in

Studie über Säuger: «Homosexualität ist evolutionäre Konfliktreduktion»

Wurde der Grund für gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei Säugetieren gefunden?

Queere Tiere Homosexualität im Tierreich
(Symbolbild: Unsplash/Dustin Humes)

Eine neue Studie legt nahe, dass sich gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei vielen Säugetieren erst entwickelte, als diese anfingen, in Gruppen zu leben – um Konflikte zu reduzieren.

Was wir schon vor der neuen Studie der Wissenschaftler*innen der «Estación Experimental de Zonas Áridas» in Spanien wussten: Das Tierreich ist ziemlich queer! Bei mehr als 1’500 Arten haben Forscher*innen bisher sexuelle Kontakte zwischen Tieren des gleichen Geschlechts beobachtet. Zu ihnen gehört die Libelle genauso wie der Gekko, der Lachs, der Strauss oder der böse Wolf.

Konflikte reduzieren
Wie die New York Times schreibt, glauben einige Fachpersonen, dass gleichgeschlechtlicher Sex schon seit den Anfängen des Tierreichs existiert. Eine neue Studie legt nun eine andere These nahe: Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten entwickelte sich bei Säugetieren erst, als diese begannen, in sozialen Gruppen zu leben.

Obwohl das Verhalten bekanntlich keine Nachkommen produziert, welche die Gene der Tiere weitergeben, könnte es andere evolutionäre Vorteile bieten. Laut den Autor*innen der Studie liegt dieser wohl darin, Konflikte zu reduzieren. «Es könnte dazu beitragen, positive soziale Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten», sagt Evolutionsbiologe und Mitautor der Studie José Gómez gemäss New York Times.


Auch wenn wir Menschen natürlich auch Säugetiere sind, warnt Gómez davor, die Anfang Oktober in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichte Arbeit mit der sexuellen Orientierung des Menschen zu verbinden. Die Art des gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens, die sie analysiert hätten (auch kurze vorübergehende Kontakte), unterscheide sich so sehr von der beim Menschen beobachteten permanenten sexuellen Orientierung, dass die Studie keine direkte Erklärung für diese Erscheinungsform liefern könne. Dennoch könnte sie zumindest eine mögliche Erklärung für die evolutionäre Geschichte des Auftretens von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten beim Menschen bieten.

Blick auf den Stammbaum
Normalerweise wird bei solchen Untersuchungen das gleichgeschlechtliche Sexualverhalten einzelner Tiere genau unter die Lupe genommen. In diesem Fall wählten die Forscher*innen einen ganz anderen Ansatz: Sie betrachteten alle 6’649 Säugetierspezies.

Am Ende hatten sie eine Liste mit 261 Spezies, die ein entsprechendes Sexualverhalten aufweisen. Darunter fallen Dinge wie die Balz, die Paarung bis hin zu dauerhaften Partnerschaften. Männchen zeigten dieses Verhalten ungefähr gleich häufig wie Weibchen; bei manchen Spezies kam es nur bei einem Geschlecht vor.


Es fiel den Forscher*innen dann auf, dass die gefundenen Tierarten auf ganz unterschiedlichen Ästen des evolutionären Stammbaums zu finden sind. Dies legt den Schluss nahe, dass sich gleichgeschlechtliches Sexualverhalten bei Säugetieren mehrmals separat entwickelte.

Gruppe stabilisieren
Was ist nun aber der Grund dafür? Eine Analyse des Stammbaums ergab, dass es sich tendenziell um soziale Spezies handelt. Gruppen bieten Schutz vor Feinden und bringen noch weitere Vorteile mit sich. Aber – und das kennen wir Menschen bestens – Gruppen sind auch herausfordernd. Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten könnte nun bei gewissen Säugetieren ein Mittel sein, um die soziale Gruppe zu stabilisieren.

Solche Interaktionen könnten dazu dienen, «Bindungen und Allianzen zu bilden und aufrechtzuerhalten und die Versöhnung nach Konflikten zwischen Mitgliedern derselben Gruppe zu erleichtern», heisst es in der Studie. In anderen Fällen können sie die Funktion haben, den sozialen Status zu kommunizieren und Dominanzhierarchien zu etablieren, zukünftige Konflikte zu verhindern oder aggressives Verhalten in Balzverhalten umzulenken.

Homosexualität im Tierreich ist nichts Ausser­gewöhnliches. MANNSCHAFT hat in der Vergangenheit unter anderem über die 190-jährige bisexuelle Schildkröte Jonathan berichtet sowie über das queere Pinguinpärchen im Frankfurter Zoo. Vor drei Jahren ging zudem ein Video mit schwulem Löwensex viral (MANNSCHAFT berichtete).


Lars Müller-Marienberg

Erster offen schwuler Superintendent tritt überraschend zurück

Coming-out

Dr. Gay – Mein Freund will sich nicht outen