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Kompromisslos queer: Lil Nas X beim Gurtenfestival

Mit ganz viel Twerking, Voguing und An-den Arsch-fassen

lil nas x
Kurz vor Mitternacht startete die Show von Lil Nas auf der Hauptbühne. (Bild: Nicolas Fischer)

Am Freitagabend stand das Berner Gurtenfestival ganz im Zeichen des schwulen Superstars Lil Nas X. Zehn Tage nach seinem Auftritt am Montreux Jazz Festival beglückte der Amerikaner den Berner Hausberg mit seinem zweiten Schweizer Konzert.

Das Negative vorweg: Der 24-Jährige kam zu spät und ging zu früh. Die ganze Show dauerte weniger als eine Stunde, die für einen Act auf der Hauptbühne üblich ist, geschweige denn den Headliner des Abends. Zwei Mal überliess Lil Nas X für mehrere Minuten die Bühne seinen Tänzern zur Überbrückung. Gut, ein Zwischenspiel schenken wir ihm, nutze er dieses doch für einen Kostümwechsel.

In rund 50 Minuten schaffte es Lil Nas X jedoch, eine energiegeladene und kompromisslos queere Show abzuziehen. Mit blonden Extensions und einem goldig-metallenen Bustier zündete er gemeinsam mit seinen acht Tänzern ein Feuerwerk von ausschweifendem Kitsch und Nonkonformität. Mit dabei: Ganz viel Twerking, Voguing und An-den-Arsch-fassen. Da kann gerne darüber hinweggesehen werden, dass der Rapper stellenweise die Show dem Livegesang vorzog.

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Fulminante Performance: Lil Nas X auf der Hauptbühne des Gurtenfestivals. (Bild: Frank Leuenberger)

«Switzerland, willst du meine Schlange sehen?», rief Lil Nas X ins Publikum, bevor seine Tänzer eine Metallschlange auf Stäben auf die Bühne trugen. Während der Show folgten weitere Wesen: ein weisses Langhaarpferd für seinen Hit «Old Town Road», ein Storch und ein Yeti.


Auf der Bühne prangerte mit aufgeblasenen abstrakten Buchstaben der Schriftzug «LOVE», Videos auf der Leinwand zeigten Lil Nas X spärlich gekleidet auf allen Vieren, den Hintern in die Höhe gestreckt. Nach dem Kostümwechsel präsentiert er seinen durchtrainierten Körper im Lendenschurz mit Kuhschädel.

Abgesehen von seinen Fans in den ersten Reihen schaffte es der schwule Superstar jedoch nicht, den Draht zum Publikum zu finden. Da half auch ein «Switzerland, I love you so much» nicht viel. Überhaupt zeigte sich Lil Nas X von seiner unnahbaren Seite: Presseinterviews gab es keine, weder in Bern noch in Montreux. Auf den Hit «Star Walkin’» wartete das Publikum vergeblich.

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Lil Nas X nach seinem Kostümwechsel mit Lendenschurz und Kuhschädel. (Bild: MANNSCHAFT)

Als am Schluss wieder das Licht auf der Bühne anging, war es nicht für die Zugabe, sondern für die Bühnentechniker*innen, die die Luft aus den aufblasbaren Buchstaben liessen. Die Luft war sprichwörtlich raus. Kompromisslos bis zum Ende: Einer Diva stellt man keine Bitten.


@mannschaftmagazinDas war Lil Nas X auf dem Gurten in #Bern!

♬ Originalton – mannschaftmagazin

Was Lil Nas X jedoch geschafft hat, ist das Zünden einer queeren Bombe, die auf dem Gurten noch lange nachhallen und neue Massstäbe setzen dürfte. Sechs Jahre nachdem Macklemore beim Gurtenfestival ein Plädoyer für die Ehe für alle hielt, präsentierte Lil Nas X dem Mainstream-Publikum twerkende Männer, die untereinander Zärtlichkeiten austauschten und Outfits trugen, die üblicherweise für Frauen vorgesehen sind. «Start shaking that ass, what are you afraid of, bitch?», schrie Lil Nas X twerkend ins Mikrofon. Videos im Hintergrund zeigten Liebesszenen zwischen einer Minotaur-ähnlichen Figur und einem Mann mit entblösstem Penis.

Nach Apache am Mittwoch und den twerkenden Megan Thee Stallion und Aniita im Vorjahr setzte Lil Nas X einen längst überfälligen Kontrastpunkt am Gurtenfestival. Nun muss es ihm nur noch gelingen, auf das Publikum einzugehen.


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