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Kapituliert Zürcher Polizei vor Hassgewalt gegen LGBTIQ?

Ein schwules Paar wurde in Zürich beschimpft und fordert die Politiker*innen nun zum Handeln auf.

Brief Sicherheitsdepartement Stadt Zürich Karin Rykart
(Symbolbild: Silvan Hess)

Nachdem zwei schwule Männer in Zürich angepöbelt und beleidigt wurden, hatten sie eine Frage an die Zürcher Polizeivorsteherin Karin Rykart: Was wird die Politik gegen die verbale und physische Gewalt an Schwulen unternehmen? Die Antwort von Rykart klingt an einer Stelle fast schon nach einer Kapitulation.

Ein junges Paar feierte auf dem Zähringerplatz in der Nähe des Clubs «Heaven» den Jahreswechsel, als plötzlich vier Männer auftauchten. Diese fragten, ob sie schwul seien, was das Paar bejahte. Daraufhin schütteten ihnen die vier Täter Getränke ins Gesicht und schlugen und traten auf sie ein (MANNSCHAFT berichtete). Wenige Monate zuvor geschah am nahegelegenen Hirschenplatz ein ähnlicher Angriff (MANNSCHAFT berichtete).

Beschimpft und beworfen
Die Berichte zu den Angriffen in Zürich erinnerten L. und R. an einen unangenehmen Zwischenfall, den sie im September erleben mussten. Im Zürcher Hardaupark – weniger als drei Kilometer von den beiden anderen Tatorten entfernt – wurde das schwule Paar von Männern homophob beschimpft und mit Kieselsteinen beworfen.

«Die herbeigerufenen Polizeikräfte getrauten sich nicht, die Gruppe von etwa zehn Typen zu kontrollieren», berichtet L. Sie hätten ihnen stattdessen geraten, die Polizeivorsteherin Karin Rykart schriftlich auf den Vorfall hinzuweisen.


Küssen für ein Ja zum Diskriminierungsschutz

Das taten sie dann auch. In einem Schreiben informierten sie die Stadträtin über das Geschehen und forderten eine politische Lösung für das Gewaltproblem. Zunächst gelang kein Kontakt mit Rykart; stattessen wurde ihnen ein Gespräch mit Peter Sahli, Vorstandsmitglied und Ehrenpräsident von PinkCop, angeboten.

Unterstützung von PinkCop
PinkCop ist ein unabhängiger und schweizweiter Verein für Homosexuelle und trans Menschen bei der Polizei. Er möchte LGBTIQ-Polizist*innen eine Community bieten und sich für mehr Akzeptanz innerhalb und ausserhalb der Polizeikorps einsetzen.

«Peter Sahli hat uns Anfang Dezember sehr freundlich empfangen und schnell verstanden, worum es uns geht. Wir führten etwa eine Stunde lang ein ausgesprochen gutes Gespräch.» Sahli habe ihre Frage ebenfalls wichtig gefunden und unterstützte L. und R. in ihrem Anliegen. «Er versprach uns auch, mit dem Rayonchef von Kreis 4 zu sprechen, damit dort besser aufgepasst werde.» Die Angriffe in der Nähe des Clubs «Heaven» geschahen dann allerdings im benachbarten Kreis 1.


L. und R. betonten auch im Gespräch mit Sahli, dass sie nicht die Polizei kritisieren, sondern eine politische Anfrage stellen möchten. Sie fordern von den Zürcher Politiker*innen, dass diese sich mit der Problematik der rumpöbelnden und schlagenden Gruppen auseinandersetzen. Auch deren «heteronormative Herkunft» müsse man thematisieren.

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Antwort nach langer Wartezeit
Sahli leitete die ursprüngliche Anfrage wieder an Stadträtin Rykart zurück. Diese nahm einige Tage später schliesslich selbst Stellung zur Anfrage. Der Brief liegt MANNSCHAFT vor und beinhaltet unter anderem folgende Passage:

«Für Ihre Besorgnis habe ich grosses Verständnis. Die Erfahrungen zeigen leider, dass Täterinnen/Täter ihre Abneigung und ihren Hass gegen jede Form von «Anderssein» […] mit Beleidigungen, Beschimpfungen oder tätlichen Übergriffen äussern. Diesen Personen fehlt es an Toleranz und Weitsicht. Die Politik kann auf die Gesinnung keinen Einfluss nehmen. Intolerantes Verhalten soll aber immer wieder thematisiert, verurteilt und die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden.»

Dann erwähnt die Polizeivorsteherin, dass sich die Stadt Zürich als erste Schweizer Verwaltung zu einem respektvollen Umgang mit Transgender-Menschen am Arbeitsplatz bekannte. Schliesslich zählt sie diverse von der Stadt Zürich geförderten Organisationen, Netzwerke und Anlässe wie das Pride Festival oder das Pink Apple-Filmfestival auf. Ausserdem werde sich der Stadtrat dafür einsetzen, dass die kantonalen Behörden eine Statistik zu homophober Gewalt erheben. Trotz dieser Bemühungen liessen sich Gewalt und Diskriminierung nie ganz verhindern, schliesst Karin Rykart ihr Schreiben.

«Es ist sehr wohl möglich»
Die nach Resignation klingende Aussage, man könne die Gesinnung der Menschen auf politischem Wege nicht ändern, war für L. und R. enttäuschend. «Gerade als Grüne Politikerin sollte Frau Rykart wissen, dass dies sehr wohl möglich ist», sagt L. Bei den Themen Atomenergie, Umweltschutz und Gleichberechtigung von Mann und Frau sei es den Grünen nämlich gelungen, ein Umdenken in die Wege zu leiten.

Enttäuschend war für die beiden auch, dass sie längere Zeit keine direkte Antwort von Rykart erhielten. Die zuständigen Mitarbeiter*innen hätten die Anfrage vielmehr im Polizeipräsidium herumgereicht und den Sachverhalt so interpretiert, als hätte das Paar ein persönliches Problem mit der Polizei.

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Leicht verstärkte Patrouillen
Nun haben L. und R. ein Antwortschreiben abgeschickt. Sie wollen nochmals wissen, wie die Polizeivorsteherin konkret gegen die gewaltbereiten Gruppen junger Männer vorgehen will. Auch an eine Kontaktaufnahme mit der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch denken sie.

Generell unsicher fühle sich das Paar in Zürich nicht. «Es ist jedoch so, dass wir in der Dunkelheit zurückhaltender sind mit Händchenhalten. Denn wir müssten sonst damit rechnen, dass uns jemand spitalreif schlägt und darauf haben wir keine Lust.» Dass Schwule mitten in Zürich im Jahr 2020 begründete Angst vor Gewalt haben müssen, finden die beiden inakzeptabel.

Die Polizei konnte die Täter des Angriffs an Silvester bisher nicht ausfindig machen. Immerhin: Wie Polizeisprecher Marco Cortesi gegenüber Radio SRF sagt, werden die Patrouillen beim Zähringerplatz «leicht verstärkt». Diese Massnahme werde jedoch nicht alleine wegen der Attacken auf Homosexuelle ergriffen, sondern auch wegen Klagen über Littering und Lärm.


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