LSVD kritisiert Abschiebung eines schwulen Geflüchteten
Das zuständige Verwaltungsgericht habe die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs unterlaufen
Der LSVD kritisiert die Abschiebung eines schwulen Geflüchteten in einen Verfolgerstaat mit Todesstrafe für Homosexualität – dies sei «skandalös». Innenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse die europarechtswidrige Entscheidungspraxis im BAMF endlich stoppen und den Betroffenen in Sicherheit bringen.
Zwar wurde dem schwulen Geflüchteten A. seine Homosexualität geglaubt, das zuständige Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hätten aber befunden, dass ihm das Geheimhalten seiner sexuellen Orientierung zuzumuten sei. A. sei es angeblich nicht hinreichend wichtig, seine Homosexualität öffentlich auszuleben, legt der LSVD in einer Pressemitteilung die Haltung der Behörden dar. Um den Mann zu schützen, hält der LSVD das Herkunftsland und das konkrete Verwaltungsgericht geheim.
Trotz Intervention des LSVD beim BAMF und im Bundesinnenministerium wurde A. nun in sein Herkunftsland abgeschoben. Homosexualität kann dort mit der Todesstrafe bestraft werden. Der langjährige Partner von A. darf aufgrund von zuerkannten Abschiebehindernissen hingegen vorläufig in Deutschland bleiben. Patrick Dörr, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD nannte es «skandalös, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Innenministerium an der europarechtswidrigen Abschiebung von A. festhielten».
Europarechtswidrige «Diskretionsgebot» im BAMF muss gestoppt werden Sollte der Mann nun schwulenfeindliche Verfolgung in seinem Herkunftsland erfahren, trügen BAMF und Bundesinnenministerium hieran eine Mitschuld. Der LSVD fordert die Bundesregierung auf, Massnahmen zu ergreifen, um den Mann in Sicherheit zu bringen und das Paar wieder zusammenzuführen. Innenministerin Faeser müsse das Festhalten an dem europarechtswidrigen «Diskretionsgebot» im BAMF endlich stoppen. Indem die Bundesregierung an der Abschiebung queerer Geflüchteter in schlimmste LGBTIQ-Verfolgerstaaten festhalte, trete sie den erklärten queerpolitischen Aufbruch mit Füssen.
«Dem Bundesamt und vielen deutschen Verwaltungsgerichten scheint es weiterhin ein grosses Anliegen zu sein, LGBTIQ in Verfolgerstaaten abschieben zu können», so der LSVD. «Sie finden immer wieder windige Argumentationen, um die Vorgaben des höchsten EU-Gerichts zu unterlaufen.» Dabei habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2013 gegen das «Diskretionsgebot» entschieden: Bei der Beurteilung von Asylanträgen dürfe nicht erwartet werden, dass Antragstellende ihre sexuelle Orientierung im Herkunftsland verheimlichen oder Zurückhaltung beim Ausleben üben.
Der vorliegende Fall zeige deutlich, wie absurd und willkürlich die Praxis von BAMF und manchen Gerichten sei. Im Fall von A. habe das Verwaltungsgericht eindeutig die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs unterlaufen. Dabei haben die Verwaltungsgerichte Braunschweig und Leipzig bereits diese europarechtswidrige Praxis des BAMF angeprangert und klargestellt, dass eine Geheimhaltung der sexuellen Orientierung weder zugemutet noch prognostiziert werden darf. Trotzdem hält das Bundesamt auch in seinem Entscheiderbrief von Dezember 2021 an der Möglichkeit fest, Asylanträge queerer Geflüchteter abzulehnen, wenn diese aus einem «eigenen, freien Willen» ein Doppelleben führen wollten.
Im Fall von A. hatte das zuständige Verwaltungsgericht wiederholt argumentiert, dass A. zwar schwul sei, er aber das öffentliche Ausleben seiner Homosexualität nicht hinreichend wichtig fände – anders als sein Partner. Ihm wäre somit das Geheimhalten seiner sexuellen Orientierung bei einer Rückkehr ins Herkunftsland zuzumuten, seinem Partner hingegen nicht. Das Gericht hatte sich hier auf Aussagen gestützt, die von den beiden getroffen wurden, als das schwule Paar in einer Flüchtlingssammelunterkunft untergebracht war, wo sie – man muss sagen aus gutem Grund – Angst vor einem Coming-out hatten. Laut EuGH ist es allerdings ohnehin vollkommen irrelevant für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ob jemand in seinem Herkunftsland ungeoutet leben möchte oder nicht.
Immer wieder kritisiert der LSVD die Praxis des BAMF. So würden Asylanträge von LGBTIQ-Geflüchteten abgelehnt, ohne sich ausreichend mit den entsprechenden Herkunftsländern auseinanderzusetzen (MANNSCHAFT berichtete). In einem Fall gab das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde eines schwulen Mannes aus Pakistan statt, der vom BAMF abgelehnt worden war (MANNSCHAFT berichtete).
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