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Mobbing und «Heilungs»-Versuche an evangelischer Schule in Bremen

Nach dem Coming-out ging für einen trans Schüler die Hölle los

trans schüler
Symbolbild: James Sutton/Unsplash

Von seinem Coming-out 2015 bis zum Abschluss 2016 war der trans Schüler der Freien Evangelischen Bekenntnisschule Bremen (FEBB) Mobbing durch die Lehrerschaft ausgesetzt. Nun konnte er seine Peiniger anzeigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der trans Schüler war bis zu seinem Abschluss 2016 an der evangelischen Privatschule FEBB. Der transfeindliche Umgang der Lehrer*innen mit ihm und seinem Coming-out als trans hinterliess bei ihm tiefe, seelische Wunden. Fünf Jahre später fand er endlich die Kraft, rechtlich gegen die Schule vorzugehen.

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Nach seinem Coming-out im Jahr 2015 begann für den Schüler die bisher schlimmste Zeit seines Lebens. Der stellvertretende Schulleiter habe der Lehrerschaft demnach ein Verbot verhängt, ihn mit seinem selbstgewählten Namen und den männlichen Pronomen anzusprechen. Die Lehrkräfte haben ihn oft mit «es» angesprochen, erzählt er gegenüber der taz. Der Politiklehrer habe den Schüler während einer mündlichen Prüfung durchgehend weiblich angesprochen – «um mich unter Druck zu setzen und aus dem Konzept zu bringen», vermutet der Junge.

Wenn er auf Prüfungsblätter seinen männlichen Namen vermerkt hatte, gab es für ihn regelmässig Punktabzüge, seine Wortmeldungen im Unterricht wurden meist ignoriert. Doch damit nicht genug: Die Lehrer*innen übten auch Druck auf sein soziales Umfeld aus und befragten seine Freund*innen, wie sie nach seinem Coming-out überhaupt noch mit ihm befreundet sein können.


In seinem letzten Schuljahr habe der trans Junge fast täglich mit dem stellvertretenden Schulleiter sprechen müssen. Dabei habe er sich unterlegen gefühlt und sei am Ende oft in Tränen ausgebrochen, erzählt er der taz. Nur seine Klassenlehrerin habe ihn unterstützt. Sie habe sich mit dem Thema Transgender auseinandergesetzt und oft mit seiner Mutter telefoniert und sich beim Abschlussball bei ihr entschuldigt.

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Hinter seinem Rücken wurde auch für seine «Heilung» gebetet. Eltern und Lehrer*innen trafen sich in spirituellen Runden, um gegen den «Dämon» zu beten, der von ihm Besitz ergriffen habe. Unter einem Vorwand wurde auch der damalige Schüler manchmal für ein Gespräch eingeladen, was sich danach als Runde entpuppte, in der für ihn gebetet wurde.

Einige Mitschüler*innen empfehlen dem trans Mann per SMS auch die Konversionstherapie. «Wir haben bei uns in der Freien Christengemeinde Bremen Seelsorgeräume, die sich Heilungsräume nennen», stand darin. Damals war diese Praktik noch legal, seit diesem Mai steht in Deutschland auf dem Angebot und der Durchführung der schädlichen «Therapien» eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsentzug (MANNSCHAFT berichtete). Kürzlich distanzierte sich der Bund Katholischer Ärzte von dieser Praxis, nachdem Anzeige gegen ihn erstattet worden war (MANNSCHAFT berichtete).


Durch die psychischen Misshandlungen an der Schule entwickelte der Schüler Depressionen, selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität und soziale Ängste. Seine Noten sackten ab. Er schaffte zwar den Abschluss, musste aber professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Eine Psychologin bescheinigte ihm, dass er durch die Erlebnisse an der FEBB traumatisiert ist.

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Erst im Sommer dieses Jahres schaffte er es, seine Erlebnisse beim Ansprechpartner für LGBTIQ-Themen der Bremer Polizei anzuzeigen. Nun ermittelt diese in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft gegen den stellvertretenden Schulleiter und Lehrkräfte der FEBB. Ihnen wird Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen, die mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren bestraft werden kann.

Wie konnte die traumatische Erfahrung eines Schülers so lange unaufgedeckt bleiben? Die Schulaufsichtsbehörde beteuert, dass es bisher «keine bekannten Fälle» wie diesen und daher auch keine Überprüfung gegeben habe. Anlasslose Kontrollen seien in der Schulaufsicht «nicht üblich».

Der trans Schüler hofft indes, dass er das Thema durch das Verfahren bald abschliessen kann. «Mir ist wichtig, dass andere Leute, Menschen wie ich, nicht dasselbe durchmachen müssen, und dass sich meine Geschichte auf keinen Fall wiederholt», sagt er taz. Zurzeit macht er eine Ausbildung im Bereich Garten- und Landschaftsbau und vollendet bald seine Geschlechtsangleichung.


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