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Angriff auf Malte C.: Der Tatverdächtige soll selbst schwul sein

Das geht aus einem psychiatrischen Gutachten hervor

Münster
Hafenplatz in Münster (Foto: David Inderlied/dpa)

Nach übereinstimmenden Informationen mehrerer Nachrichtenportale soll der Tatverdächtige, der am Rande des CSD Münster im August 2022 trans Mann Malte C. mit zwei Faustschlägen tödlich verletzt haben soll, selbst schwul sein.

Vom 13. Februar an muss sich der 20-jährige Nuradi A. unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor der Jugendstrafkammer in Münster verantworten (MANNSCHAFT berichtete). Der Verteidiger des russischen Staatsbürgers tschetschenischer Herkunft, Siegmund Benecken, erklärte im Vorfeld: «Mein Mandant wird sich zur Sache einlassen. Er bedauert dies sehr.»

Zum Fall hat Focus-Online diese Woche einen Artikel veröffentlicht, nach dem eine Untersuchung durch die psychiatrische Sachverständige ergeben habe, dass der Angeklagte seit seinem 14. Lebensjahr wusste, dass er schwul sei.

Laut Focus habe er diesen «Umstand» aber nicht wahrhaben wollen: «In seiner islamisch geprägten Heimat gilt Homosexualität als gesellschaftliches Tabu und zersetzenden Übel.»


Weiter heisst es: «Nuradi A. scheint nach wie vor in alten archaischen Sitten seiner Heimat gefangen zu sein. Dazu passt folgende Begebenheit: Während des CSD hat ihn ein Teilnehmer mit dem Handy fotografiert. Aufgeregt bittet der Tschetschene darum, diese Aufnahmen zu löschen.»

Belastender Zwiespalt
Warum? Sein Vater, der in Tschetschenien lebt, sollte nicht via Internet erfahren, dass er schwul sei, schreibt Focus. «Offenbar schämt A. sich, will sich seine Vorliebe für andere Männer nicht eingestehen.» In diesem Zwiespalt könne er die eigene Homosexualität als äusserst belastend empfunden haben, konstatiert die von Focus zitierte Gutachterin.

Den Angriff auf Malte C. in Münster bewerte die Psychiaterin als unbewusste Abwehr «eigener homosexueller Wünsche». Demnach habe Nuradi A. zugeschlagen, «um nach aussen hin zu zeigen, wie sehr er Schwule und Transsexuelle hasst», meint Focus und ergänzt: «Diese Schlussfolgerung stellt die Gutachterin in ihrer vorläufigen Expertise allerdings nur als Vermutung in den Raum.»


Fakt bleibe, dass der Angeklagte als «notorischer Schläger» aktenkundig sei. Vor diesem Hintergrund attestiere die Psychiaterin Nuradi A. einen Hang zu «dissozialem Handeln» und «einer alkoholinduzierten aggressiven Gestimmtheit».


Mehr zum Thema: Die Lage für LGBTIQ in Tschetschenien ist nach wie vor dramastisch, fünf Jahre nach der ersten grossen Verfolgungswelle


Was das bedeutet, wird vom Focus auch erklärt: «Fühlt er sich gekränkt, schlägt er zu. In der Vergangenheit liefen bereits fünf Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungsdelikten. Dabei hat der Beschuldigte ein Opfer bewusstlos geschlagen.»

Trinken und Kiffen als Form des Verdrängens
Etwa einen Monat vor den tödlichen Ereignissen auf dem CSD Münster, soll der Angeklagte mehrere Personen verletzt haben. Das Gros der Verfahren sei allerdings aus unterschiedlichen Gründen wieder eingestellt worden, heisst es.

Laut Focus-Bericht hätten Nuradi A. «soziale Ängste» beschlichen, als er mit 14 seine Homosexualität entdeckt habe. Er soll damals angefangen haben zu trinken und zu kiffen, «weil er dann besser alles verdrängen kann».

„Den Angriff bewertet die Psychiaterin als unbewusste Abwehr „eigener homosexueller Wünsche“. Demnach hat Nuradi A. zugeschlagen, um nach außen hin zu zeigen, wie sehr er Schwule und Transsexuelle hasst.“ Und deshalb ist es kein Hassverbrechen?https://t.co/K6BzHhwpy6

— 🐻Till Randolf Amelung 🏳️‍🌈🇺🇦 (@TillRandolf) February 3, 2023

2019 machte Nuradi A. einen Hauptschulabschluss, die Mittlere Reife in der 10. Klasse schaffte er nicht. Im Sommer 2022 bekam er eine Anstellung als Lagerarbeiter, brach die Arbeit aber wieder ab. «Immer wieder rastet er bei der kleinsten Beleidigung aus, wird aggressiv und schlägt zu», so der Focus.

Es sind zehn Gerichtstermine bis zum 17. April angesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen deutschen Box-Jugendmeister in seiner Gewichtsklasse unter anderem gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge vor. Aufgrund des Gutachtens würden die Ankläger*innen einen queerfeindlich oder homophob motivierten Angriff ausschliessen, heisst es.

OP-Narben waren noch zu sehen
So lautet die Focus-Überschrift denn auch «Angeklagter tötete Transmann Malte C offenbar nicht aus Homophobie». Aber tötete er ihn aus Transphobie?

Malte C.
Malte C. (Foto: privat)

Er hatte damals in Münster zuerst drei Frauen als «Scheiss-Transen» beschimpft. Als Malte C. dazwischenging, lief er – wegen der grossen Sommerhitze und CSD-Atmosphäre – oberkörperfrei herum. «Vor einiger Zeit hat er sich den Ermittlungen zufolge seine Brüste operativ entfernen lasse»“, schreibt Focus. Die OP-Narben waren demnach zu sehen.

Nuradi A. soll Malte C. wutentbrannt aufgefordert haben, sein Maul zu halten, er sei ja gar kein richtiger Mann. Dann schlug er zu (MANNSCHAFT berichtete).

Das Anti-Gewalt-Projekt Maneo in Berlin hat Malte C. wegen seiner Zivilcourage posthum fürs Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen (MANNSCHAFT berichtete).


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