Der Therapeut und Autor Stephan Niederwieser (56) hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Nie mehr schämen. Wie wir uns von lähmenden Gefühlen befreien». Im MANNSCHAFT-Interview spricht er über die Scham vieler Männer in Bezug auf ihre vermeintlich toxische Männlichkeit, darüber, wie Scham zu (Selbst)Hass mutieren kann, z.B. in aktuellen Queer-Diskursen, und er erklärt, warum es wichtig ist, lachen zu können, trotz Drogen, verunglückten Beziehungen und verklemmtem Sex.
Stephan, wofür schämen sich denn Männer, typischerweise?
Das, was allgemein als Scham bezeichnet und wahrgenommen wird, ist in der Regel nur die Spitze des Eisbergs. Denn im Grunde ist es irrelevant, ob ich hübsch oder beruflich erfolgreich bin. Der Scham, von der ich spreche, sind sich die wenigsten Menschen bewusst. Sie betrifft ihren Wesenskern, also zum Beispiel ihre Lebendigkeit, ihre Kraft, ihren Selbstausdruck. Diese Scham hat eine Auswirkung nicht nur auf das Selbstbild, sondern auch auf das Immunsystem, die Hormone, das autonome Nervensystem. Es geht also um viel mehr als nur darum, ob ich von anderen gemocht werde. Männer schämen sich typischerweise für ihre Männlichkeit, für ihre Kraft und Stärke.