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Biologie: Menschen mit älteren Brüdern eher schwul und lesbisch

Ein australisches Forscher*innenteam hat Daten von neun Millionen Menschen ausgewertet

Geschwister
Geschwister am Strand (Symbolfoto: Limor Zellermayer / Unsplash)

Die Ergebnisse einer neuen Studie unterstützen die Theorie, dass Menschen mit älteren Brüdern eher homosexuell werden. Man spricht vom «Fraternal Birth Order Effect», den Forschende in den 1950er-Jahren bereits ausmachten und seither als Theorie zur Diskussion stellen.

Demnach geht das Ganze auf eine biochemische Reaktion im Körper der schwangeren Mütter zurück und eine Immunabwehrreaktion auf Proteine, die vom Fötus produziert werden. Die Antikörper, die anschliessend im Körper der Frau bleiben, würden bei der sexuellen Entwicklung der spätergeborenen Kinder eine Rolle spielen, heisst es. (MANNSCHAFT sprach mit Hollywood-Star Chris Evans über seinen schwulen jüngeren Bruder Scott.)

Über diese Theorie wurde schon viel diskutiert und gestritten, denn die Belege basierten meistens auf nicht ausreichend breitgefassten Untersuchungen. Bis jetzt zumindest.

Denn diese Woche veröffentlichte das Journal of Sex Research eine neue Studie, die behauptet «klare Beweise für den Fraternal-Birth-Order-Effekt auf Homosexualität» gefunden zu haben, also die Auswirkung von älteren Brüdern auf die sexuelle Orientierung der jüngeren Geschwister.


Die australischen Wissenschaftler*innen Francisco Perales, Christine Ablaza und Jan Kabatek stützen ihre Analyse auf amtliche Daten von neun Millionen Menschen aus den Niederlanden und verfolgten den Lebensweg von Personen, die zwischen 1940 und 1990 geboren wurden.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Indikator
In den NL-Daten wird – natürlich – nicht die sexuelle Orientierung festgehalten. Was jedoch sehr wohl vermerkt wird ist, wer in eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Ehen lebt. Die Forschenden nahmen das als «Stellvertreter für Homosexualität», wie sie es formulieren.

Dabei stellten sie fest, im Einklang mit der bisherigen Theorie, dass es wahrscheinlicher wird, dass eine Person in einer gleichgeschlechtlichen Verbindung lebt, je mehr ältere Brüder sie hat.


Männer mit einem älteren Bruder waren um 12 Prozent eher in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bzw. Ehe als Männer mit einer älteren Schwester. Bei einem Mann mit drei älteren Brüdern war die Wahrscheinlichkeit 80 Prozent höher, dass er in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt als bei Männern mit drei jüngeren Brüdern – und 41 Prozent wahrscheinlicher als bei denen mit älteren Schwestern.

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Die statistische Auswertung zu Männern, die in den Niederlanden zwischen 1940 und 1990 geboren wurden (Foto: The Journal of Sex Research / The Conversation)

Frühere Untersuchungen in dem Bereich hatten sich fast ausschliesslich auf den Einfluss der Theorie auf Männer fokussiert. Diesmal sagen die Forschenden: «Wir entdeckten das gleiche Muster an Ergebnissen bei Frauen. Auch Frauen gehen eher eine gleichgeschlechtliche Verbindung ein, wenn sie ältere Brüder haben.»

Braucht man einen «Grund» für Homosexualität?
Das LGBTIQ-Nachrichtenportal Pink News weist darauf hin, dass viele innerhalb der queeren Community es fraglich finden, einen «Grund» finden zu wollen, warum jemand nicht-heterosexuell sei. Deshalb verteidigen sich die australischen Forschenden in einem Artikel in The Conversation: «Die sich stetig ausweitende Forschung versucht klarer zu beleuchten, warum manche Menschen sich zum eigenen Geschlecht angezogen fühlen und andere nicht.»

Demnach hätten solche Untersuchungen einen «substanziellen Einfluss» auf die öffentliche Meinung und Debatte, was in Folge auch den Umgang mit LGBTIQ betreffe. «Zum Beispiel wissen wird, dass Menschen, die die sexuelle Orientierung als Folge von biologischen Faktoren ansehen (wie Hormone oder Genetik), eher geneigt sind sexuelle Minderheiten zu unterstützen und sie gesetzlich gleichzustellen, als diejenigen, die sexuelle Orientierung auf soziale Faktoren und individuelle Entscheidungen zurückführen.»

Riesiger Schatten
Die Forscher*innen fügen hinzu: «Selbstverständlich würden Rechte und Respekt in einer idealen Gesellschaft unabhängig davon sein, ob die sexuelle Identität eines Menschen ‹angeboren› oder eine ‹Entscheidung› ist. Unglücklicherweise werfen diese Fragen jedoch nach wie vor einen riesigen Schatten auf die aktuellen Debatten, was die Bedeutung unserer Ergebnisse nur unterstreicht.»

Denn: «Eine biologische Erklärung für menschliche Sexualität zeigt, dass schädliche Praktiken wie etwa Konversionstherapien die sexuelle Orientierung eines Menschen nicht verändern können. Ausserdem wird die Behauptung widerlegt, dass man Homosexualität ‹beigebracht› bekommen könnte, etwa durch entsprechenden Sexualkundeunterricht mit Fokus auf Diversität in Schulen, oder dass diese ‹weitergegeben› werden könnte, zum Beispiel wenn gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren. Deshalb sehen wir unsere Forschung als notwendig an.» (MANNSCHAFT berichtete über LGBTIQ, die ihre Erfahrungen mit Konversionstherapien auf TikTok teilten.)

Das Team aus Australien fasst zusammen: «Wenn man die Mechanismen versteht, die die sexuelle Orientierung beeinflussen, versteht man auch besser, warum Menschen so werden wie sie sind; das hilft dabei, das gesamte Spektrum von menschlicher sexueller Diversität zu normalisieren.»

Die Begriffe «Normalisieren» und «normal» werden von einigen Teilen der aktivistischen queeren Community bekanntlich grundsätzlich abgelehnt, was jüngst die Debatte ums Motto des Zurich Pride vor Augen führte (MANNSCHAFT berichtete). Dennoch gibt es weltweit auch LGBTIQ-Personen, die solche «Normalisierungsbestrebungen» durchaus zu schätzen wissen.


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