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Geschlechtseintrag: Nationalrat ermächtigt trans Jugendliche

Das Suizidrisko ist bei trans Jugendlichen um 40 Mal grösser als bei cis Jugendlichen

LGBTIQ News
Symbolbild: Sharon McCutcheon/Unsplash

Geht es nach dem Nationalrat sollen alle trans und inter Personen, auch Jugendliche, selbstbestimmt ihren Geschlechtseintrag ändern können. Die Vorlage geht als nächstes in die kleine Kammer.

Trans und inter Personen sollen ihren Personenstand einfacher ändern können. Dies beschloss der Nationalrat mit 121 zu 61 Stimmen. Er geht dabei einen Schritt weiter als der Ständerat und Bundesrat und streicht die Zustimmungserfordernis für Minderjährige, dies mit 100 zu 93 Stimmen. Nun muss auch der Ständerat die angepasste Vorlage absegnen.

Trans und inter Personen sollen ihren Personenstand – Vornamen und Geschlechtseintrag – mittels einer einfachen Erklärung vor dem Zivilstandsamt ändern können, ohne medizinische Auflagen oder psychologische Gutachten. Statt 1000 Franken soll der Schritt lediglich 75 Franken kosten. Der Ständerat hatte dieser Vereinfachung bereits im Juni zugestimmt (MANNSCHAFT berichtete), legte jedoch für Minderjährige eine elterliche Einwilligungspflicht fest.

Die Selbstbestimmung sei wichtig, auch für Jugendliche, wie SP-Nationalrätin Tamara Funiciello anhand eines fiktiven Beispiels in ihrem Votum bei der Ratsdiskussion erklärte. Der Gang zum Zivilstandsamt zur Änderung des Geschlechtseintrags stehe nicht am Anfang einer Transition, sondern am Schluss. «Diese Menschen, diese Jugendlichen, die nennen sich bereits anders, sie kleiden sich anders, sie verhalten sich anders. Sie heissen nicht mehr Paul, sondern sie nennen sich, seit sie sechs, neun oder vierzehn sind, Anna, und sie kleiden sich auch, wie sich eine Anna kleidet», sagte sie.


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Müsste Anna im Bus nun das Abonnement vorweisen, auf dem «Paul» und ein grosses «M» für männlich stehe, käme das einem unfreiwilligen Coming-out gleich. «Das ist belastend, weil Anna dem Kontrolleur dann erklären muss, dass sie trans- oder intergeschlechtlich ist und dass sie Hormone nimmt. Dann kann Anna nur hoffen, dass der Kontrolleur das glaubt», so Funiciello. «Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit einem Kontrolleur im Bus über ihr Geschlechtsteil reden. Das ist doch absurd! Es ist aber Realität für trans- und intergeschlechtliche Menschen in der Schweiz.»

Es sei wichtig, dass Jugendliche ihren Personenstand auch ohne Zustimmung der Eltern ändern können, so Funiciello, die für die Streichung der Zustimmungserfordernis plädierte. Sie wies darauf hin, dass das Suizidrisiko bei trans Jugendlichen um bis zu 40 Mal grösser sei als bei cis Jugendlichen. «Wenn die Eltern Anna unterstützen, dann ist es egal, ob in diesem Gesetz steht, dass Anna die elterliche Einwilligung braucht. Wenn die Eltern Anna aber nicht unterstützen, dann macht das eben einen Unterschied. Ich bitte Sie sehr, die Konflikte in der Familie nicht zusätzlich zuzuspitzen, denn darunter leiden vor allem die Jugendlichen.»

Hinter der Vorlage standen vor allem linke und Mitte-links Parteien. Nein-Stimmen kamen mehrheitlich von der SVP und von CVP-Politiker*innen. Der offen schwule SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt lehnte die Vorlage ab und forderte eine ärztliche oder psychologische Betreuung als Voraussetzung für die Personenstandsänderung – die Erleichterung sei zu «massiv». In seinem Votum äusserte er die Befürchtung, die Vereinfachung diene als «Vorbote» der Diskussion um das dritte Geschlecht. «Es ist unüberhörbar, dass das Metaziel der Genderideologie die Aufhebung des Geschlechts als vermeintlich bloss soziale Konstruktion ist», sagte Vogt. «Es gibt zwei Geschlechter: Mann und Frau.»


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Bereits die vorberatende Rechtskommission des Nationalrats hatte der Streichung der Zustimmungserfordernis zugestimmt (MANNSCHAFT berichtete). Christa Markwalder, FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin der Rechtskommission, wies darauf hin, dass 2018 nur 173 Personen ihr Geschlecht im Personenstandsregister ändern liessen. «Es geht also nicht um eine Gesetzesänderung für eine breite Masse, sondern um eine gezielte Erleichterung für Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung», sagte sie. «Diese Vorlage ist ein kleiner Schritt für unser Parlament, aber ein grosser Schritt für betroffene Menschen.»


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