Gendern an Schulen? Lehrerverband und Gewerkschaft uneins
Das Thema ist über Diskussionen am Küchentisch hinaus. Inzwischen beschäftigen sich auch Gerichte damit, ob in bestimmten Bereichen gegendert werden soll oder nicht. Im sensiblen Umfeld Schule gibt es unterschiedliche Vorstellungen dazu.
Von Jörg Ratzsch, dpa
«Schüler_innen», «Schüler*innen», Schüler:innen» – sollen solche Formen, die nach Ansicht der Befürworter alle Menschen besser sichtbar machen, von Lehrkräften im Unterricht verwendet werden oder nicht? Ein Fall in Berlin lenkt den Blick wieder auf das Thema. Bildungsgewerkschaften und Lehrerverband vertreten dazu unterschiedliche Ansichten. Bundeseinheitliche Vorgaben gibt es bisher nicht.
Der Deutsche Lehrerverband lehnt das sogenannte Gendern durch Lehrer*innen ab. Lehrkräfte sollten sich im Unterricht «an das amtliche Regelwerk halten und nicht vorgesehene Schreibungen unterlassen», sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der Deutschen Presse-Agentur. Bei Schüler*innen sollten sie allerdings «tolerant und zurückhaltend» sein, wenn diese in Aufsätzen und Klausuren «nichtamtliche Genderschreibweisen» verwendeten, fügte er hinzu.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) steht dem Gendern auch durch Lehrkräfte offen gegenüber: «Sprache befindet sich in einem ständigen Wandel. Das muss sich auch im schulischen Unterricht abbilden können», sagte die Vorsitzende Maike Finnern.
Aktueller Hintergrund ist ein Fall in Berlin: Ein Vater war mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gescheitert und will nun nach Angaben des Vereins Deutsche Sprache, der ihn unterstützt, eine Instanz höher vor das Oberverwaltungsgericht ziehen (MANNSCHAFT berichtete). Dem Gericht lag der Fall am Donnerstag allerdings noch nicht vor, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Der Vater wendet sich dagegen, dass Lehrkräfte an der Schule seiner Töchter teils beim Sprechen Pausen lassen – etwa bei dem Wort «Lehrer-innen». Teils würden auch Sternchen oder ein sogenanntes Binnen-I in Mails an Eltern oder in der schulischen Aufgabenstellung verwendet.
Die GEW begrüsste die Gerichtsentscheidung. Das Verwaltungsgericht habe «klar gemacht, dass bei einer Verwendung gendersensibler Sprache von Lehrkräften nicht zu erkennen sei, dass hierdurch das elterliche Erziehungsrecht verletzt werde. Dieser Begründung schliessen wir uns an», sagte Finnern. Die GEW verwendet in der Kommunikation mit ihren Mitgliedern selbst das sogenannte Gender-Sternchen.
Für die amtliche Rechtschreibung ist der Rat für Deutsche Rechtschreibung zuständig. Ihm gehören Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Das Gremium hat laut seinem Statut die Aufgabe «die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (…) weiterzuentwickeln».
Der Rat hatte in seiner letzten, zwei Jahre alten Stellungnahme die Aufnahme von Gender-Stern, Unterstrich, Doppelpunkt «oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das amtliche Regelwerk» nicht empfohlen.
Darauf verweisen manche Bundesländer, wenn es zum Thema Gendern an ihren Schulen kommt. Andere gehen weiter:
– Sachsen hatte etwa 2021 angewiesen, entsprechende Zeichen im Schulbereich und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden.
– Schleswig-Holstein hatte verfügt, Sternchen, Binnen-I oder ähnliche Schreibweisen in Prüfungen als Fehler zu werten.
– In Baden-Württemberg gibt es laut Kultusministerium in den Beurteilungs- und Korrekturrichtlinien für Abschlussprüfungen keine Vorgaben zum Thema. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und auch der Landesverband der Bildungsgewerkschaft VBE sind aber gegen Gendern im Klassenzimmer.
– In Niedersachsen vertritt die Landesregierung die Ansicht, gegenderte Schreibweisen sollten in Prüfungen nicht als Fehler gewertet, aber auch nicht vorgeschrieben werden.
– Bayern verweist für den Unterricht auf die amtliche Rechtschreibung und auf die mögliche Nutzung von «Paarformen» wie «Schülerinnen und Schüler». Im öffentlichen Schriftverkehr, also zum Beispiel mit Eltern, trügen die Schulen aber «im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit (…) für die Einhaltung sprachlicher Normen selbst Verantwortung».
Der Verein Deutsche Sprache kritisierte einen «Wildwuchs». Wenn ein Kind von einem in ein anderes Bundesland ziehe, müsse es sich auf eine verbindliche Rechtschreibung verlassen können. Lehrerpräsident Meidinger forderte, Schule solle ein neutraler Ort sein. Es sei nicht auszuschliessen, dass durch demonstrative Verwendung von nichtamtlichen Genderschreibweisen bei Schülern ein Anpassungsdruck entstehe. Meidinger sprach sich aber dafür aus, im Unterricht zu thematisieren, «wie gendergerechte Sprache aussehen kann und soll».
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