausflug zu den Niagarafällen Wer noch ein bisschen mehr Zeit hat, darf sich einen Ausflug zu den Niagarafällen nicht entgehen lassen. Mit einer der regelmässig verkehrenden Buslinien benötigt man zirka drei Stunden von Toronto Downtown bis zur kanadischen Stadt Niagara Falls in Ontario. Die Niagararegion – bestehend aus der US-amerikanischen und der kanadischen Seite der Wasserfälle – zählt mit über 18 Millionen Besucher*innen zu den beliebtesten Touristenattraktionen in ganz Nordamerika. Wenn wir schon einmal hier sind, dann machen wir auch das volle Programm: Zip-Lining entlang des Niagara­flusses, eine Bootstour zu den kanadischen Horseshoe-Fällen, eine Fahrt hinter die Wasserfälle und als krönender Abschluss ein zehnminütiger Helikopterflug über das Tal und die rauschenden Wassermassen, die nachts in bunten Farben angestrahlt werden.

Zurück in der kanadischen Metropole steht dann nur noch eine Sache auf unserer Bucket List: eine Bootsfahrt zu den Toronto Islands. Diese der Stadt vorgelagerten Inseln im Ontariosee sind von Downtown aus ganz einfach mit der Fähre zu erreichen. Auch wenn es für den schwulen FKK-Strand im April noch zu kühl ist, erleben wir hier einen wirklich einmaligen Blick auf die beleuchtete Skyline von Toronto.

Kanada, wir haben uns erneut in dich verliebt!

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