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Wird Strasse nach schwulem Nazi-Jäger Fritz Bauer benannt?

Ohne den deutschen Juristen wären viele NS-Verbrechen in Vergessenheit geraten

Der Jurist Fritz Bauer war ein Verfechter der konsequenten juristischen Aufarbeitung von Naziverbrechen. Er selbst sah sich gezwungen, seine Homosexualität wegen des Paragrafen 175 geheim zu halten. Nun brachte die deutsche Justizministerin seinen Namen ins Gespräch – für die Berliner Mohrenstrasse, die man umbenennen will.

Die Deutsche Post widmete dem Nazi-Jäger Fritz Bauer bereits in ihrer Reihe «Aufrechte Demokraten» eine Briefmarke (MANNSCHAFT berichtete). Nun folgt möglicherweise ein noch grössere Ehre. Die Berliner Mohrenstrasse soll umbenannt werden, und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) unterstützt nicht nur die Idee der Umbenennung an sich.

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«Den Vorschlag einer Fritz-Bauer-Strasse fand ich total spannend», sagte die SPD-Politikerin dem Magazin Cicero – ihr Ministerium befindet sich in der Mohrenstrasse. Der Jurist Bauer (1903-1968), der aus einer jüdischen Familie stammte und während der Nazi-Diktatur im Exil war, galt als Initiator der Auschwitz-Prozesse 1963. Lambrecht hat kürzlich bereits das bisher namenlose Foyer im Ministerium nach ihm benennen lassen, wie es im Cicero ausserdem heisst.

Fritz Bauer war früh politisch engagiert und litt gleich doppelt unter der Machtübernahme der Nationalsozialisten: Er war Jude, sah sich selbst jedoch als Atheist. Ausserdem war er homosexuell, auch wenn er dies aus Angst bis zu seinem Tod verheimlichte.


1933 wurde Fritz Bauer bei den Planungen zu einem gegen die Nationalsozialisten gerichteten Generalstreik verhaftet und für acht Monate inhaftiert. Drei Jahre später emigrierte er nach Dänemark. Im Kopenhagener Exil beobachtete ihn die Fremdenpolizei bei einer sexuellen Handlung mit einem anderen Mann. Dies verrät eine Polizeiakte – auch wenn Homosexualität in Dänemark damals nicht mehr strafbar war.

Konsequente Aufarbeitung
Als Dänemark schliesslich unter deutscher Besatzung stand, flüchtete Fritz Bauer nach Schweden. Erst 1949 kehrte er wieder nach Deutschland zurück, wo er ab 1956 als hessischer Generalstaatsanwalt tätig war. 1968 verstarb Bauer unter etwas mysteriösen Umständen: Er wurde in der Badewanne seiner Wohnung in Frankfurt aufgefunden; als offizielle Todesursache gilt eine akute Bronchitis.


Dank Bauer wurden zahlreiche Nazi-Verbrecher verurteilt, Kriegsverbrechen aufgearbeitet und Widerstandskämpfer*innen rehabilitiert. Er initiierte unter anderem Prozesse gegen 22 Personen, die an den Gräueltaten im Konzentrationslager Auschwitz mitschuldig waren.

«Wie im Exil»
Diese kompromisslose Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen war damals nicht selbstverständlich: Viele hohe Juristen aus dem Dritten Reich waren auch in der Nachkriegszeit in wichtigen Positionen tätig. Bauer soll dazu einst gesagt haben: «In der Justiz lebe ich wie im Exil.» Auch das mangelnde Interesse der Bevölkerung an den Auschwitz-Prozessen habe ihn verbittert.

Als Fritz Bauer 1957 den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann in Argentinien erfuhr, traute er den deutschen Behörden folglich nicht. Er informierte stattdessen direkt den israelischen Geheimdienst, was schliesslich zur Verhaftung und Verurteilung Eichmanns führte. Dieser war Leiter derjenigen Dienststelle, die für die Deportation und Ermordung von Millionen von jüdischen Menschen verantwortlich war.

Darüber hinaus war Fritz Bauer auch ein Reformer des Straf- und Strafvollzugsrechts. Er plädierte dafür, nicht die Strafe, sondern die Resozialisierung ins Zentrum des Kriminalrechts zu stellen. Ein für die damalige Zeit ungewöhnlicher und moderner Ansatz.

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Über Homosexualität geschwiegen
Im 2015 erschienen Spielfilm von Lars Kraume «Der Staat gegen Fritz Bauer» wurde erstmals explizit Bauers private Seite und seine Homosexualität thematisiert (MANNSCHAFT berichtete). Bauers Schweigen über seine Sexualität wurde nach seinem Tod von Historiker*innen fortgesetzt – wohl aus Furcht, andernfalls das Andenken des Nachkriegshelden zu «beschmutzen».

Die frühere deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) würdigte Bauers Lebenswerk in einem Tweet und bezeichnete ihn als «höchst bemerkenswerten Mann».


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