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Homofeindliche Angriffe und Landfriedensbruch nach Berlin Pride

Mehrere Teilnehmer*innen wurden körperlich angegriffen und beleidigt; es gibt auch Berichte über Polizeigewalt im Regenbogenkiez

Berlin Pride
Berlin Pride 2021 (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Die Berlin Pride stand dieses Jahr im Zeichen der Pandemie: Trotz Abstandsregeln, Maskenpflicht und Alkoholverbot kamen Zehntausende Menschen. Nach der Parade wurden einige Teilnehmer*innen geschlagen und beleidigt.

Bilder wie in alten Zeiten, mit einem Menschenmeer am Brandenburger Tor – und wohl die grösste Demonstration in Berlin seit Beginn der Coronakrise: Zehntausende haben am Samstag bei der Berlin Pride für die Rechte queerer Menschen demonstriert. Die Polizei sprach von etwa 65 000 Teilnehmenden, die Veranstalter gar von 80 000. Ursprünglich waren lediglich 20 000 Menschen erwartet worden. Unter den Demonstrant*innen war auch der Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters, Kultursenator Klaus Lederer (Linke).

Getreten und mit der Faust ins Gesicht geschlagen
Nach der Parade kam es allerdings zu mehreren homofeindlichen Angriffen. In Mitte wurde in der Nacht ein 21-Jähriger durch einen Unbekannten von hinten getreten und von einem weiteren Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der 21-Jährige war mit drei Freunden am Hackeschen Markt unterwegs. Im Bereich einer Unterführung in Höhe Burgstrasse/Henriette-Herz-Platz soll ein Unbekannter ihm unvermittelt von hinten in den Hüftbereich getreten haben. Als der Getretene den Angreifer daraufhin zur Rede stellen wollte, kam ein weiterer Mann hinzu und schlug dem 21-Jährigen ins Gesicht. Darüber hinaus rissen die beiden Unbekannten eine Regenbogenfahne aus dem Rucksack des jungen Mannes, der Holzstiel zerbrach.

Alarmierte Kräfte der Feuerwehr versorgten den Verletzten vor Ort und brachten ihn anschliessend zur weiteren Versorgung in ein Krankenhaus. Zeug*innen bestätigten die Angaben des 21-Jährigen und teilten mit, dass die beiden Angreifer in einer grösseren Gruppe unterwegs gewesen sein sollen. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung übernommen.


Aus Gruppe heraus körperlich angegriffen und beleidigt
Nach weiteren körperlichen Übergriffen und homofeindlichen Beleidigungen in Schöneberg hat der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt Ermittlungen aufgenommen. Gegen 18.45 Uhr am Samstagabend sollen in einer Grünanlage am Viktoria-Luise-Platz drei Personen einer Gruppe ehemaliger CSD-Teilnehmer*innen (51, 48, 39) aus einer grösseren Gruppe heraus körperlich angegriffen und teilweise beleidigt worden sein.

Die 48-Jährige gab an, aus der Gruppe heraus einen Schlag gegen den Rücken bekommen zu haben und dann gestürzt zu sein. Anschliessend soll sie ein später namhaft gemachter 22-Jähriger mit seinem Fuss gegen den Rücken getreten haben. Dem 39-Jährigen soll derselbe 22-Jährige gegen den Rücken geschlagen haben. Der 51-Jährige, der die Auseinandersetzung mit seinem Handy aufnahm, soll von einer 19-Jährigen mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen worden sein. Der 39-Jährige und die 48-Jährige gaben ausserdem an, homophob beleidigt worden zu sein. Alle drei wurden leicht verletzt. Zeug*innen riefen die Polizei, die der Gruppe der flüchtenden Tatverdächtigen nacheilte und sie im U-Bahnhof Viktoria-Luise-Platz stellen konnte.

Im Rahmen der Festnahmen verletzten der 22-jährige Tatverdächtige und ein 18-Jähriger aus dessen Gruppe zwei Polizisten. Der 18-Jährige schlug einem Beamten mit der Faust gegen den Kopf und verletzte ihn dabei. Der 22-Jährige sprang einem Polizisten unter anderem in den Rücken. Weitere Mitglieder der Gruppe der Angreifenden konnten nur mit Unterstützung von hinzualarmierten Kräften einer Einsatzhundertschaft und der Androhung eines Reizgaseinsatzes von einem Eingreifen abgehalten werden. Die beiden 22- und 18-Jährigen kamen ebenso wie die 19-jährige Tatverdächtige in einen Polizeigewahrsam, aus dem sie nach erkennungsdienstlichen Behandlungen und richterlich angeordneten Blutentnahmen wieder entlassen wurden. Die Ermittlungen des Polizeilichen Staatsschutzes dauern an.


Auf Facebook kursieren zudem Berichte von Polizeigewalt gegen Feiernde im Regenbogenkiez. Von «Jagzszenen in der Motzstrasse» seitens der Polizei ist die Rede und davon, dass ein Mann mit Schädel-Hirn-Trauma und «einer durch einen Polizeistiefel verursachten Augenverletzung» im Krankenhaus liege.

Im Rahmen der Demonstration unter dem Motto «Wir sind hier und wir sind queer – in jeder Farbe, Grösse und Form… » kam es zudem unter anderem zu einem besonders schweren Landfriedensbruch und Angriffen auf Polizeikräfte.

Mit zunächst mehreren hundert Teilnehmenden zog der Aufzug ab 17.25 Uhr vom Hermannplatz in Neukölln zum Oranienplatz in Kreuzberg. Bis zur ersten Zwischenkundgebung am Kottbusser Tor beteiligte sich in der Spitze eine Personenanzahl im mittleren vierstelligen Bereich an der Demonstration. Während des Aufzuges musste die Versammlungsleitung immer wieder aufgefordert werden, auf die Teilnehmenden einzuwirken, da diese die Vorgaben des Hygienekonzeptes teilweise missachteten. Hierfür wurden immer wieder Lautsprecherdurchsagen veranlasst und durchgeführt.

Nötigung durch einen Ordner
Gegen 18.30 Uhr soll es im Bereich der Reichenberger Strasse/Mariannenstrasse zu einer Nötigung durch einen 42 Jahre alten Ordner gekommen sein. Dieser soll mehrfach die Arbeit von Pressevertretenden behindert haben, indem er diesen mit einem Handlautsprecher aus nächster Nähe in die Gesichter gebrüllt habe. Die Pressevertreter*innen hätten sich hierdurch stark in der Ausübung ihrer Arbeit eingeschränkt gefühlt und sich genötigt gefühlt, den Ort zu verlassen. Da der Ordner der mehrfachen Aufforderung durch die Polizei, dieses Verhalten zu unterlassen, nicht nachkam, wurde ihm ein Tatvorwurf gemacht und er wurde vorläufig festgenommen. Ihm wurde die Handfessel angelegt und die Polizeikräfte brachten ihn zu einem Polizeifahrzeug. Als umstehende Teilnehmende dies bemerkten, kam es zu Solidarisierungseffekten mit dem Festgenommenen. Zunächst stellten sich rund 50 bis 80 Personen vor und um das Fahrzeug.

Die Weiterfahrt wurde dadurch verhindert, dass sich Teilnehmer*innen auf die Fahrbahn setzten, auf das Trittbrett des Wagens stiegen und erfolglos versuchten, die Tür zu öffnen. Es wurden durch die Personen polizeifeindliche Sprechchöre skandiert. Als die Situation im Aufzug bemerkt wurde, strömten rund 300 Personen aus dem Aufzug zu dem Polizeifahrzeug. Polizeikräfte stellten sich den hinzuströmenden Menschen in Form einer Polizeikette in den Weg und forderten diese auf, zurück in den Aufzug zu gehen. Da die Angesprochenen der Aufforderung nicht nachkamen und weiterhin versuchten, zu dem Polizeifahrzeug zu gelangen, mussten die Polizeikräfte körperliche Gewalt in Form von Schieben und Drücken anwenden. Teilnehmende schlugen und traten die Polizistinnen und Polizisten. Ein Beamter wurde mit Fahnenstangen attackiert, blieb jedoch unverletzt.

Polizeikräfte setzten gezielt körperliche Gewalt gegen die Aggressoren ein
Die Polizeikräfte setzten gezielt körperliche Gewalt in Form von Schlägen gegen die Aggressoren unter den Teilnehmenden ein, woraufhin es wenig später zu einer Lageberuhigung kam und sich die Personengruppe zurückzog. Das Polizeifahrzeug konnte zur Wiener Straße fahren, wo der Tatverdächtige nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder entlassen wurde.

Aufgrund der Corona-Krise hatten die Veranstalter statt des oft üblichen Party-Charakters der Parade vor allem das politische Element des Umzugs betont. Sie hatten zuvor ein Alkoholverbot ausgesprochen. Entsprechend reduziert war zudem die Zahl der Lautsprecher-LKW. Aus den Boxen drangen nicht nur Techno-Musik, sondern häufig auch politische Reden, in denen etwa über die Situation von LGBTIQ in Polen und Ungarn gesprochen wurde. (mit dpa)


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