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«Was uns klein halten will, macht uns nur stärker!»

Der Wiener Regenbogenfahnenskandal und seine Folgen

LGBTIQ-Community
Am Montag gingen in Wien 1000 Menschen auf die Strasse und zeigten Solidarität mit der LGBTIQ-Community (Foto: Die Grünen Wien)

Es war am vergangenen Wochenende in Wien: Bei der sogenannten Corona-Demo wurden Homosexuelle als «Kinderschänder» beschimpft und eine Regenbogenfahne zerrissen. Eine Rednerin plärrte daraufhin ins Mikro: «Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft.» So weit, so übel. Aber am Ende, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar, kommen solche Vorkommnisse der LGBTIQ-Community zupass.

Neulich spielte sich in Wien eine kuriose Szene ab: Auf einer, wie ich es nennen würde, covidiotischen Demo war auch mindestens eine Regenbogenflagge zu sehen (MANNSCHAFT berichtete). Das mag mich gewundert haben oder nicht: Unsereins ist ja überall. In jeder Szene, in allen Teilen von dem, was wir Gesellschaft nennen. Wer möchte, dass wir uns bei allem immer einig, unsereins namens Queer, soll sich eine Strickgruppe suchen – LGBTI hat nur gemeinsam, für gleichberechtigte Lebenschancen zu kämpfen und gegen Diskriminierung. Nach dem Wiener Vorfall war das Geschrei, ich will fast sagen: der Verurteilungswahn, die Gesten der Empörung natürlich gross.

Ich würde aber sagen: Antiqueere und antihomosexuelle Bekundungen, allermeist aus dem (rechts-)populistischem Spektrum, sind uns nützlich. Sie dienen uns dafür, dass die sogenannte gesellschaftliche Mitte uns schwule Männer, lesbische Frauen oder trans und inter Menschen zwar nicht liebt, aber man will auf keinen Fall, dass sie gehässig Opfer von Gewalt und Gewaltphantasien werden.

Ich erinnere mich an meine eigene Aktivistenzeit, so Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre: Damals, als die Zeit des stillschweigenden Homophobiekonsens passé war, äusserten sich vornehmlich christliche Gruppen in Gottesdiensten und auf sonstwie jesuanischen Veranstaltungen gegen uns. Christa Mewes, schlimmste unter den prominenten Gottesdienerinnen homophobster Art, agitierte 1980 in Hamburg gegen uns – und uns standen damals als kleine Protestschar alle Türen offen, weil Homophobie als gesellschaftlicher Konsens verschwunden war.


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Nicht, dass Homophobes nicht mehr gedacht wurde, aber eben nicht mehr als Gemeinsames, als stummes Einverständnis. Will man die heutzutage erreichten Fortschritte in West-, Nord- und teilweise Südeuropa in Sachen LGBTI ermessen, reicht es nicht, einzelne hässliche Stimmen, wie in Wien, wahrzunehmen und überall weitflächige Repression und Diskriminierung auszumachen. Nein, der Konsens ist antihomophob, schichtenübergreifend.

Wer gegen die LGBTIQ-Community hetzt, hat schon verloren
In den mittleren achtziger Jahren waren es gerade die seltsam schwülen, ressentimentgeladenen Geraunereien des CSU-Politikers Peter Gauweiler, die eine freundliche, politische AIDS-Politik wie die von Heiner Geißler und Rita Süssmuth erst zum Siegeszug verhalfen. Man könnte sagen, historisch informiert wie aktuell: Wer gegen Homos hetzt, hat schon verloren im Kampf um gesellschaftliche Mehrheiten.

Das ist ein politischer Mechanismus klassischster Art, der auch für Fragen des Rassismus oder des Sexismus gilt, sozial- und sexualwissenschaftlich hinlänglich mit Zahlen unterfüttert: Hass ist nicht mehrheitsfähig, krasseste Aversion weckt freiheitliche Geister. Aus dem rechtspopulistischen Spektrum droht keine Mehrheit zu werden – im Gegenteil.


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In den sechziger Jahre, wenige Jahre, nachdem Deutschland seine jüdischen Bürger*innen und Nachbar*innen fast gänzlich erfolgreich auslöschte, gab es wieder Menschen, die als fremd phantasiert wurden. Es waren, so wurden sie genannt, Gastarbeiter. Man hat sie ignoriert, sie waren Arbeitsbienen meist nur, keine satisfaktionsfähigen Mitbürger*innen. Dass es um Identitäten und Multikulturalitäten in allen deutschsprachigen Ländern Streit gibt, ist insofern kein Rückschritt, sondern ein langer Schritt nach vorn: Sie melden sich zu Wort – und das ist immer ein Zeichen von Integration, von Annäherung und Gewöhnung. Gut so!

Die LGBTIQ-Community muss robuster werden
Wer gegen Homos und Trans hetzt, bringt sich ins gesellschaftliche Abseits und profiliert sich als unappetitliche Person. Einige tun das trotzdem. Wir müssen das aushalten, wir müssen robuster werden. Nicht überall droht unser Untergang, es droht eigentlich nur das Bessere, das wir selbst bewirken können.Ist das nicht erfreulich?

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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