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Appenzell: Schwuler Kandidat gegen homophoben Nationalrat

Im Halbkanton Appenzell Ausserrhoden gibt es nur einen Nationalratssitz – und der ist umstritten

Schutz für LGBTIQ
Appenzeller Idylle unterm Regenbogen (Bild: PD / Senntumsmalerei von Johannes Müller; Regenbogen digital eingefügt)

Brisanter Wahlkampf in Appenzell Ausserrhoden: Der schwule FDP-Politiker Matthias Tischhauser greift den Sitz des homophoben SVP-Nationalrats David Zuberbühler an.

Anders als in anderen Kantonen ist in Appenzell Ausserrhoden die Nationalratswahl faktisch eine Majorzwahl: Für den kleinen Halbkanton steht in der Grossen Kammer nämlich nur ein einziger Sitz bereit – und diesen besetzt seit 2015 die SVP. Obwohl die FDP im aktuellen Kantonsrat von Appenzell Ausserrhoden der Schweizerischen Volkspartei weit überlegen ist (22 zu 7 Sitze), gelang es den Freisinnigen weder 2015 noch 2019, den meist streng nach Parteilinie abstimmenden David Zuberbühler zu verhindern.

Für die bevorstehende Wahl und damit den dritten Versuch schickt die FDP nun Matthias Tischhauser, den Kantonsrat und Präsidenten der ständigen Kommission Bau- und Volkswirtschaft, ins Rennen. Das Brisante an der Ausgangslage: Herausforderer Tischhauser ist mit einem Mann verheiratet, Zuberbühler ist konservativ-religiös und fällt durch homophobe Standpunkte auf.

Persönliche Angriffe
Zuberbühler hatte aktiv gegen die Ehe für alle gekämpft und sich an vorderster Front für das Referendum eingesetzt. Dabei habe er einen Flyer verteilt, der «extrem diskriminierend und verletzend gegenüber allen Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Hetero-Paaren ohne Kinder» sei, so Tischhauser in einem Interview mit der Appenzeller Zeitung. Gegenüber demselben Medium sagte Zuberbühler, dass es «Fakt» sei, dass «die Ehe für alle inklusive Samenspende für lesbische Paare zu gesetzlich vorgesehener Vaterlosigkeit und Identitätsproblemen für die betroffenen Kinder» führe.


Auch in Leserbriefen von SVP-Anhänger*innen gegen seine Person sei ein homophober Unterton auszumachen, sagt Tischhauser weiter. Der 47-Jährige rechnet im Verlauf des Wahlkampfs mit weiteren persönlichen Angriffen.

«Wir haben gesehen, was die Junge SVP am Pride-Anlass in St. Gallen mit ihrer Aktion geboten hat, als sie Teilnehmende im Netz blossstellte. Homophobie wird leider wieder salonfähig. Als ich mich Anfang 1990er-Jahre geoutet habe, war die Stigmatisierung hoch. Danach wurde die Gesellschaft toleranter. Nun nimmt die Ausgrenzung wieder zu, vor allem durch rechtsreligiöse, evangelikale Kreise, aus deren Umfeld mein politischer Gegner stammt.»

Erschwerende Mitte-Kandidatur?
Der Wahlkampf in Appenzell Ausserrhoden ist jedoch kein Duell: Mit Claudia Frischknecht greift auch die Mitte den einzigen Sitz im Nationalrat an. Sie gilt jedoch eher als Aussenseiterin – besonders seit dem Parteitag der SP. Obwohl Frischknecht den Sozialdemokrat*innen politisch eigentlich näherstehen sollte, entschieden sich diese, Tischhauser zu unterstützen.


Wie die Appenzeller Zeitung berichtete, liege dies vermutlich daran, dass der FDP-Kandidat in ökologischen wie gesellschaftlichen Themen eher auf der Linie der SP sei. Obwohl Zuberbühler und Tischhauser beide für bürgerliche Parteien politisieren, sind ihre Ansichten in einigen wichtigen Fragen konträr: Tischhauser war für die Ehe für alle; Zuberbühler ist unter Berufung der Bibel dagegen. Tischhauser begrüsst das im Juni angenommene Klimaschutzgesetz; Zuberbühler findet, die Schweiz unternehme in diesem Bereich schon genug.

Und man traut ihm offenbar im Wahlkampf gegen den SVPler mehr zu als Frischknecht. Die FDP darf auf dem Wahlzettel sogar das Logo der SP benutzen – auch das zeigt, wie gross der Wunsch im linken Lager ist, Zuberbühler loszuwerden. Trotz Unterstützung von links dürfte die Mitte-Kandidatur die Sache für den LGBTIQ-Kandidaten eher erschweren. Es ist nämlich anzunehmen, dass eine Mehrheit der Personen, die am 22. Oktober Claudia Frischknecht wählen, bei einem Duell FDP gegen SVP Tischhauser bevorzugen würden.

Kantonsrat Matthias Tischhauser hat sich erfolgreich für den Schutz für LGBTIQ in der neuen Kantonsverfassung eingesetzt (MANNSCHAFT berichtete). Er ist ausserdem einer von 15 queeren Kandidat*innen, die unseren Fragebogen zur bevorstehenden Wahl ausgefüllt haben – hier geht’s zum Beitrag!


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