Bei YouTube ist das Video, das lange im Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen zu sehen war, nicht mehr frei zugänglich. Der LSVD kritisiert das Vorgehen als Zensur.
Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die das Denkmal betreut, kritisiert die Sperre. Man habe YouTube zudem aufgefordert, die Entscheidung zurückzunehmen, erklärte die Stiftung auf MANNSCHAFT-Anfrage. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg spricht von einer «Zensur des Kusses».

Betroffen ist der erste Film des Künstlerduos Elmgreen & Dragset, der lange im Denkmal zu sehen war. Er wurde ausgetauscht, nachdem 2017 bekannt geworden war, dass es sich bei dem linken küssenden Mann um den in Dänemark bekannten und berüchtigten Designer Jim Lyngvild handelte, der sich immer wieder rassistisch und homophob geäussert hatte. Anschauen kann man dieses Video bei YouTube aktuell erst dann, wenn man ausdrücklich zustimmt, das man bereit ist, «möglicherweise unangebrachte Szenen» anzusehen. Das Denkmal wurde in der Vergangenheit immer wieder beschmiert – auch die neu installierte Videokamera hält Homohasser nicht davon ab (MANNSCHAFT berichtete).
In einer Mail von YouTube an die Stiftung heisst es: «Wie Sie vielleicht wissen, beschreiben unsere Community-Richtlinien, welche Inhalte wir auf YouTube zulassen – und welche nicht. Dein Video Film 1 wurde uns zur Überprüfung vorgemerkt. Bei der Überprüfung haben wir festgestellt, dass es möglicherweise nicht für alle Zuschauer geeignet ist, und es wurde hinter eine Altersbeschränkung gestellt.»
YouTube Zensur wegen «sexueller Provokation»
Und weiter: «Inhalte mit längerem oralem Kontakt, die sexuell provokativ sein sollen, können altersbeschränkt sein, wenn der Inhalt nicht für alle Zielgruppen geeignet ist. Bitte beachten Sie: Wir erlauben diese Art von Inhalten nicht, wenn wir wissen, dass der Uploader unter 18 ist.»
Im vergangenen September musste YouTube eine Rekordstrafe von gut 170 Millionen US-Dollar zahlen. Die hatte die US-Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission verhängt, nachdem bei Videos für Kinder auf der Plattform ein deutlicher Verstoss gegen die Richtlinien der Children’s Online Privacy Protection Rule (COPPA) festgestellt worden war. YouTube setzte daraufhin klare Änderungen im Kontext von Kids Content auf der Plattform in Gang.
Nun sind sie realisiert worden. Unklar ist, ob es bei diesem Fall einen Zusammenhang gibt. Und offen bleibt vor allem die Frage, warum das Unternehmen findet, ein Kuss zwischen zwei Männern sei jugendgefährend.
Starting today, if you’re watching content that’s made for kids, you may notice that certain features will no longer be available — these are part of the changes we announced last year to better protect kids and their privacy on YouTube. https://t.co/oZvOEACaAZ
— YouTube (@YouTube) January 6, 2020
Nicht nur YouTube geht ausgesprochen rigoros vor, wenn es um das Zeigen von Zärtlichkeiten zwischen Männern geht. So hat MANNSCHAFT versucht, den Post bei Facebook zu bewerben, bei dem es um das Kiss-in in Zürich am vergangenen Samstag geht. Facebook hat dies wiederholt abgelehnt.
Im Vorjahr hatte Facebook Werbung mit küssenden Männern abgelehnt, die der Checkpoint Zürich zum Welt-AIDS-Tag schalten wollte (MANNSCHAFT berichtete). Nach öffentlichem Druck wurde die Werbung später doch noch genehmigt.