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Lesbische Sichtbarkeit: Doku über Komponistin Dora Pejačević

Tim van Beveren und Kyra Steckeweh haben ihr eine Doku gewidmet

Dora Pejačević
Komponistin Dora Pejačević (Foto aus der Doku «Dora – Flucht in die Musik» / tvbmedia productions)

Die Komponistin Dora Pejačević (1885-1923) kennt heute fast niemand mehr. Nun widmet sich eine aufwändig produzierte Doku ihrem Leben und Werk – und beleuchtet auch lesbische Aspekte.

Frauen findet man in der Klassikwelt selten als Namen auf den Programmen – jedenfalls nicht als Komponistinnen. Die Verantwortlichen in den grossen Konzertsälen beschränken sich nach wie vor lieber auf die sogenannten «alten weissen Männer», wenn’s darum geht, Zuschauer*innen anzulocken.

Das heisst selbstverständlich nicht, dass es keine weiblichen Komponistinnen gab. So hat etwa der Dirigent Yannick Nézet-Séguin kürzlich eine Aufnahmereihe gestartet, mit den Symphonien der Afro-Amerikanerin Florence Price (1887-1953). Ein Beispiel, wie sich ein schwuler Dirigent gezielt für eine andere Minderheit einsetzt – und damit einen Grammy gewann.

Dora Pejačević
Die Florence-Price-CD von Jannick Nézet-Séguin (Foto: Deutsche Grammophon)

Die aus Kroatien stammende Komponistin Dora Pejačević war eine Zeitgenossin von Price, lebte aber in Europa in einem gänzlich anderen künstlerischen Umfeld. Obwohl sie zu Lebzeiten durchaus bekannt und viel gespielt wurde, geriet Pejačević nach ihrem tragischen frühen Tod in Vergessenheit. Zumindest ausserhalb Kroatiens.


Intensive Frauenfreundschaften
Die Pianistin Kyra Steckeweh und der Filmemacher Tim van Beveren gehen in ihrem Film «Dora – Flucht in die Musik» auf die Suche nach Pejačevićs Wurzeln. Was sie dabei finden, sind die Spuren eines von der Musik erfüllten aristokratischen Lebens, in dem immer wieder intensive Freundschaften mit anderen Frauen bedeutsam waren.

Dora Pejačević
Kyra Steckeweh und Tim van Beveren bei Dreharbeiten (Szene aus «Dora – Flucht in die Musik» / tvbmedia productions)

Wie intensiv diese Freundschaften waren, lässt sich teils aus den Briefen erkennen, aus denen im Film umfangreich zitiert wird. Dass man einige dieser Freundschaften lesbisch interpretieren kann, wird ebenfalls erwähnt. Allerdings bleibt unklar, warum Pejačević dann trotzdem spät im Leben einen Mann geheiratet hat – und kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes starb.

Symphonie in fis-Moll mit dem Gewandhaus Orchester
In der Doku kann man neben vielem Privaten auch viel Musik von Pejačević hören, zum einen am Klavier gespielt von Kyra Steckeweh, zum anderen haben Steckeweh und van Beveren es geschafft, das Gewandhaus Orchester in Leipzig und deren Chefdirigent Andris Nelsons dazu zu bekommen, die Symphonie in fis-Moll zwischen Corona-Lockdowns aufzuführen und als Aufnahme für den Film zur Verfügung zu stellen. Es ist wahrlich eindrucksvolle Musik!


Nachdem «Dora» diese Woche im Berliner Babylon-Kino Premiere feierte – in Anwesenheit von Vertreter*innen des Gewandhaus Orchesters und des kroatischen Botschafters –, wird der Film am Sonntag (20. November) nochmals dort gezeigt. Dann folgt am 26. November eine Aufführung auf dem Filmklang Filmfestival in Göppingen.

Dora Pejačević
Premiere des Films «Dora – Flucht in die Musik» in Berlin (Foto: Privat)

Zu MANNSCHAFT sagte van Beveren, dass er derzeit an einer 52-minütigen TV-Fassung arbeite, die der MDR und Bayerische Rundfunk sowie der ORF in Österreich nächstes Jahr ausstrahlen wollen.

Übrigens: Van Beveren hat bereits mit der Doku «Komponistinnen» – zusammen mit Kyra Steckeweh – für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Klassikwelt gesorgt. Dafür wurde das Team vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Neu ist bei «Dora» allerdings die lesbische Komponente. Zu der es lohnt, weiter zu forschen.

Im Sammelband «Musik und Homosexualitäten» widmen sich verschiedene Forscher*innen LGBTIQ-Aspekten in der klassischen Musik und fragen, warum diese nicht selbstverständlicher behandelt werden (MANNSCHAFT berichtete).


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