Paukenschlag auf Synodalem Weg – Bischöfe lassen Grundtext scheitern
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) musste um Fassung ringen
Stressbällchen mit Heiligenschein sind die Antwort der deutschen Katholiken auf den Bannstrahl aus Rom: Trotz harscher Kritik des Vatikans setzen sie ihren Reformkurs fort. Doch schon am ersten Tag herrscht bittere Enttäuschung über die deutschen Bischöfe.
Von Christoph Driessen und Eva Krafczyk, dpa
Trotz Kritik aus dem Vatikan (MANNSCHAFT berichtete) wollten die deutschen Katholik*innen ihren Reformprozess Synodaler Weg fortsetzen. In der Frankfurter Messe trat am Donnerstag zum vierten Mal die Synodalversammlung aus Bischöfen, Priestern, kirchlichen Mitarbeiter*innen und zahlreichen Laienvertreter*innen zusammen.
«Wir müssen uns bewegen», forderte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. In den Gemeinden spüre er den «unendlich grossen Veränderungsdruck».
Stunden später herrschten Fassungslosigkeit, gewaltige Enttäuschung, Tränen flossen: ein grundlegender Text zur kirchlichen Sexualmoral scheiterte bei der Abstimmung an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe.
Der Text, der eine Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral anstrebte, stiess zwar in der allgemeinen Abstimmung auf 82 Prozent Zustimmung. Aber nur 33 Bischöfe stimmten für den Text bei 21 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Besonders enttäuschend für Bätzing: in der Debatte war dieses Ergebnis nicht absehbar gewesen. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, rang um Fassung. Wenn sich ein solches Abstimmungsverhalten beim Text über die Rolle der Frauen wiederhole, «stehen wir vor einem Scherbenhaufen», sagte sie. «Ich erwarte von den Bischöfen mit ihrer Macht, dass sie zu ihrer Meinung offen stehen.»
Scharfe Worte Bei einer Krisenaussprache fielen scharfe Worte – eine Delegierte warf den Bischöfen Feigheit vor. «Es kann doch nicht sein, dass die Gläubigen bei den Bischöfen bleiben müssen, aber die Bischöfe bleiben nicht bei uns!», rief die Ordensschwester Katharina Kluitmann.
Die Benediktinerin Philippa Rath sagte, sie fürchte, dass sich die Spaltung zwischen Gläubigen und Bischöfen angesichts solchen Verhaltens vertiefen werde. Ein anderer Delegierter sprach von «einer eigenen Form apostolischen Machtmissbrauchs.» Neben Fassungslosigkeit und Enttäuschung war auch Zorn spürbar. «Ich fühle mich, als sei ich ins Messer gelaufen», sagte eine Laienvertreterin. Ein Sprecher sah den Synodalen Weg bereits gescheitert.
Einige Delegierte waren da schon gar nicht mehr dabei, hatten den Raum verlassen und hörten nur noch von aussen zu. Dabei galt der Text über Sexualmoral noch nicht einmal als der mit der meisten Sprengkraft. Deutlich kontroverser dürfte es bei der Diskussion über die Neubewertung von Homosexualität am Freitag zugehen.
Für den Abend wurde eine eigene Aussprache im Kreis der Bischöfe angesetzt, auch das ZdK plante ein Gespräch über das Vorgehen der Laien nach der Entscheidung der Bischöfe.
Dabei hatte am Vormittag noch Optimismus geherrscht. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, sagte, von der Synodalversammlung müsse die Botschaft ausgehen: «Wir haben Power!»
Massive Vertrauenskrise Der Synodale Weg will Veränderungen erreichen in der katholischen Sexualmoral, bei der Rolle von Frauen in der Kirche, beim Umgang mit Macht und beim Zölibat, der verpflichtenden Ehelosigkeit katholischer Priester. Auslöser des Reformprozesses war die massive Vertrauenskrise nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals.
Im Juli hatte der Vatikan den deutschen Glaubensbrüdern und -schwestern in einer harschen Stellungnahme jedoch mitgeteilt, dass der Synodale Weg «nicht befugt» sei, neue Formen der Leitung und eine neue Ausrichtung der katholischen Lehre und Moral zu entwickeln. (MANNSCHAFT berichtete über den Aufstand deutscher Katholik*innen gegen Rom.)
Kritiker des Synodalen Wegs sagen, seit dieser Klarstellung sei endgültig offenkundig, dass die Reformbemühungen reine Augenwischerei seien – eine «Illusion»: Eben so hiess zufälligerweise auch der Saal, in dem am Donnerstag die Auftaktpressekonferenz stattfand.
ZdK-Präsidentin Stetter-Karp rief dagegen dazu auf, sich «nicht von Buhrufen am Rande der Bahn verunsichern zu lassen». In der Kirche sei keineswegs alles fest gefügt und zementiert.
Dass die Anspannung diesmal noch etwas grösser ist als bei den drei vorigen Versammlungen, zeigt sich womöglich auch darin, dass allen Mitgliedern erstmals «Stressbällchen» angeboten werden: kleine Bälle mit aufgedruckten Gesichtern, teils mit Heiligenschein, die zum Stressabbau geknetet oder auch geworfen werden können.
«Ein Stück nervös» sei sie durchaus, räumte Stetter-Karp ein, und Bätzing beschrieb seine Stimmungslage als «positive Aufgeregtheit».
«Jesus hatte auch zwei Väter» Vor der Synodalversammlung in der Frankfurter Messe demonstrierten Reformergruppen mit Slogans wie «Weihe für alle» und «Jesus hatte auch zwei Väter». Bätzing liess sich einen Schal von Maria 2.0 umhängen und ging durch eine improvisierte Heiliggeist-Pforte, um den richtigen Reformergeist zu verinnerlichen.
Schwester Philippa Rath, eines der profiliertesten Mitglieder der Synodalversammlung, warb dafür, die Kritik des Vatikans nicht überzubewerten, da diese «ausgesprochen inhaltsarm» gewesen sei und nur dem Ziel gedient habe, den Synodalen Weg zu diskreditieren und zu blockieren.
Das aber werde nicht geschehen, im Gegenteil: «Gerade angesichts dieser Störmanöver hat es ausgesprochen Sinn, den Weg unbeirrt weiterzugehen», sagte die resolute Nonne aus der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim der Deutschen Presse-Agentur. «Denn die Reformanliegen sind ja mehr als dringlich und dulden keinen Aufschub. In vielen anderen Ländern wird dies übrigens genauso gesehen wie bei uns.»
Johanna Müller, das mit 18 Jahren jüngste Mitglied der Synodalversammlung, betonte, dass sich die Kirche dringend verändern müsse: «Die Missbrauchskrise zeigt, dass wir in der katholischen Kirche ein grosses Machtproblem haben. Toxische Strukturen sowie eine rigide Sexualmoral begünstigen sexuellen Missbrauch. Eine andere Baustelle ist die Gleichberechtigung aller Menschen – das betrifft zum Beispiel die Dienste und Ämter in der Kirche.»
Von der Kritik aus dem Vatikan fühlt sich Müller «genervt». Auch wenn nicht sicher sei, dass die Beschlüsse letztlich auch alle umgesetzt würden, sei es doch wichtig, Problemfelder zu bearbeiten und Strukturen und Grundsätze zu hinterfragen. «Das ist vor dem Hintergrund der Missbrauchskrise zum einen unsere Pflicht und zum anderen ein wichtiger Beitrag zu Debatten, die in anderen Teilen der Weltkirche ganz ähnlich geführt werden.»
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