10 Verbände um DFB kontern FIFA – Fan-Proteste gegen Katar nehmen zu

Von Berlin bis Dortmund

Hertha-Fans in der Ostkurve zeigen Spruchbänder  u.a. gegen «Verfolgung bestimmter Sexualitäten» (Foto: Soeren Stache/dpa)
Hertha-Fans in der Ostkurve zeigen Spruchbänder u.a. gegen «Verfolgung bestimmter Sexualitäten» (Foto: Soeren Stache/dpa)

Zwei Wochen vor WM-Start in Katar nehmen die Proteste der Bundesliga-Fans zu. Auch die europäischen Verbände wollen nicht nur über Fussball reden. Gemeinsam beziehen sie Stellung.

Patrick Reichardt, dpa

In den deutschen Fankurven nimmt der Protest gegen die WM 2022 in Katar und deren Umstände sichtbar zu – und auch die Verbände wollen sich von der FIFA nicht diktieren lassen, nur über Fussball zu sprechen. Der Deutsche Fussball-Bund veröffentlichte am Sonntag ein Statement, das zuvor mit neun weiteren europäischen Verbänden abgestimmt worden war. Darin hiess es: «Wir werden weiterhin Impulse für positiven, progressiven Wandel unterstützen und uns weiter für ein überzeugendes Ergebnis hinsichtlich der zwei entscheidenden und offenen Themen einsetzen und engagieren, über die wir seit langer Zeit mit der FIFA diskutieren.»

Die FIFA hatte in dieser Woche einen Brief verschickt, in dem es laut Sky News hiess: «Wir wissen, dass Fussball nicht in einem Vakuum lebt, und wir sind uns ebenso bewusst, dass es überall auf der Welt viele Herausforderungen und Schwierigkeiten politischer Art gibt. Aber lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fussball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.» Sowohl der DFB als auch der Weltverband hatten bestätigt, dass es ein solches Schreiben gibt.

Neben Deutschland waren an der Antwort, in der deutliche Kritik an der FIFA und dem viel diskutierten Brief ausblieb, auch die Verbände aus Belgien, Dänemark, England, Norwegen, Portugal, Schweden, Wales, der Schweiz und den Niederlanden beteiligt. Konkret gehe es bei den zwei Themen um einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter sowie das Konzept eines in Doha zu errichtenden Gastarbeiter-Zentrums.

Die Verbände begrüssten zwar den Fortschritt von Katar mit Blick auf die Rechte von Gastarbeitern sowie die getätigten Zusagen, dass alle Fans – auch aus der LGBTIQ-Community – bei der WM sicher seien. Ausserdem stimme man der FIFA zu, dass Vielfalt eine Stärke sei. «Jedoch bedeutet das Bekenntnis und Eintreten für Vielfalt und Toleranz auch, Menschenrechte zu unterstützen. Menschenrechte sind allgemeingültig und überall zutreffend», hiess es.

Die Kneipe Lotta in der Kölner Südstadt boykottiert die Fussball WM-Spiele in Katar (Foto: Thomas Banneyer/dpa)
Die Kneipe Lotta in der Kölner Südstadt boykottiert die Fussball WM-Spiele in Katar (Foto: Thomas Banneyer/dpa)

Den Fans in Deutschland reicht das nicht. Sie fordern offen in ihren Kurven zu einem Boykott des grössten Fußballturniers der Welt auf. «15 000 Tote für 5760 Minuten Fussball! Schämt euch», war am Samstag auf Transparenten im Berliner Olympiastadion zu lesen. Auch die Dortmund-Fans forderten in riesigen schwarzen Buchstaben auf einem die komplette Tribüne ausfüllenden gelben Transparent zu einem Boykott auf.

Die WM in dem Emirat steht wegen Menschenrechtsverstössen und des Umgangs mit Arbeiterinnen und Arbeitern aus anderen Ländern schon lange in der Kritik. In der Vergangenheit war es auch zu tödlichen Unfällen auf den Baustellen gekommen. Die Regierung des Emirats verweist auf eigene Reformen und weist Teile der Kritik zurück.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die erst in dieser Woche nach Katar gereist waren, hinterfragten derweil einen Fernsehboykott. Die Entscheidung, Spiele im Fernsehen zu verfolgen, wollten sie jedem selbst überlassen, erklärten beide in einem gemeinsamen Interview der Welt am Sonntag. «Ein Fernsehboykott bewirkt überhaupt nichts», sagte Faeser und fragte: «Ist die Fussball-Weltmeisterschaft für viele Menschen vor dem Fernseher nicht etwas, was sie auch geniessen wollen?» Faeser selbst kündigte an, zum ersten deutschen WM-Spiel am 23. November gegen Japan erneut nach Katar zu reisen.

Der LSVD meint, es sei Zeit das System FIFA aufzulösen. Der Fokus solle auf den Menschenrechten liegen und nicht auf Kommerzialisierung und Korruption (MANNSCHAFT berichtete).

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