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No butches? No asians? No tomboys? Wenn Lesben daten

Es gibt Apps für Frauen, die aber kaum benutzt werden, berichtet unsere Kolumnistin

Lesben daten
Foto: Marie S/Unsplash

Wie läuft das eigentlich online, wenn Lesben daten? Gibt es da ähnlich verstörende Ansagen wie bei Grindr, so von wegen: keine Dicken, keine Tunten! usw. (MANNSCHAFT berichtete)? Das wollten wir von unserer neuen MANNSCHAFT-Kolumnistin Anna Rosenwasser wissen. Ein Erlebnisbericht, den man auch als Kommentar lesen kann.

«Jasmintee ist so gay», sagt Juan, also bestellen wir beide Jasmintee. Vielleicht nicht die schlauste Idee im Hochsommer, aber wenn ein Getränk als gay bezeichnet wird, will ich es haben. I’m a simple girl.

Juan und ich kommen beide aus derselben Kleinstadt. Das verbindet. Aber während ich nach Zürich zog, weil mir die Heimat zu hetero war, zog Juan irgendwann zurück in die Kleinstadt, weil ihm Zürich zu gay war. «Du weisst, ich liebe die Community», versichert er mir, «und ich bin mega gerne schwul.» Seine Ohrringe glänzen in der Sommersonne, er strahlt. Juan ist nicht «straight-acting», und er will auch gar nicht. Und doch: Die Szene in der grösseren Stadt war ihm zu intensiv gewesen, das Daten zu direkt, das Kennenlernen zu sexualisiert.

«Nichts gegen ein gelegentliches Schlampen-Date», sagt er in liebevollem Ton, «aber ich würde einen Mann auch gern mal wieder etwas langsamer kennenlernen.» Unser Jasmintee wird serviert. «Bei uns Schwulen ist mir das manchmal echt zu direkt, zu unpersönlich. Sag mal, wie macht ihr Lesben das eigentlich so beim Online-Dating? Schreibt ihr in eure Bios so Blödsinn wie no butches, no asians, no tomboys?»


Ich verschütte fast meinen frischen Jasmintee. Ja, wie geht lesbisches Online-Dating? Ich müsste es wissen: Ich stehe auf Online-Dating, und ich stehe auf Frauen. Aber ich weiss es nicht. Weil es mir nicht leicht fällt, Frauen zu daten – und ehrlich gesagt glaube ich: anderen Frauen auch nicht.

Als ich noch Männer datete, war das mit den Dating-Plattformen eigentlich keine Frage: Die Männer schreiben die Frauen an, die Frauen zieren sich, die Männer machen den nächsten Schritt. So weit, so 1953. Ich bin schon lange Feministin, aber die Geschlechterrollen beim Hetero-Daten waren echt schwer abzutrainieren. Nicht nur anderen, sondern auch mir selbst. Uns Frauen wird beigebracht, ja nicht zu dominant zu sein beim Daten. Und Männern wiederum wird beigebracht, dass sie den ersten Schritt machen müssen. Und dann noch einen, und noch einen. Das heisst, dass wir Frauen einfacher an Matches rankommen, dafür online aber auch mehr belästigt werden.

Lesben wiederum haben von beidem weniger: Von den Belästigungen wie auch von den Matches. Es ist eine einfache Rechnung: Wenn Männern ein Leben lang beigebracht wird, dass sie aktiv sind, und Frauen ein Leben lang beigebracht wird, sich zurückzuhalten… dann machen im Hetero-Dating Männer öfters den ersten Schritt, beim Schwulen-Dating sind beide direkt (wenn auch nicht beide aktiv, haha) und beim Lesben-Dating beide zurückhaltend. Was heisst: weniger Dating, weniger Dating-Apps. Und weniger Dates.


«Juan… wie soll ich das sagen…», seufze ich, «wir Frauen haben nicht wirklich viele Dating-Apps. Oder viele Dates. Jedenfalls nicht wie ihr Schwulen.» Klar, es gibt Frauen-Apps, die kaum benutzt werden. Und dann gibt es eine einigermassen beliebte, wo man swipen kann. Und sich Freundschafts-Anfragen schicken.

«Freundschafts-Anfragen», wiederhole ich nach dem nächsten Schluck Tee, «stell dir vor! Auf einer Dating-App!» Diese ausschliessenden Labels, sage ich meinem neuen Freund, gäbe es beim Lesben-Dating nicht so. Sie sind mir noch nie begegnet, weder in den lesbischen Whatsapp-Chats, noch an unseren queeren Frauentreffen oder in der Homo-Ecke bei Instagram. Aber bei genauerem Nachdenken merke ich: Ich weiss es gar nicht so genau. Weil ich seit Jahren keine Dating-Apps für Frauen mehr benutzt habe.

Wieder zuhause, installiere ich eine der beliebten Frauen-Apps. (Für alle neugierigen Leser*innen: Ich meine «Her».) Nicht, weil ich plötzlich Bock habe zu daten, sondern, weil ich es wissen will: Was steht denn in den Bios der frauenliebenden Frauen? Steht da «no butches, no asians, no tomboys»? Ich gerate auf mein veraltetes Profil, ersetze die Selfies von damals mit solchen von heute. Dann swipe ich rum. Nicht ewig, weil die Gratisversion ein Limit hat.

Dafür stelle ich fest, dass man sich noch immer Freundschaftsanfragen schicken kann, als ginge es nicht ums Daten. Als ich in die Bios gucke, stelle ich erleichtert fest: Niemand schreibt, dass sie keine Tomboys, keine Schwarzen oder keine Butches will. Jedenfalls nicht bei den Frauen, die auf meiner App auftauchen. Dafür kann man sogenannte «Pride-Stickers» auswählen: «Andro», steht da zum Beispiel mit der Illustration einer Anzugsfliege, «Butch», «Trans Pride», oder «Femme» in Barbie-Schrift (den Sticker wähle ich sofort).

In der bezahlten Version kann man dann nach diesen Labels suchen – also eine Vorliebe einschliessen, statt Körpertypen auszuschliessen. Ich glaube, ich finde das gut. Lesbendating mag davon geprägt sein, dass niemand den ersten Schritt macht und man sich Freundschaftsanfragen schickt, statt sich wirklich zu daten. Und Schönheitsnormen gibt es bei uns frauenliebenden Frauen natürlich auch. Aber diese diskriminierenden Normen derart klar in die Bio hauen? Dafür sind Lesben zu indirekt. Und ausnahmsweise bin ich froh darum.


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