Facebook zwingt Dragqueens, ihren „richtigen“ Namen zu verwenden
Dragqueens und Burlesque-Tänzerinnen schlüpfen mit ihren Rollen in neue Identitäten. Doch weil Facebook wissen will, welcher Name im Pass steht, werden im Internet reihenweise Menschen demaskiert. Sie sind nicht die einzigen, die von dem Netzwerk ein Umdenken fordern.
«Rqwerpojasdlfjasöo» ist ein Vorname, mit dem man sich bei Facebook durchaus als neuer Nutzer anmelden kann. Die Frage ist, wie lange man damit durchkommt. Denn Facebook verlangt von seinen Nutzern den echten Namen – und setzt darauf, dass andere User Konten mit Pseudonymen melden. So ist der Streit um Klarnamen im weltgrössten sozialen Netzwerk längst zur Gretchenfrage geworden.
Auch Opfer von Stalker sind betroffen Dabei hat Facebook sich erst jüngst LGBT-freundlich präsentiert. Das Netzwerk erlaubt mittlerweile neben «männlich» und «weiblich» zahlreiche weitere Geschlechtsbezeichnungen, in Deutschland etwa androgyn, Transgender oder Drag. So sollen Nutzer ihre Identität besser ausdrücken können. Der Klarnamenzwang kollidiert damit. Die Liste der Betroffenen ist noch weit grösser. Lehrer, Ärzte und Therapeuten, aber auch Frauen, die sexuell belästigt oder gestalkt wurden, haben gute Gründe, ihren wahren Namen im Internet zu verschleiern. «Ich bin gefeuert worden, weil ein Student ein Foto von mir entdeckte, das ihm nicht gefiel und sich beim Präsident der Universität beschwerte», berichtet Sheila Addison. Mittlerweile unterrichtet sie an der Capella-Universität in Minnesota und arbeitet auch als Ehe- und Familientherapeutin. Kunden könnten sich übermässig für ihr Privatleben interessieren und im Netz Dinge erfahren. Dabei will die Therapeutin für ihre Patienten möglichst «neutral» bleiben.
«Facebook ist eine Gemeinschaft, in der Nutzer ihre wahren Identitäten verwenden», erläutert das Unternehmen seine Regeln. Der echte Name, wie er auf Kreditkarte, Führerschein und Studentenausweis angegeben ist, trage «zur Sicherheit unserer Gemeinschaft» bei. Es gehe ausserdem darum, unverantwortlichen Usern, die andere unter falschem Namen schikanierten, keinen Raum zu bieten.
Spitznamen sind zwar erlaubt, erscheinen auf dem Profil aber unter dem echten Namen in Klammern. Verbergen kann man seinen Klarnamen nicht. Man könne aber eine extra Fan-Seite anlegen, um sich eine weitere Identität zu schaffen, betont ein Sprecher des Netzwerks.
Doch genau dafür gebe es Privatsphären-Einstellungen, sagt die Soziologin Ryan Caldwell. Es sei ungerecht, dass berühmte Popstars wie Madonna ihre Künstlernamen nicht ändern müssten. «Nur weil Du mit einem bestimmten Namen geboren wurdest, den jemand anders Dir gegeben hat, ist das nicht zwingend der Name, dem Du Dich verbunden fühlst». Viele Menschen hätten sich eine eigene Identität geschaffen, die eine wichtige «Erweiterung ihres Selbst» sei.
Ein in Hawaii geborener User musste sich auf Facebook gar umbenennen, obwohl er bei der Anmeldung den auf seiner Geburtsurkunde geführten Namen eingetippt hatte. Vermutlich wirkte der zweite Vorname von Chase Nahooikaikakeolamauloaokalani Silva derart verdächtig, dass sein Konto gesperrt und er aufgefordert wurde, nochmals Hand anzulegen. «Ich bin verdammt sauer!» schrieb er, nachdem er den Namen von in Hawaii nicht unüblicher Länge auf ein schlichtes «N» gekürzt hatte. «Ich bin ein stolzer Hawaiianer, der seinen echten hawaiianischen Vornamen anzeigen will.»
Sister Roma war zuletzt mit weiteren Dragqueens und San Franciscos Kreisrat David Campos bei Facebook eingeladen. Zufrieden war sie nach diesem Treffen kaum, ein Umdenken sei nicht in Sicht, sagt sie. Der deutlich kleinere Konkurrent Google Plus reagierte schon auf ähnliche Proteste seiner Nutzer: Im Juli 2014 entschuldigte sich das Soziale Netzwerk und hob seine Beschränkungen bei der Namenswahl auf.
Text: Johannes Schmitt-Tegge, dpa
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