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«Meine Eltern wollten nicht, dass ich die schwule Rolle spiele»

Burak Ates spielt einen homosexuellen Türken im Schweizer Spielfilm «Beyto»

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Ist die Liebe zwischen Beyto (Burak Ates, links) und Mike (Dimitri Stapfer) stärker als die Familienehre? (Bild: Frenetic Films)

Am 29. Oktober startet «Beyto» in den Schweizer Kinos – ein Film über den Sohn türkischer Einwanderer, der sich in einen Mann verliebt. Wir sprachen mit Regisseurin Gitta Gsell und Hauptdarsteller Burak Ates und verlosen 5 x 2 Tickets.

«Beyto» ist ein neuer Schweizer Spielfilm über schwule Liebe und patriarchalische Strukturen. Hauptfigur ist der junge Beyto aus Bern, der aus einer türkischen Einwandererfamilie stammt und sich in seinen Schwimmtrainer Mike verliebt. Der Film von Regisseurin Gitta Gsell feierte im September Weltpremiere am Zurich Film Festival ZFF (MANNSCHAFT berichtete) und kommt am 29. Oktober in die Schweizer Kinos. Der Kinostart in Deutschland ist für Februar 2021 geplant.

Der Film von Regisseurin Gitta Gsell beginnt in Bern-Bethlehem und zeigt den aufstrebenden Schwimmstar Beyto, gespielt von Nachwuchsschauspieler Burak Ates. Beim intensiven Training funkt es zwischen ihm und Mentor Mike (Dimitri Stapfer), die beiden verlieben sich ineinander. Als die Eltern davon Wind bekommen, scheint es nur einen Ausweg zu geben: Beyto muss heiraten. Und so schleppen sie ihren Sohn unter falschem Vorwand in die Türkei, wo er mit Seher – seine Freundin aus Kindheitstagen – den Bund fürs Leben schliessen soll.

Homosexualität in Migrationskreisen ist kein einfaches Thema, wie es sich bereits beim ersten Casting für den Film herausstellte. Für die Rolle von Beyto wurde ein «junger, sportlicher Mann mit türkischem Hintergrund» gesucht. Dem Aufruf seien viel gefolgt, sagt Gitta Gsell im Interview mit MANNSCHAFT am ZFF. «Mehr als die Hälfte winkte jedoch ab, nachdem sie gehört hatte, dass sie einen schwulen Mann spielen müsste. Wegen der Eltern können sie das nicht tun, so ihre Begründung.» Auch Gsells erster Favorit nahm die Rolle trotz Unterstützung seiner Eltern nicht an. «Die Verwandtschaft in der Türkei hatte ihm so lange zugesetzt, bis er ausstieg. Das zeigte mir, dass noch viele Vorurteile existieren.»


Obwohl Burak Ates keine schauspielerische Erfahrung mitbrachte, bezeichnet ihn Gsell als ideale Besetzung für die Rolle von Beyto. «Klar war es ein Risiko. Aber Burak ist sehr filmogen und hat Talent, das zeigte sich schon von Anfang an», sagt sie. Dazu habe die Chemie mit Dimitri Stapfer «einfach gestimmt».

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Türkische Tradition und Familienehre auf der einen, die schweizerische Individualgesellschaft mit ihren liberalen Werten auf der anderen Seite. Ates schafft es ohne grosse Worte, Beytos innere Zerrissenheit überzeugend auf die Kinoleinwand zu bringen. Es ist ein Zwist, den der Schauspieler von den eigenen Eltern kennt, die mit jungen Jahren aus der Türkei in die Schweiz eingewandert sind. Ihnen gegenüber verheimlichte er seine Teilnahme an den Castings, denn er wusste, dass sie sein Interesse an der Schauspielerei missbilligen würden.

Ates sass zwischen seinen Eltern, als Gsell ihn anrief, um ihm für die Rolle zuzusagen. Vater und Mutter waren soeben aus ihren Türkei-Ferien zurückgekommen, hatten neue Teppiche vor ihm ausgebreitet. «Jetzt kannst du feiern gehen!» jubelte Gsell ihm durch den Hörer zu. Doch Ates war nicht nach Feiern zumute. «Ich konnte mich nicht so richtig freuen», sagt er gegenüber MANNSCHAFT. «Ich musste sofort an Beyto denken.»


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Beyto soll seine Kindheitsfreundin Seher (Ecem Aydin) heiraten. (Bild: Frenetic Films)

Wie Ates richtig vermutet hatte, waren seine Eltern überhaupt nicht begeistert von seinen schauspielerischen Ambitionen, geschweige der Thematik des Films. «Sie wollten nicht, dass ich diese Rolle spiele und wiederholten mehrmals, dass es eine schlechte Idee sei», sagt er. Während den Dreharbeiten sei er auch nicht von ihnen unterstützt worden. «Sie fragten mich: ‹Was ist, wenn Leute zu uns kommen und sagen, dass unser Sohn einen Mann küsst?›»

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Familie über alles? Beyto mit seinen Eltern. (Bild: Frenetic Films)

Heute studiert Ates an der Schauspielschule Zürich. «Ich habe viel von Beyto gelernt» sagt er. «Er durfte seine Sexualität nicht ausleben, genauso wie ich meinen Traum der Schauspielerei nicht ausleben durfte. Ähnlich wie Beyto habe ich meinen Weg gesucht und dann gefunden.» Komplimente aus der Familie gab es am Ende doch noch. Und zwar aus der Türkei. «Meine Cousins und mein Onkel sahen den Trailer, in dem es übrigens klar ersichtlich ist, dass ich einen Mann küsse. Sie riefen mich an, um mir zu gratulieren. Das überraschte mich sehr und freute mich natürlich auch.»

«Beyto» ist eine Verfilmung des Romans «Hochzeitsflug» von Yusuf Yesilöz, weicht jedoch von der Buchvorlage ab. «Mir war es im Film wichtig, dass die Figuren eine Entwicklung durchmachen», sagt Gsell. Ihr sei auch bewusst gewesen, dass schwule Rollen in vielen Filmen mit tragischen Schicksalen behaftet sind. «Ich wollte ein visionäres Ende setzen und auf eine Zeit hindeuten, in der die verschiedensten Leute zusammenleben können.»

Gitta Gsell an der Weltpremiere von «Beyto» am Zurich Film Festival 2020. (Bild: Fabienne Wild for Zurich Film Festival)

Mit «Beyto» will Gsell nicht nur mehr Verständnis für die LGBTIQ-Community fordern, sondern auch für die «Gegenseite»: die türkischen Eltern. «Auch sie sind in den Traditionen gefangen», sagt sie. «Denn es sind nicht die Menschen, die schlechte Absichten habe. Diese ergeben sich aus den patriarchalischen Strukturen, in denen sie leben. Ich hoffe, dass der Film dazu beiträgt, diese aufzubrechen.»

Neben «Beyto» feierten 12 weitere LGBTIQ-Filme am ZFF Premiere (MANNSCHAFT berichtete).

Ab 29. Oktober läuft der Film in Deutschschweizer Kinos,.

Die Verlosung wurde beendet.

Im Februar 2021 ist «Beyto» übrigens dann in Deutschland zu sehen, in der queerfilmnacht.


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