«Die meisten Fussballverbände hinken der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher»
Anfang September findet im «House of FIFA» in Zürich die Konferenz der europäischen schwullesbischen Fussballfanklubs statt. Eine wirkliche Zusammenarbeit zwischen dem Weltfussballverband und homosexuellen Fanklubs ist damit aber noch nicht erreicht.
Sich als Profifussballer öffentlich outen? «So traurig das auch klingen mag, ich würde ein Coming-out nicht raten». So beantwortete die deutsche Fussballtorhüter-Legende Oliver Kahn vor rund zwei Jahren eine entsprechende Frage der Zeitschrift «Gala». Ein Fussballer, der öffentlich zu seiner Homosexualität stehe, spiele weiterhin Woche für Woche vor gegnerischen Fans, erklärte Kahn. «Da ist die Stimmung aufgeheizt, was die Menschen zu unschönen Aktionen treiben kann.» Kahns Aussagen sind eines von vielen Beispielen, die klar aufzeigen: Homosexualität im Profifussball ist nach wie vor kein einfaches Thema, geoutete Sportlerinnen und Sportler sind selten.
[quote align=’right‘]«Faktisch ist Homosexualität bei der FIFA schlicht kein Thema»[/quote]Im Auftrag der Vielfalt
Dies soll sich ändern: Mehr Diversität, mehr Toleranz und weniger Homophobie – das sind einige der Ziele, für die sich die „Queer Football Fanclubs“ (QFF) einsetzen, ein Netzwerk europäischer schwullesbischer Fussballfanklubs. Gegründet wurde der Dachverband von homosexuellen Fanverbänden aus Berlin, Stuttgart und Dortmund anlässlich der WM 2006. Heute gehören QFF bereits 29 Fanklubs an: 24 aus Deutschland, drei aus der Schweiz sowie je einer aus Holland und Spanien.
Konferenz in Zürich
Zweimal pro Jahr treffen sich die QFF zu gemeinsamen Konferenzen, wobei jede Versammlung von einem anderen regionalen Fanklub organisiert wird. Der nächste Anlass findet vom 4. bis 6. September in Zürich statt. Gastgeber ist der FCZ Fanklub «Letzi Junxx», der rund 30 Mitglieder umfasst.
Präsenz markieren
Einer der wichtigsten Programmpunkte des Treffens ist die Tagung am Samstag, 5. September. Bemerkenswert ist dabei, dass diese im «Home of FIFA» abgehalten wird. Arbeiten die QFF und der Weltfussballverband also bald zusammen? «Das wäre eine überzogene Erwartungshaltung», sagt Marcel Tappeiner, Vize-Präsident von «Letzi Junxx», gegenüber der Mannschaft. Der Termin für Zürich stehe schon seit drei Jahren fest. Und da die FIFA «nun mal in Zürich ist, nutzen wir die Möglichkeit, mit unserer Präsenz mindestens ein kleines Zeichen zu setzen.»
QFF als «interessante» Organisation
Die FIFA selbst ist ebenfalls noch zurückhaltend, wenn es um allfällige Kooperationen mit schwullesbischen Fussballfanklubs geht. Die QFF seien «ein Dachverband mit interessanten Gruppierungen im Kampf gegen Diskriminierung», teilt die FIFA der Mannschaft mit. Man wolle das Netzwerk «zunächst erst einmal kennenlernen». Die QFF-Tagung am 5. September im «Home of FIFA» böte dazu eine gute Gelegenheit.
Homophobie auf dem Radar
Der Weltfussballverband stellt aber klar, dass man die Bekämpfung von Homophobie angehe. Wie die QFF wende sich die FIFA gegen jede Form der Diskriminierung. Das sei in den FIFA-Statuten festgesetzt, in denen auch die Diskriminierung auf der Basis von sexueller Orientierung ausdrücklich abgelehnt werde.
Eines der Mittel zum Zweck sei etwa der sogenannte «FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung», der bald erscheine. Dieser richte sich auch gegen Homophobie, «mit praktischen Grundlagen von und für unsere Mitgliedsverbände». Des Weiteren informiere sich die FIFA zum Beispiel bei Fachtagungen über das Thema – zuletzt im vergangenen Juli in Belfast, wo im Rahmen des Jahreskongresses der «Football Supporters Europe» der Workshop «Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung im Fussball» durchgeführt wurde.
Fussballverbände mit Aufholbedarf
Solche Massnahmen sind nötig, denn noch sind im Profifussball die Diskussionen zum Thema eher leise. «Die meisten Fussballverbände hinken der gesellschaftlichen Realität hinterher», sagt Marcel Tappeiner. «Faktisch ist Homosexualität bei der FIFA schlicht kein Thema.» Bei den «Letzi Junxx» ist man allerdings guten Mutes. Zukünftig würden die Themen Homophobie und Homosexualität im Fussball vermehrt in die Traktandenlisten der FIFA aufgenommen, ist sich Marcel Tappeiner sicher. «Wenn unsere Tagung dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, hat sich unser Treffen schon gelohnt.»
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