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Queer Officers feiern «gute Grundlagenarbeit» in Schweizer Armee

Eine Kultur der Offenheit fehle aber noch

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Korpskommandant Thomas Süssli, Chef der Armee, und Oberstleutnant im Generalstab Dominik Winter enthüllen die Plakette zum «Baum der Vielfalt in der Schweizer Armee». (Foto: zVg)

Zum 15. Jubiläum wollten die Queer Officers etwas Bleibendes schaffen. Deshalb steht nun ein «Baum der Vielfalt in der Schweizer Armee» in Luzern. Mit einem Jahr Verspätung haben Mitglieder*innen und Gäste gefeiert.

Die Kultur der Vielfalt muss wachsen – wie ein Baum. Sie braucht einen Nährboden aus Ideen, Werten und dem respektvollen Umgang miteinander. Danach muss sie gesät werden und wächst zu einem kleinen Pflänzchen heran. Wenn sie genügend Platz hat und regelmässig gehegt und gegossen wird, wächst sie bald zu einem starken, dauerhaften und verästelten und vor allem nützlichen Organismus heran.

Die Armee habe im Bereich der Diversität bereits gute Grundlagenarbeit geleistet, stellte Präsident Dominik Winter in seiner Ansprache am Jubiläumsanlass vergangene Woche fest. Von einer gelebten «Kultur der Offenheit» könne aber noch lange nicht gesprochen werden. Seit seiner Gründung seien die QueerOfficers – der Verein der queeren Angehörigen der Schweizer Armee, bei dem mittlerweile Armeeangehörige anderer Rangstufen mitmachen – Sparringspartner der Armeeführung im Bereich Diversity und insbesondere bei Fragen in Bezug auf die queere Community.

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Vereinspräsident Dominik Winter bei seiner Ansprache vor dem jungen «Baum der Vielfalt» (Foto: zVg)

«Man diskutiert auf Augenhöhe, vor allem, weil im Verein viel Erfahrung aus erster Hand steckt», führt Winter aus. Dennoch fordern die QueerOfficers erst im März mehr Sensibilisierung in der Schweizer Armee (MANNSCHAFT+).


Outing in Mannschaftslisten
Seine Erfahrung brachte zunächst Hauptmann (ausser Dienst) Rolf Stürm ein. Er berichtete von seiner Zeit als Kompaniekommandant in den 1970er- und 80er-Jahren. Als homosexueller Mann musste er entdecken, dass auf seinen Mannschaftslisten hinter einigen Namen mit Bleistift die Abkürzung «HS» angebracht war, was die Soldaten als «homosexuell» outete.

Er selber outete sich vor seiner Kompanie 1985 anlässlich einer Blutspendeaktion, an denen schwule Männer auch heute noch nicht ohne Weiteres teilnehmen dürfen. «Ihr geht heute Nachmittag zum Blutspenden. Ich bleibe hier – ich bin schwul. Wer auch nicht Blutspenden darf oder will, kommt mit mir nach der Mittagspause auf einen Gepäckmarsch». Fast die halbe Kompanie entschied sich für den Gepäckmarsch, wie Hauptmann Stürm erzählte.

In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Armee Strukturen geschaffen, welche die Stellung von Minderheiten in ihren Reihen verbessern und vor Übergriffen schützen. Der Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung war zum Beispiel in der Armee zwei Jahre früher Realität als im zivilen Strafgesetz. Oberstleutnant im Generalstab Winter stellt fest, dass die Armee ihren queeren Angehörigen grundsätzlich viel Sicherheit bietet. Die meisten Kader aber auch das Gros der Kamerad*innen reagieren tolerant und richtig. Und trotzdem kommen Diskriminierungen aller Schweregrade ab und zu vor.


Dierk Werner Koch wurde einst von der deutschen Bundeswehr wegen seiner Homosexualität degradiert und entlassen. Jahrelang hat er für eine Entschuldigung gekämpft (MANNSCHAFT+)

Fourier César Fernandez und Rekrut Remo Geissbühler erzählten, wie sie ihre Militärdienstzeit erleben. Sie bestätigen, dass sie grundsätzlich gut aufgenommen wurden, sie aber regelmässig mit Hürden zu kämpfen hatten. Wenn sich Fourier Fernandez vom Armee-Psychologen den Rat erhält, sich doch besser nicht zu outen, um keine Probleme zu haben, wird er sich in der Organisation nicht besonders willkommen fühlen. Er hat es trotzdem getan und viel positiven Rückhalt erfahren. Wenn Rekrut Geissbühler nach einer mässigen Leistung die Frage von seinem Wachtmeister hört «Sind Sie schwul, oder was?» kann er darauf mit «Ja klar, warum?» antworten, weil er sich dazu genügend gefestigt und sicher fühlt. Der Wachtmeister hat sich später für den Spruch entschuldigt.

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Sven Bäring überbringt als Vorsitzender des Vereins QueerBw eine Grussbotschaft der Kamerad*innen der Bundeswehr. (Foto: zVg)

Die «Armee für alle» soll Realität werden
Hier unterscheidet sich die Armee nicht von der Gesellschaft ausserhalb der Kasernenmauern. Allerdings bietet sie ein etabliertes Netz von Stellen, die ihre Unterstützung anbieten und baut dieses auch aus. Die momentan erarbeitete Perspektive «eine Armee für alle» setzt den Ambitionslevel und soll konkrete Massnahmen vorschlagen. Dominik Winter sprach von einem «Traum der Normalität» für alle Angehörigen der Armee, auch für diejenigen, die von der Norm abweichen.

Korpskommandant Thomas Süssli unterstrich als Chef der Armee in seiner Ansprache den Anspruch an seine Organisation. Integration und Inklusion müssen selbstverständlich sein. Die Armee muss allen Platz bieten und den Wert der Vielfalt noch mehr erkennen. Er bekräftigt zudem, dass er keine Diskriminierung und keine Übergriffe zulasse: «Hier herrscht absolute Nulltoleranz.»

Dabei erhält er Unterstützung von den QueerOfficers, welche mit Ausbildungsmodulen und Beratungsangeboten schon seit Jahren dabei helfen, Vorurteile abzubauen und das nötige Hintergrundwissen dort zu vermitteln, wo die militärischen Wege einmal nicht funktionieren. In der deutschen Bundeswehr leistet genau dies auch der Verein QueerBw, deren Vorsitzender Sven Bäring vor Ort eine Grussbotschaft überbrachte. Er unterstrich die gute Zusammenarbeit und die Freundschaft, welche die beiden Armee-Vereine schon lange verbinden und wünschte der Schweizer Armee und den QueerOfficers viel Durchhaltewillen auf dem weiteren Weg hin zu noch mehr Normalität. Er stellte aber auch fest, dass es in Deutschland noch nicht alltäglich sei, einen solchen Anlass im Beisein des obersten Armeechefs durchführen zu können.


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