«Meinen offiziellen Vornamen zu lesen war ein emotionaler Moment»

Franziska änderte auf dem Zivilstandsamt Luzern ihren Vornamen und Geschlechtseintrag

Die offizielle Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags war ein langer Wunsch von Franziska. (Bild: Mannschaft Magazin)
Die offizielle Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags war ein langer Wunsch von Franziska. (Bild: Mannschaft Magazin)

Seit dem 1. Januar gilt in der Schweiz die vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags. Franziska ist eine der Ersten, die vom neuen Gesetz Gebrauch macht.

Auf dem Zivilstandsamt können trans Personen seit dem 1. Januar ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern lassen (MANNSCHAFT berichtete). Für die Anpassung ist leidglich eine einfache Erklärung und eine Gebühr von 75 Franken fällig. Der Prozess ist rasch und unbürokratisch, doch für Franziska (Nachname der Redaktion bekannt) ist der Termin beim Zivilstandsamt von ungeheurer Bedeutung. Er symbolisiert die staatliche Anerkennung ihrer Identität.

Die 39-jährige Luzernerin ist nervös und erscheint über eine halbe Stunde zu früh für ihren Termin am 17. Januar. Mit ihrer besten Freundin Steffi, die sie zur seelischen Unterstützung mitgebracht hat, dreht sie ein paar Runden im Innenhof des Stadthauses. «Sobald ich realisierte, dass ich trans bin, hatte ich den Wunsch, das so schnell wie möglich zu machen», sagt Franziska.

Das Parlament hatte das Gesetz zur vereinfachten Änderung des Geschlechtseintrags im Dezember 2020 erlassen. «Ich hatte Angst, dass jemand das Referendum ergreift», erinnert sich Franziska. Doch die Referendumsfrist lief unbenutzt ab. «Ich bin sehr erleichtert, dass es nicht zu einer Abstimmung gekommen ist.»

Der Termin auf dem Zivilstandsamt dauert keine 15 Minuten. Nach ihrer Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin muss Franziska zwei Mal unterschreiben: einmal mit ihrem alten Namen und einmal mit Franziska. Damit ist die Sache erledigt. Nachdem Franziska den Schalterraum verlässt, fällt sie ihrer besten Freundin weinend in die Arme. Es sind Freudentränen. Jetzt ist sie auch auf dem Papier eine Frau.

«Als ich meinen neuen Vornamen auf ein Papier niederschreiben konnte, wurde das Ganze plötzlich real. Die Zivilstandsbeamtin übertrug ihn auf ein Formular, das sie mir zur Unterschrift gab. Meinen Vornamen offiziell zu lesen war ein sehr emotionaler Moment», sagt sie.

Bevor sie sich für ihren Vornamen entschied, hatte Franziska eine Liste mit Namen zusammengestellt, die ihr besonders gefielen. Franziska war unter den Top Drei. «Als ich meine Eltern fragten, welchen Mädchennamen sie mir bei der Geburt gegeben hätten, antworteten sie: ‹Franziska›. Dann musste ich nicht mehr lange überlegen», sagt sie lächelnd.

Franziska feiert ihren neuen Vornamen mit einem gemeinsamen Abendessen im Familien- und Freundeskreis. Doch es gibt noch einigen bürokratischen Aufwand zu erledigen, damit Vorname und Geschlecht in sämtlichen offiziellen Dokumenten angepasst werden. «Morgen werde ich viele Briefe offizieller Natur verschicken: Krankenkasse, Versicherung, Banken etc.», sagt Franziska. Neben der Gebühr des Zivilstandsamts von 75 Franken dürften die Anpassungen weitere Kosten verursachen.

Franziska mit ihrer besten Freundin Steffi nach dem Termin auf dem Zivilstandsamt. (Bild: Mannschaft Magazin)
Franziska mit ihrer besten Freundin Steffi nach dem Termin auf dem Zivilstandsamt. (Bild: Mannschaft Magazin)

«Zur Beantragung von neuen Identitätsdokumenten muss vorgängig beim Passbüro ein Termin reserviert werden. Das Passbüro kann die aktuellen Daten aus dem Zivilstandsregister direkt abfragen», sagt Madlen Brunner, Leiterin des Zivilstandsamt der Stadt Luzern, gegenüber MANNSCHAFT. «Für alle weiteren Dokumente braucht es vermutlich einen entsprechenden Nachweis. Auf Wunsch kann das Zivilstandsamt eine entsprechende ‹Bestätigung über die Änderung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts› ausstellen.» Diese kostet 30 Franken.

Vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags war langes Ziel von TGNS

«Über den Grundsatz, dass der Geschlechtseintrag nun schweizweit einheitlich schnell, kostengünstiger und vor allem basierend auf Selbstbestimmung geändert werden kann, sind wir sehr erfreut», sagt Alecs Recher, Leiter Rechtsberatung und Advocacy bei Transgender Network Switzerland (TGNS), gegenüber MANNSCHAFT. «Damit kommt die Schweiz einem menschenrechtlichen Auftrag nach, auf den TGNS seit der Gründung vor elf Jahren hingearbeitet hat.»

Die Trans-Community musste für das neue Gesetz viel Geduld aufbringen. Nach Ablauf der Referendumsfrist im Frühling 2021 setzte der Bundesrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens erst im Oktober 2021 fest. «Da hätten wir uns eine bessere Kommunikation von Seiten Bund vorstellen können. Denn für viele trans Menschen war es nicht verständlich, warum es nach dem Entscheid des Parlamentes nochmales ein gutes Jahr dauerte, bis sie nun endlich beim Zivilstandsamt ihren Geschlechtseintrag ändern lassen können», so Recher. Die Informationen zum neuen Verfahren, die der Bund mit der Unterstützung von TGNS erarbeitet habe und in drei Sprachen zur Verfügung stellt, seien jedoch gut geworden und für viele trans Menschen sicher hilfreich.

Für TGNS ist das Thema der Selbstbestimmung jedoch noch nicht abgeschlossen. Für minderjährige oder verbeiständete trans Personen ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung notwendig. TGNS fordert, dass alle urteilsfähigen Personen unabhängig ihres Alters oder Verbeiständung ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt ändern können.

Zudem sollten auch nichtbinäre Personen vom Staat anerkannt werden. «Also nicht länger gezwungen werden, sich fälschlicherweise als ‹weiblich› oder ‹männlich› eintragen zu lassen», erklärt Recher. Ein weiteres Ziel von TGNS ist die Namensänderung ohne Änderung des Geschlechtseintrages in einem «schnellen, selbstbestimmten und kostengünstigeren Verfahren» in allen Kantonen, so Recher. «Denn daran ändert das neue Verfahren nichts. Einzelne Kantone wie Zürich und Waadt haben die Namensänderung für trans Menschen bereits sehr vereinfacht, nun ist es an den anderen nachzuziehen.»

Im Januar 2022 sorgte ein Luzerner für Schlagzeilen, weil er seinen Geschlechtseintrag ändern liess, um seine AHV-Rente früher erhalten (MANNSCHAFT berichtete). früher AHV-Rente erhalten als Männer. Diese Art von Missbrauch sei sehr selten, so das Bundesamt für Justiz.

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