Toni Kroos prangert Verfolgung von Homosexualität in Katar an
Der Ex-Weltmeister fordert weitere Protestaktionen
Toni Kroos will den Protest gegen Katar bei der WM fortsetzen. Als einen der Gründe nennt der Fussballstar nun explizit die Homophobie im Emirat am Persischen Golf. Von einem Boykott hält er jedoch weiterhin nichts.
Die Kritik der Fussballstars an WM-Gastgeber Katar wird zunehmend schärfer. Und jetzt macht sich Toni Kroos mit klaren Forderungen zum Wortführer. In bislang nicht gekannter Deutlichkeit monierte der Mittelfeldstar von Real Madrid die Vergabe der Endrunde an den Golf und sprach sich für Protestaktionen auch während des Turniers in der Adventszeit 2022 aus. Ein Boykott der 52 WM-Spiele werde die Probleme wie mangelhafte Arbeitsbedingungen und Homophobie im Emirat wohl nicht lösen, meinte der 101-fache Nationalspieler. Die Zeit zum Handeln sieht der Weltmeister von 2014 dennoch gekommen.
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Kritik an Vergabe «Ich glaube eher, dass es wichtig ist, auf die Probleme noch mal extrem aufmerksam zu machen, ja vielleicht auch im Vorfeld oder auch während so einem Turnier, so dass sich vielleicht daraus was verbessern kann», sagte Kroos in der neuesten Auflage des gemeinsamen wöchentlichen Podcasts «Einfach mal Luppen» mit seinem Bruder Felix.
Toni Kroos bezeichnete die von Korruptionsvorwürfen massiv belastete WM-Vergabe durch das damalige FIFA-Exekutivkomitee um Ex-Präsident Joseph Blatter, Franz Beckenbauer und den bekennenden Katar-Wähler Michel Platini im Jahr 2010 als grundsätzlichen Fehler. «Dass dieses Turnier dahin gegeben worden ist, das halte ich für falsch», sagte der 31-Jährige. Die Boykott-Frage werde «eigentlich auch viel zu spät diskutiert», bemerkte er. Katar sei ausserdem «kein Fussball-Land in dem Sinne», wo es «logisch ist, dass es eine WM gibt».
In einem mehrere Minuten dauernden Monolog zählte Kroos die aus seiner Sicht schlimmen Arbeitsbedingungen nicht nur auf WM-Baustellen auf und sprach davon, dass viele «einfach so ein pausenloses Arbeiten haben bei teilweise 50 Grad Hitze». Sie würden «da einfach auch unter mangelnder Ernährung leiden, fehlendes Trinkwasser, was gerade bei den Temperaturen ein Wahnsinn ist», schilderte Kroos und prangerte eine «gewisse Gewalt» an, die «an den Arbeitenden ausgeführt wird».
Immer mehr Proteste Zuletzt hatten die deutschen Nationalspieler wie ihre Kollegen aus Norwegen, Dänemark und den Niederlanden bei Qualifikationsspielen mit Protestaktionen die Einhaltung von Menschenrechten gefordert und damit auch die Bedingungen in Katar kritisiert. Am Dienstagabend reihten sich die belgischen Fussballer in die Protestserie ein.
Die DFB-Stars planten laut Verteidiger Robin Gosens für die Partie am Mittwochabend gegen Nordmazedonien die dritte Aktion nach ihren jüngsten Menschenrechtsbekundungen per T-Shirt-Slogan und Trikotbotschaft gegen Island und in Rumänien. «Es gibt nach wie vor Nachholbedarf. Ich glaube, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind, und da müssen wir eine gewisse Nachhaltigkeit reinbringen», sagte Bergamo-Profi Gosens im NDR2-Bundesligashow-Podcast.
Probleme «beim Namen nennen» Toni Kroos fehlt der DFB-Elf aktuell wegen einer Verletzung. Ob er im kommenden Jahr bei der WM überhaupt noch dabei sein wird, ist fraglich. Mit der Thematik beschäftigt hat er sich aber nach der Abreise aus dem Teamhotel in Düsseldorf. Das eine seien die Arbeitsbedingungen, diese müsse man «beim Namen nennen», forderte Kroos. «Aber es gibt ja auch den einen oder anderen Punkt, sage ich mal, es gibt ja nach wie vor beispielsweise, dass Homosexualität in Katar unter Strafe steht und auch verfolgt wird.»
Die nicht mehr verstummende Kritik durch die Profis bringt den Fussball-Weltverband so langsam in die Bredouille. Die nach ihren Regularien verbotenen politischen Äusserungen hat die FIFA bislang ohne Androhung von Sanktionen hingenommen, wohlwissend, dass Strafen das Thema noch weiter anheizen und das WM-Hochglanzprodukt derzeit nur noch mehr beschädigen würden.
«Die FIFA glaubt an die Meinungsfreiheit und an die Kraft des Fussballs, den positiven Wandel voranzutreiben», hiess es aus Zürich. Kritische Statements gegen den Gastgeber während des Turniers, wie von Kroos nun gefordert, wären aber ein Tabubruch und ein Gesichtsverlust, den der Weltverband kaum akzeptieren könnte.
Boykott helfe niemandem Nach Recherchen des «Guardian» sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 6500 Arbeiter aus fünf asiatischen Ländern in dem reichen Emirat gestorben. Katars Regierung erklärte, dass sie mit Reformen die Lage der Arbeiter deutlich verbessert habe. Auch die FIFA weist regelmässig auf Verbesserungen für die Arbeiter hin.
Bundestrainer Joachim Löw hatte wie DFB-Präsident Fritz Keller das Engagement der Nationalspieler gelobt. Einen WM-Boykott hält der im Sommer scheidende Chefcoach aber wie Kroos für nicht zielführend. «Ein Boykott hilft niemandem. Man kann mit so einem Turnier Aufmerksamkeit in der ganzen Welt erzeugen und Dinge in die richtige Richtung bringen», sagte Löw. So sieht es auch sein Führungsspieler Kroos: «Was man allgemein sagen kann, und das ist auch wichtig, dass der Fussball natürlich auf die Probleme aufmerksam machen muss, auch mit der Reichweite und auch immer wieder.»
In einer Spiegel-Umfrage hat sich allerdings eine deutliche Mehrheit gegen die Austragung der Fussball-WM 2022 in Katar und für einen Endrunden-Boykott des Deutschen Fussball-Bundes ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).
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