Ehe für alle: SPD will Abstimmung noch diese Woche
Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode erwacht die SPD aus ihrem Dornröschenschlaf und überwindet die Kanzlerin ihr Bauchgefühl. Erst rückte Angela Merkel (CDU) am Montagabend von ihrem strikten Nein zur Eheöffnung ab und sagte bei einer Veranstaltung der Zeitschrift Brigitte in Berlin, für sie gehe es in der Frage „eher in Richtung einer Gewissensentscheidung“. Es bekümmere sie, dass die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe Gegenstand von „plakativen Beschlüssen“ im Wahlkampf sei. In der Frage der Adoption durch homosexuelle Paare habe sie ein Besuch bei lesbischen Pflegeeltern nachdenklich gestimmt. (Den Besuch bei einem schwulen Paar hatte ihr Fraktionschef Kauder abgelehnt.) Im Wahlkampf 2013 hatte Merkel die Ablehnung der Eheöffnung inklusive Adoptionsrecht noch mit ihrem „Bauchgefühl“ begründet.
Nun will der Koalitionspartner SPD die Kanzlerin beim Wort nehmen und zwar noch diese Woche. Die Genossen wollen durchsetzen, dass der Bundestag am Freitag über einen Initiativantrag des Bundesrates zur völligen rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare bei der Ehe abstimme, sagte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Vormittag in Berlin. Dann müsse die Union entscheiden, ob sie ihrer Kanzlerin folge. Laut SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann habe die Union die Idee einer raschen Abstimmung zunächst abgelehnt, eine abschließende Entscheidung stehe noch aus. Die SPD werde es aber „auf jeden Fall tun“, so Oppermann. (Eine Organklage mit dem Ziel, eine Entscheidung zu erzwingen, war vergangene Woche gescheitert.)
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen.[/perfectpullquote] Die Koalition lasse man damit nicht platzen, hieß es aus der SPD. Schulz habe der Kanzlerin noch am Montag zugesagt, dass seine Partei die Koalition bis zum Ende als verlässlicher Partner weiterführen werde. Auch Fraktionschef Oppermann unterstrich: „Wir verhalten uns koalitionstreu.“ Jedenfalls getreu dem noch geltenden Koalitionsvertrag, in dem es heißt: „Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen.“
Ehe als höchstpersönliche Entscheidung
Zumindest bei der CSU ist eine Zustimmung sehr fraglich. Parteichef Horst Seehofer hatte die Ehe kürzlich noch eine „höchstpersönliche Entscheidung“ genannt, sie sei daher nicht Teil der Parteipolitik. Außerdem hätte man Diskriminierungen der LGBTI-Community im Grunde bereits beseitigt.
Alle gegen die Union
Bewegung in die Diskussion um die Eheöffnung hatte der Parteitag der Bündnis90/Grünen vor 10 Tagen gebracht. Dort hatte Volker Beck einen Beschluss erzwungen, in dem seine Partei jede Koalitionsvereinbarung unter den Vorbehalt stellte, dass auch die Ehe für alle Bestandteil sein müsse. Wenig später zog FDP-Chef Christian Lindner mit derselben Forderung nach. Und schließlich schlossen sich am vergangenen Wochenende auch Martin Schulz und sein Generalsekretär Hubertus Heil auf dem SPD-Parteitag an. Damit hatten sich alle potenziellen Koalitionspartner der Union in der Frage der Eheöffnung gegen CDU/CSU gestellt.
Sollte nun am Freitag tatsächlich im Bundestag über die Ehe für alle in freier Abstimmung entschieden werden, ist eine Mehrheit durch SPD, Grüne und Linke sicher. Und auch mindestens zwei Stimmen kommen aus dem Unionslager: Der schwule CSU-Mann Bernd Fabritius hatte bereits Mitte des Monats gegenüber der Bayerischen Staatszeitung erklärt, er werde zusammen mit der Opposition für die Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare stimmen. Auch der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann kündigte in der vergangenen Nacht über Facebook an, mit Ja zu stimmen.
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