Ein Künstlerleben im schwulen New York der wilden Sechziger
«Ich erinnere mich» regt zum eigenen Erinnern an
Diese neuen Bücher finden wir wichtig und inspirierend: «Ich – die Autobiografie» von Elton John und ein schwuler Roman von Marlon James: «Schwarzer Leopard, roter Wolf». «Ich erinnere mich» von Joe Brainard stellen wir Euch ausführlicher vor:
Der erste Satz Ich erinnere mich an meine erste Zigarette. Es war eine Kent. Auf einem Hügel. In Tulsa, Oklahoma. Mit Ron Padgett.
Das Genre «Memoiren». Man könnte auch «Autobiografie» sagen. Beides stimmt, und beides ist falsch. «Ich erinnere mich» ist ein «Ich erinnere mich». Brainard hat sie erfunden, diese Literaturgattung. Sie hat Nachahmer gefunden, die bis heute allesamt gescheitert sind.
Die Handlung Ein Leben. Brainard, 1942 geboren, starb 1994 an den Folgen von AIDS. «Ich erinnere mich» ist erstmals 1970 erschienen. Kindheit in Tulsa, Oklahoma. Dann ein «Künstlerleben» (als Zeichner, Maler und Schriftsteller) im schwulen New York der wilden Sechziger. Das Prinzip: Brainard erinnert sich. Knapp 1500 Mal sagt er «Ich erinnere mich…», kaum eines der Erinnerungsfragmente ist länger als vier Zeilen. Die meisten sind nur ein Satz à la «Ich erinnere mich, dass ich mir einen runterholte und dabei an bestimmte Körperteile dachte».
Das Urteil Erst schüttelt man den Kopf, fragt sich, was das soll. Dann ertappt man sich bei einem leisen Grinsen oder Erstaunen. Fängt man an, sich selber zu «erinnern». Und dann ist man verliebt in dieses Buch.
«Brainards Gedankenkosmos ist nicht nur seine eigene Biografie, es ist die Biografie von uns allen», sagt ein Rezensent, und das ist das Geheimnis dieses Wunderwerks: Da nimmt jemand sein Leben, seine «ganzen Erinnerungen» und zermörsert sie zu winzigen Bruchstücken. Und sammelt dann, scheinbar wahllos, unter einem Mikroskop das eine oder andere dieser Splitterchen wieder auf. Und siehe da: Diese geschredderten und dann wieder zusammengesetzten Erinnerungen ergeben, wie es Siri Hustvedt wunderbar formulierte, eine «Gedächtnismaschine», die uns nicht nur erzählt, wer Joe Brainard war, sondern auch dazu führt, dass die Lesendne sich fragen, wer sie selbst denn sind. Normalerweise sind Bücher, die das bewirken wollen, esoterischer Unfug. Bei Brainard ist es anarchischer Spass. Wirkt aber trotzdem!
Memoiren, 185 Seiten, Walde & Graf, Neuauflage 2019.
Thomas Ott von der Stuttgarter Buchhandlung Erlkönig hat «Ich erinnere mich» für uns gelesen.
«Ich – die Autobiografie» von Elton John
Er ist Musikgenie, Paradiesvogel und einer der erfolgreichsten Künstler aller Zeiten. «Your Song», «Tiny Dancer» und «Candle in the Wind» sind nur einige von unzähligen Hits seiner beispiellosen Karriere. Erstmals erzählt Poplegende Elton John jetzt die Geschichte seines wechselhaften und turbulenten Lebens.
Von seinen Anfängen als Musikstudent und seinem Coming-out, vom Höhepunkt seiner Karriere in den Siebzigerjahren, von seiner Freundschaft zu John Lennon und Prinzessin Diana sowie von seiner jahrelangen Drogensucht und vom lang ersehnten persönlichen Glück – schonungslos offen und ehrlich blickt Sir Elton John, der derzeit «Der Teufel trägt Prada» zu einem Bühnenmusical macht (MANNSCHAFT berichtete), zurück auf ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte.
Autobiografie, 496 Seiten, Heyne.
Sucher, ein Jäger mit einem ausgeprägten Geruchssinn, wird vor seine schwierigste Aufgabe gestellt. Er muss einen Jungen aufspüren, der vor drei Jahren spurlos verschwand. Seine Fährte führt ihn durch Wälder und Städte, zu Gestaltwandlern, Ausgestossenen und Hexen, darunter auch ein Soldat, der nach Myrrhe riecht und sich sexuell zu Sucher hingezogen fühlt. Gleichzeitig setzen sich politische Unruhen in Bewegung. Kann der Jäger den Jungen retten und die Welten wieder in Einklang bringen?
Marlon James, Träger des Booker Prize, legt mit «Schwarzer Leopard, roter Wolf» den Auftakt zu einer Trilogie vor, die afrikanische Mythen zu einem gewaltigen Fantasyepos verflicht.
Fantasy, 832 Seiten, Heyne.
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