Bunt gegen Hass – CSD in Stuttgart, Mainz und Chemnitz
Wieder griffen offenbar Sympathisanten aus dem linken Spektrum die Polizei an
Fröhlich und bunt, doch das Anliegen ist ernst: Der CSD in Stuttgart richtet seinen Fokus auf queerfeindliche Übergriffe. Zehntausende waren bei dem Spektakel dabei. Der Versammlungsleiter wurde leicht verletzt.
Mit der traditionellen Parade zum Christopher Street Day haben am Samstag in Stuttgart Zehntausende für Gleichstellung und Akzeptanz demonstriert. Unter dem Motto «Nicht mit uns! Gemeinsam sicher und stark.» richtete sich der Fokus dieses Jahr gegen queerfeindliche Übergriffe und Hasskriminalität. Die Polizei ging von rund 40’0000 Teilnehmer*innen aus. Etwa 400 000 Menschen hätten die Aufzugsstrecke gesäumt, teilten die Beamten am späten Abend mit. Bis Sonntag erwarteten die Veranstalter*innen bis zu 500’000 Besucher*innen.
Wie die Polizei am Nachmittag auf Twitter mitteilte, hat auf dem Schlossplatz eine Gruppierung aus dem linken Spektrum – teils vermummt – einen als Bühne vorgesehenen Lastwagen blockiert und die Abschlusskundgebung gestört. Als der Versammlungsleiter sie ansprach, sei er angegriffen und leicht verletzt worden, teilte die Polizei am Abend mit. Einsatzkräfte hätten die Personengruppe dann abgedrängt.
«Unsere Kollegen haben etwa 50 Personen dieser Gruppierung an den Rand des Schlossplatzes begleitet. Die Personen werden kontrolliert», hiess es. Sympathisanten aus dem linken Spektrum hätten die Polizei auf dem Weg vom Schlossplatz zum Innenhof des Neuen Schlosses angegriffen. Eine 26-Jährige, die im Verdacht steht, einen Polizisten leicht verletzt zu haben, wurde demnach festgenommen – kam aber später wieder auf freien Fuss. (Auch zuvor beim CSD in Frankfurt war die Polizei angegriffen worden – MANNSCHAFT berichtete)
Wegen des CSD kam es laut Polizei zu Verkehrsbehinderungen rund um den Cityring. Teilweise waren Strecken und Zufahrten gesperrt, einige Parkhäuser konnten nur eingeschränkt angefahren werden. Der Verkehr wurde teils umgeleitet. Auch mehrere Buslinien in der Innenstadt waren durch die Strassensperrungen eingeschränkt.
Nach Veranstalterangaben nahmen rund 130 Formationen an der Demo teil. Für das ganze Wochenende war Programm geplant, darunter am Samstagabend eine Kundgebung am Stuttgarter Schlossplatz.
«Auch wenn queere Menschen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein scheinen und viel Unterstützung spüren, beobachten wir einen deutlichen Anstieg queerfeindlicher Übergriffe und aggressiver Stimmungen …», so die Veranstalter auf ihrer Homepage. Nach fast jedem CSD in einer deutschen Stadt seien Teilnehmende attackiert oder schwer verletzt worden (MANNSCHAFT berichtete).
«Nicht ohne uns!» – mit dieser Zielsetzung hat sich in Stuttgart eine neue interkulturelle Allianz gebildet, die sich gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einsetzt. Dabei sind die türkische Gemeinde in Baden-Württemberg und die jüdische Studierendenunion Württemberg sowie der liberal-islamische Bund. Auch sie nahmen an der CSD-Parade teil.
Nicht nur in der Landeshauptstadt wurde demonstriert und gefeiert. Mit der sogenannten Dorfpride soll der CSD auch in ländliche Regionen geholt werden, die eher für konservative Lebensstile stehen. Die diesjährige Dorfpride stand in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) auf dem Plan.
Auf der linken Plattform «Indymedia» hiess es, der CSD in Stuttgart stehe nicht mehr in dieser Tradition, bei der sich «Massen an queeren Menschen gegen die alltägliche Unterdrückung durch Polizei und Gesellschaft wehrten». Er sei stattdessen «eine kommerzialisierte Party, bei der sich bürgerliche Parteien, Unternehmen und sogar die Polizei immer wieder selbst darstellen. Der CSD dient dazu, die bürgerliche Demokratie zu schmücken, ohne dabei aber die extreme Gewalt systematisch anzugehen, der queere Menschen auch heute noch ausgesetzt sind.»
In Mainz sind am Samstag laut Polizei rund 5000 Menschen durch die Innenstadt gezogen. Am Rheinufer war am Abend noch ein Strassenfest der homosexuellen und queeren Community geplant. Der CSD, der in Mainz traditionell auch «Sommerschwüle» heisst, umfasst eine ganze Reihe an Veranstaltungen im Juni, von Workshops über einen Gottesdienst bis hin zu einer Stadtführung, und endet am Sonntag.
Die Demo verlief friedlich, sagte ein Polizeisprecher. Der Mainzer CSD stand in diesem Jahr unter der Überschrift «Queerfeindlichkeit tötet». Die Zahl der Angriffe auf die Rechte von queeren Menschen steige, sagte Philipp Gresch, Vorsitzender des veranstaltenden Vereins Schwuguntia. Die Community fühle sich zunehmend unsicher.
Dem solle entgegengewirkt werden, verbunden mit konkreten Forderungen an die Politik in Stadt, Land und Bund. Diese reichten von dem Wunsch, die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität als Schutzmerkmale vor Diskriminierung in das Grundgesetz aufzunehmen bis hin zur Forderung des Ausbaus der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ der Stadt Mainz.
Der Queerbeauftragte der Landesregierung, Janosch Littig (Grüne), sagte laut Mitteilung: «Überall dort, wo reaktionäre Kräfte agieren, werden queere Menschen diskriminiert und in ihren Rechten eingeschränkt. Sie werden ausgegrenzt und erfahren Gewalt.» In manchen Ländern seien sie auch heute noch von der Todesstrafe bedroht. «Es ist daher notwendig, dass wir uns weiterhin für die Achtung der Menschenrechte von LGBTIQ* einsetzen – hier bei uns in Rheinland-Pfalz, in Deutschland und weltweit», sagte er.
Und auch in Chemnitz haben Menschen am Samstag für Respekt und Akzeptanz demonstriert. Dem Zug durch die Innenstadt mit lauter Musik schlossen sich nach Angaben der Organisatoren mehrere Hundert Menschen an. Mit Fahnen, Plakaten und Transparenten wandten sie sich gegen Hass, Hetze und Gewalt gegen LGBTIQ.
Bis auf eine Gruppe Jugendliche, die unterwegs an einem Platz mit einer Flagge sowie Symbolen und Gesten Unmut gegenüber der Demonstration zeigten, blieb es den Angaben zufolge friedlich.
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