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Ist dieser Mann noch zu retten?

Das Internetportal kath.net ist nicht unbedingt für seinen Kuschelkurs mit der LGBTI-Community bekannt. Laut Selbstbeschreibung handelt es sich um ein „unabhängiges, katholisches, österreichisches Internetmagazin, dessen Aufgabe die Verbreitung von Nachrichten aus der katholischen Welt ist“. Die Aussage eines hessischen Uniprofessors zur Eheöffnung durch den Bundestag Ende Juni im Rahmen eines kath.net-Interviews am 5. Juli schlägt seit dem Bekanntwerden einiger besonders beleidigender Passagen hohe Wellen. Nun hat sogar Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) die Prüfung disziplinarischer Schritte gegen den Evolutionsbiologen gefordert. Ulrich Kutschera war unter anderem mit der Aussage zitiert worden: „Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann- bzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen.“

Minister Rhein ließ am Dienstag in Wiesbaden wissen, er finde die Äußerungen des beamteten Professors abstrus. Er erwarte, dass die Universität Kassel prüfe, ob der Professor als Beamter seine Pflichten dadurch verletzt habe, dass er sich in abfälliger oder herabsetzender Weise gegen Homosexuelle geäußert hat.

[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Dieser Schwachsinn ist durch nichts wissenschaftlich belegbar, sagt aber viel darüber aus, was im Kopf dieses Herrn vorgeht.[/perfectpullquote]
Der offen schwule Landeschef der Grünen und künftiger Landesbeauftragter für Integration und Antidiskriminierung Kai Klose twitterte dazu: „Dieser Schwachsinn ist durch nichts wissenschaftlich belegbar, sagt aber viel darüber aus, was im Kopf dieses Herrn vorgeht.“


Eine Petition fordert inzwischen die Absetzung Kutscheras. Die Initiatorin, Johanna Schlitzkus, erklärt, sie habe über Jahre sexuellen Missbrauch durch heterosexuelle Eltern erlebt. Kutschera hatte in dem Interview auch erklärt: „Bei heteronormalen Elternpaaren mit Kindern sorgt ein genetisch verankertes Inzucht-Verbot, das man auch als ‚instinktives Tabu‘ definieren kann, das z.B. biologische Vätern nicht ihre 20 bis 30 Jahre jüngeren Töchter heiraten und mit ihnen Nachwuchs zeugen“. Damit hatte er u.a. die Überlegenheit heterosexueller Elternschaft über homosexuelle begründet.

Ulrich Kutschera
Mönch K36 – Eigenes Werk/Creative Commons CC-BY-SA 4.0
Universität Kassel, Eingang des Campus am Holländischen Platz

Außerdem lädt der Allgemeine Studierendenausschuss AStA für heute Mittag zusammen mit anderen Gruppen zu einem Protest-Picknick unter dem Motto „Professor K. in die Queere kommen“ ein.

Ulrich Kutschera genießt Freiheit der Wissenschaft


Die Universität teilte mit, dass Professoren für ihre Äußerungen nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die Freiheit der Wissenschaft in Anspruch nehmen könnten, und die werde das Grundgesetz sehr weit gefasst. Der Präsident der Uni, Reiner Finkeldey, räumte aber ein, dass ihn viele kritische bis zum Teil entsetzte Reaktionen erreicht hätten, die er „nur allzu gut nachvollziehen kann“. Mitglieder der Universität sollten sich nicht auf eine Weise äußern, von denen sich Menschen verletzt und abgewertet fühlen.

Auf einer Linie mit Kelle und Beverfoerde

Kutschera ist bereits in der Vergangenheit mit provokanten Thesen aufgefallen. Der Unterzeichner der Frankfurter Erklärung gegen Geschlechtergleichstellungspolitik – auch die konservative Publizistin Birgit Kelle und die Demo-für-alle-Initiatorin Hedwig von Beverfoerde haben unterschrieben, beide erklärte Gegner der „Homo-Lobby“ – hatte vor einigen Jahren die Genderforschung als Werk einer feministischen Sekte bezeichnet, die „uns da ihren Unsinn aufdrückt“. Die Universität hatte ihn darauhin öffentlich gerüffelt und an die im Entwicklungplan der Uni festgelegten Ziele Gleichstellung und Diversity erinnert.


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