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«Kultur der Offenheit und Akzeptanz» statt Kultur der Angst?

Ist die katholische Kirche reformfähig?

Synodalversammlung
Eine Teilnehmerin und ein Teilnehmer mit Regenbogen-Maske auf der Dritten Synodalversammlung (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die am Samstag zu Ende gegangene Synodalversammlung stand unter grossem Erwartungsdruck: Verändert sich endlich etwas in der katholischen Kirche? Frauen als Diakoninnen, Segnungen homosexueller Paare … Der Wille ist da. Zumindest in Deutschland.

Von Eva Krafczyk und Christoph Driessen, dpa

Schwester Philippa Rath ist eine Nonne, aber eine höchst unangepasste. Seit vielen Jahren kämpft sie gegen die «klerikale Männerkirche». Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, und das hat dazu geführt, dass man jedesmal aufhorcht, wenn sie in der Synodalversammlung der deutschen Katholiken in der Frankfurter Messe das Wort ergreift. Schwester Philippa wird gehört.

Wenn wir diese Texte verabschieden, wird die Kultur der Angst hoffentlich weichen.

Bei den letzten beiden Synodalversammlungen hatte die 66 Jahre alte Benediktinerin vielfach Kritisches zu sagen. Doch am Samstag zeigte sie sich zufrieden. «Die Angst bröckelt jetzt endlich», stellte sie fest. «Wenn wir diese Texte verabschieden, wird die Kultur der Angst hoffentlich weichen und zu einer Kultur der Offenheit und Akzeptanz.»


Ist die katholische Kirche reformfähig? Die am Samstag beendete dritte Synodalversammlung hat auf jeden Fall gezeigt: Die katholische Kirche in Deutschland ist reformwillig. Frauen als Diakoninnen, verheiratete Priester, Segnungen homosexueller Paare, Mitsprache von Gläubigen bei der Bischofswahl – all das soll nach dem Willen einer überwältigenden Mehrheit der Delegierten Wirklichkeit werden. «Es passiert unglaublich viel», freute sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing.

Kirchliche Sexualmoral und die Bewertung von Homosexualität standen am Samstag im Mittelpunkt einer lebhaften Diskussion der Vollversammlung des Synodalen Wegs der deutschen Katholiken. Dabei gab es in erster Lesung eine deutliche Mehrheit für einen Text, der Homosexualität als gleichwertige Identität würdigt. Keiner Person dürfe die Übernahme von kirchlichen Ämtern sowie der Empfang der Priesterweihe verwehrt werden, weil sie homosexuell veranlagt sei, heisst es in dem Text. Bei einer späteren Synodalversammlung muss darüber noch verbindlich in zweiter Lesung abgestimmt werden.

Ebenso wie bei einem Text zu ehelicher Liebe und Sexualität bedeutet das eine lehramtliche Neubewertung, das heisst eine Weiterentwicklung der katholischen Lehre. Sollte der Text beschlossen werden, empfiehlt die Synodalversammlung dem Papst, eine solche lehramtliche Neubewertung vorzunehmen. Wenn der Papst dies tun würde, hätte dies nicht nur Auswirkungen auf den Katholizismus in Deutschland, sondern weltweit.


Manchen Delegierten gingen die Texte zu weit, anderen nicht weit genug: Ein Diskriminierungsverbot dürfe nicht nur für Homosexuelle gelten, sondern für alle sexuellen und Geschlechtsidentitäten, forderten vor allem junge Delegierte. Eine lesbische Religionslehrerin würdigte den Text als ersten «Schritt zu einer Kirche ohne Angst, eine wahre inklusive Kirche».

Schon seit 2019 läuft bei den deutschen Katholiken der Reformprozess Synodaler Weg, eine Initiative sowohl der Bischöfe als auch der sogenannten Laien, der normalen Gläubigen in den Gemeinden, die im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) organisiert sind. Die Synodalversammlung ist das zentrale Entscheidungsgremium dieses Reformprozesses. Sie tagte von Donnerstag bis Samstag schon zum dritten Mal in Frankfurt.

Bereits bei den vorigen Konferenzen war deutlich geworden, dass der allergrösste Teil der Delegierten dem Reformlager angehört (MANNSCHAFT berichtete). Reformvorschläge konnten durchweg mit einer 80-Prozent-Mehrheit rechnen. Da die katholische Kirche aber keine Demokratie ist, kann nichts beschlossen werden, wenn es nicht auch von einer deutlichen Mehrheit der Bischöfe mitgetragen wird. Die Bischöfe waren bisher die «Black Box» des ganzen Prozesses – niemand wusste mit Sicherheit zu sagen, wieviele von ihnen eigentlich hinter den Reformen stehen.

Hier gab es nun in den vergangenen Tagen einen wirklichen Fortschritt: Erstmals stimmten in einem Sondervotum auch nur die Bischöfe über die vorgelegten Texte ab. Dabei ergab sich immer eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Reformen. Etwa ein Dutzend Bischöfe stimmte dagegen. Die Ergebnisse wurden mit einem Stossseufzer der Erleichterung aufgenommen. Ihr sei «ein Stein vom Herzen gefallen», gestand etwa Beate Gilles, die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz. Hätten sich die Bischöfe quergestellt, hätte dies das Ende des gesamten Reformprozesses bedeuten können. Denn die Laienvertreter*innen waren entschlossen, sich auf keinen Fall für eine reine Show-Veranstaltung zur Verfügung zu stellen.

Was von den Reformen letztlich umgesetzt wird, ist dennoch unklar. «Papier ist unendlich geduldig», sagte zum Abschluss die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp und überreichte Bischof Bätzing Traubenzucker als Energieschub zum Handeln.

Liebe Bischöfe, Sie können den Schmerz einstellen, der für mich verbunden ist mit diesem Arbeitsrecht!

Ein besonders bewegender Augenblick war ein Appell von Mara Klein, einem diversen Mitglied der Synodalversammlung. Klein hat sich entschieden, nach dem Abschluss ihres Religionsstudiums das Lehrerreferendariat nicht anzutreten: «Ich könnte die Willkür und Abhängigkeit nicht aushalten.» Mit brechender Stimme rief Klein die Bischöfe dazu auf, das kirchliche Arbeitsrecht zu ändern, das immer noch so viele Menschen diskriminiert: «Liebe Bischöfe, Sie können den Schmerz einstellen, der für mich verbunden ist mit diesem Arbeitsrecht!»

Das Arbeitsrecht könnten die deutschen Bischöfe eigenständig reformieren, aber für vieles andere wäre die Zustimmung des Papstes nötig. Wo der steht, machte sein Botschafter in Deutschland, Nikola Eterovic, deutlich. Der Apostolische Nuntius hatte kein einziges Wort der Ermutigung für die Delegierten mitgebracht, nur Mahnungen und Warnungen.

Die Kirche umfasse 1,3 Milliarden Menschen, und nur 22,6 Millionen davon lebten in Deutschland, rief er in Erinnerung. Und dann zitierte er den antiken Kirchenlehrer Irenäus von Lyon, der gesagt habe: «Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien oder bei den Kelten, die im Orient oder in Ägypten, die in Libyen oder in der Mitte der Welt.» Das sind Begriffe, die man hierzulande wohl eher mit Asterix verbindet, aber nicht unbedingt als Massstab für heutiges Handeln akzeptieren dürfte.

Während der Nuntius seine von frömmelnden Formulierungen durchsetzte Rede hielt, blickte er im Saal in die Gesichter der Delegierten, die teilweise Masken in den Regenbogenfarben trugen. Es waren zwei Welten, die hier aufeinandertrafen.


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